Bernd Leitenbergers Blog

Echte Demokratie

Die Demokratie soll ja die beste aller Regierungsformen sein. Zeit mal dies zum Thema zu machen. Die Demokratie hat ja ihren Ursprung in Griechenland, bekannt ist das Scherbengericht von Athen.

Damals wurde bei Ja/Nein Abstimmungen mit schwarzen und weißen Kieseln abgestimmt, sonst wurden Namen auf Scherben gekritzelt. Die Bezeichnung Scherbengericht bekam die Regierungsform, weil man auch zu einflussreiche Personen auf 10 Jahre verbannte. Vielleicht hatte man so viel Angst vor einer Diktatur oder einem König, dass man darauf achtete, dass keiner zu mächtig wurde.

Die Athener Demokratie war keine im heutigen Sinne. So waren nur Männer mit Bürgerrecht wahlberechtigt. Frauen, Ausländer vor allem aber Sklaven hatten keines, das beschränkte die Demokratie auf 10% der Bevölkerung. Immerhin war es eine enorme Verbesserung gegenüber den damaligen Monarchien. Die waren noch um einiges absoluter als die späteren in Europa und in Rom. Sowohl die ägyptischen Pharao wie auch die Herrscher in Babylonien, Assur und Persien verstanden sich als Nachkommen oder Verwandte der Götter. wer die Grußformeln in Verträgen liest bekommt eine Vorstellung davon. Da werden gleich einige Götter aufgezählt mit denen der Herrscher in Verbindung steht und er ist meist auch „König der Könige“. Gegen die Etikette am persischen Hof soll das spanische Hofzerimoniell richtig leger gewesen sein. Eine falsche Bewegungen einer Wache konnte ihren Tod bedeuten.

In Rom kam man mit der Demokratie nicht sehr weit. Nachdem die ärmeren Bevölkerungsschichten, der Plebs anfangs gar keine Macht hatten, erkämpften sie sich zumindest etwas Einfluss, indem sie aus der Stadt auszogen, doch auch nachdem Rom eine Demokratie wurde war die Macht in der Hände des Adels, der Patrizier. Sie stellten den Senat. Mehrfache Versuche das System zu reformieren scheiterten. Später wurde aus den Demokratie eine Monarchie indem sich Herrscher zum Cäsar erklärten. Doch selbst wenn es beim Senat als einziger Herrschaftsform geblieben wäre, demokratisch war er im heutigen Sinne nicht. Mitglieder waren nur die Reichen und nur in Rom wohnende Bürger, was angesichts eines Reichs, dass große Teile Europas, Nordafrikas und des nahen Ostens umfasste im Prinzip bedeutete, dass sie die Interessen einer kleiner Clique der Stadt vertraten so wurden die Provinzen ausgeplündert, in Rom dagegen großzügig gebaut, die Armen gespeist und mit Spielen unterhalten, was dazu führte das Roms Bevölkerungszahl bald auf eine Million Einwohner anstieg – für die Zeit enorm groß, selbst im Mittelalter gab es wenige Städte die mehr als 100.000 Einwohner hatten und natürlich auch das Regieren erschwerten, denn das waren eine Million Mäuler die dauernd gestopft werden mussten.

Im Mittelalter gab es Demokratie in den Städten, die von einem gewählten Bürgermeister und dem Stadtrat reagiert wurden. Allerdings änderte sich nichts daran, dass die Demokratie immer nur eine der oberen Schichten waren. Einflussreich im Mittelalter waren die Gilden. Handwerker waren in Gilden, den Vorfahren der späteren Zünften und Handwerkskammern organisiert und sie sorgten durch als Ratsmitglieder Gesetze dafür, dass ihre Berufsstände geschützt wurden. So konnte man sich nicht einfach in einer Stadt als Handwerker neu niederlassen, Preise wurden festgelegt, damit keiner den anderen unterbieten konnte. Bis heute haben diese Vereinigungen ihre Macht behalten. Ich erinnere mich noch an eine Diskussion vor zwei Jahrzehnten, als die Handwerkskammern durchsetzten dass nicht jeder PCs reparieren kann, sondern nur geprüfte Elektriker, obwohl schon damals die Reparatur nur aus dem Austausch von Teilen bestand und die Kernkompetenz darin bestand, anhand des Systemverhaltens die defekte Komponente zu finden und nicht elektrische Spannungen zu prüfen.

Später gab es Parlamente, die immer mehr Mehr Einfluss bekamen. Als der erste Weltkrieg ausbrach stellte Kaiser Wilhelm der II fest, dass er eigentlich nur dazu da war Paraden abzuhalten und Orden zu verteilen, doch auch der Reichstag war von den Militärs entmachtet. Nach dem ersten Weltkrieg dürften bei uns auch Frauen wählen. Übrigens ein Jahr vor den Frauen in den USA, die sich doch sonst als Ursprungsland der modernen parlamentarischen Demokratie sehen.

Seitdem haben wir eine Reihe von Konzepten wie Demokratie funktioniert. England hat ein zweigeteiltes Parlament bestehend aus Ober- und Unterhaus. Wie die USA ist es ein Mehrheitswahlrecht, sprich der Abgeordnete der die meisten Stimmen hat, bekommt den Sitz. Damit fallen bis zu 49% der Stimmen unter den Tisch und vor allem ist es in solchen Ländern für neue Parteien enorm schwer ins Parlament zu kommen. Minderheiten haben so keine oder nur wenige Chancen ihre Interessen im Parlament einzubringen.

In der Weimarer Republik, aber auch in vielen europäischen Ländern gibt es das Verhältniswahlrecht. Damit hat jede Partei die Chance ins Parlament zu kommen, solange sie nur einen Sitz erobert. Als Folge können auch Splittergruppen ins Parlament kommen bzw. Parteien die nur bestimmte Interessen vertreten. So gab es in der Weimarer Republik eine Partei für Katholiken, eine für Bauern und eine bayrische Partei. Zumindest die ist uns erhalten geblieben. Die vielen Parteien sorgten dafür, dass keine Regierung länger als 21 Monaten regierte. Koalitionen mussten mit vielen Parteien gebildet werden und waren nicht stabil. Als Folge haben wir heute eine Modifikation: Durch die 5% Hürde ist die Gefahr der Zersplitterung gemindert. Ich halte das System prinzipiell für das beste, wenn auch nicht perfekt. Da wir eine Parteiendemokratrie haben und keine Direktwahldemokratrie, ist es blödsinnig einen Kandidaten direkt zu wählen und mit einer zweiten Stimme die Parteien, weil es bei Abweichungen in der Verteilung sowieso Ausgleichsmandate gibt (in BW z.B. gibt es praktisch nur Abgeordnete der SPD die über die Landesliste hereinkommen) und alle Direktkandidaten eh in Parteien sind. (anders wäre es wenn die direkt gewählten Abgeordneten gar nicht in einer Partei sein dürften, was sicherlich der Demokratie gut wäre).

Die größere Bedrohung für das Prinzip der Demokratie ist aber die Parteiendisziplin und der Einfluss von Lobbygruppen. Das erste sieht man relativ deutlich bei den Abstimmungen. Im Prinzip bestimmen die Fraktionsspitzen, wie die anderen Mitglieder der Partei abzustimmen haben. In einigen Parteien so CDU und CSU scheint auch nur der Parteivorsitzende zu bestimmen, also Merkel oder Seehofer, selbst wenn der 1000 km entfernt in München hockt. Man sah das bei den Abstimmungen zum Eurorettungsschirm, wenn Abweichlern in der CDU offen mit Konsequenzen gedroht wird. Dabei war von vorneherein klar dass er durchkommt. Die Kollation hat 80% Mehrheit und die Grünen stimmten auch zu, so hätte man ohne Problem auf einige Stimmen verzichten können. Aber es geht um Macht und darauf dass das was Frau Merkel beschließt auch von jedem in ihrer Partei getragen wird, egal welche Meinung er hat. Mit Demokratie hat das nichts zu tun. Es repräsentiert auch nicht die Bevölkerung, den in Umfragen waren nicht 80% für die weitere Unterstützung Griechenlands.

Das zweite ist der Lobbyismus. Er ist weniger offensichtlich, aber erkennbar. An den vielen Posten, die Abgeordnete in der Wirtschaft haben, ohne das sie viel arbeiten müssen, vor allem aber an der Gesetzgebung. Während man Sozialleistungen kürzt, sinken Gewerbesteuern. Beim Krankenkassenbeitrag ist der Arbeitgeberanteil eingefroren. Industrien werden jahrzehntelang subventioniert und niemand ändert das, selbst wenn er in der Opposition dagegen wettert, wie die Union gegen Harz-IV und Ökostromumlage. (von der die Industrie befreit ist).

Meiner Ansicht nach täte unserem System mehr direkte Demokratie gut. Die direkte Abstimmung durch das Volk. Das klappte in der Antike, weil die Personenzahl beschränkt war. Heute kann man bei 60 Millionen Wahlberechtigten nicht laufend abstimmen lassen, zumindest nicht mit den traditionellen Wahlurnen. Doch inzwischen hat jeder einen Internetanschluss. Der neue Personalausweis hat auch eine Pin mit der man Behördengänge erledigen können soll, angeblich auch einkaufen. Wenn es also eine sichere Identifizierung gibt, dann müsste es auch möglich sein, dass jeder übers Internet abstimmen kann. Die, die keinen Internetanschluss haben, müssten dann mit dem Personalausweis an einem Terminal wählen z.B. im nächsten Rathaus. Für jede Abstimmung kann man einen Zeithorizont, z.B. eine Woche vorhersehen. Natürlich muss man nicht jede Verordnung durch das Volk bestätigen lassen, aber wichtige Gesetze schon und so viele dieser gibt es ja nicht. Ich bin mir sicher dass das Volk z.B. bei der Vorratsdatenspeicherung anders abstimmen würde als das Parlament. Wie wir in diesem Jahr bei den Attentaten in Frankreich gesehen haben nützt sie ja offensichtlich nichts gegen den Terrorismus. Die Folge wäre, dass Politiker sich erheblich mehr Mühe geben müssen zu vermitteln, warum sie etwas genauso haben wollen. Ich glaube nämlich das das Volk durchaus die richtigen Entscheidungen treffen kann, schlussendlich stärkt das die Demokratie.

Dazu nur ein Beispiel: Wir hatten hier vor vier Jahren die Abstimmung über Stuttgart 21. Vorher gab es Auseinandersetzungen, Demonstrationen, erfolglose Schlichtungsrunden. Ich war gegen das Projekt. Nicht wegen dem alten Bahnhof oder Käfern, sondern weil ich es als zu teuer und schlecht geplant empfand (so gibt es nur 8 anstatt bisher 16 Gleise und ein Streckenabschnitt bis zum Flughafen wird auch von der S-Bahn genutzt). Entschieden hat eine Mehrheit sich für das Projekt und seitdem ist Ruhe. Es gibt immer noch einige Demonstranten, aber die große Mehrheit hat sich mit dem Ergebnis der Volksabstimmung abgefunden. Möglich war sie aber nur weil die neue Grün/Rote Regierung sie auf den Weg gebracht hat, ohne sie hätte man nie genug Stimmen für einen Antrag zusammengekommen.

Auch hier wäre das Internet eine Lösung. Warum soll die Bevölkerung nur über Gesetze abstimmen die vom Parlament ausgearbeitet werden, aber nicht selbst welche einbringen? Eine zentrale Webseite, die alle Petitionen auflistet, könnte mit der eindeutigen PIN genutzt werden dass Bürger dafür stimmen ob sie eine Initiative unterstützen oder nicht. Wenn diese ein bestimmtes Quorum in einer vorgegebenen Zeit, z.B. 10% in 3 Monaten erreicht dann muss das Parlament sich damit befassen, es in ein juristisch einwandfreies Gesetz gießen und darüber abstimmen lassen.

Technisch und organisatorisch möglich wäre das alles. Aber dann wäre es ja dabei mit der Rauten-Monarchie a la Angela Merkel ….

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