Bernd Leitenbergers Blog

Am Markt vorbei entwickelt

Die Verkündigerin des Messias Gwynnne Shotwell hat für nächste Woche „neue Specs“ für die Falcon Heavy angekündigt. Da ich nur noch etwa 50 Seiten durchzulesen habe, bei der Ankündigung kurz gedacht, ob ich das abwarten sollte, denn ansonsten werde ich am Montag fertig, Norbert hat auch schon einen Grobentwurf des Covers gemacht, also Montag/Dienstag sind realistisch, zumal ich einen Trick gefunden habe, wie ich die Marotte von Libreoffice dauernd Leerseiten einzufügen und ziemlich oft abzustürzen, umschiffen kann – ich druck es in zwei Durchgängen aus und spiele jeweils nur die Bilder ein, die ich für den Durchgang brauche. Pdf SAM kann man dann daraus wieder ein Mansukript machen.

Aber warum lohnt es sich nicht auf neue „Specs“ zu warten? Nun weil die sowieso schwanken. Die Falcon Heavy hat 2011 als sie angekündigt wurde 1400 t gewogen, dann waren es mal 1362 t, 2015 waren es noch 1462 t und jetzt (trotz schwererer Falcon 9 v1.2) sinkt sie wieder auf 1394 t ab. Die GTO Nutzlast betrug mal 12 t, nun sind es 21 t. Ich vermute man wird sie bei den neuen Specs wieder anheben. Ist auch egal. Die Zahlen sind in einem Jahr sowieso andere. Was zählt was die Rakete tatsächlich transportieren kann und für was man Aufträge bekommt. Da hat SpaceX bisher immer voll am Markt vorbeigeplant.

„The wourld fastet growing Launch Service Provider“ (LSP) (Kunststück, wenn man der einzige Neue in den letzten 20 Jahren ist – die anderen können ja nicht mehr Wachsen) so heißt es. Doch an diesem Markt orientiert sich SpaceX nicht. Das ideale Gefährt für den GTO Markt würde etwa 6 t in einen GTO mit einem ΔV von 1500 m/s transportieren. Diesen GTO bietet Arianespace an und er ist Standard. ILS macht bis zu fünf Zündungen um einen GTO mit einem ΔV von 1500 m/s zu ereichen. SpaceX weist auf seiner Webseite eine Inklination von 27,9 Grad aus, das entspricht einem ΔV von 1800 m/s oder einer um 6 Jahre verkürzten Lebensdauer im Orbit. SpaceX muss daher einen supersynchronen Orbit einschlagen und der kostet Nutzlast bei der v1.1. waren es nur noch 3500 von 4850 kg. Tja so rechnet man die Nutzlast höher als sie ist.

Die 6 t ergeben sich daraus weil die Proton und Zenit etwa 6 t als Maximalnutzlast haben. Die meisten Satelliten liegen daher drunter, sonst kann sie derzeit nur Ariane 5 transportieren und die Kunden wollen nicht von einem LSP abhängig sein. Mit 6 bis 6,6 t in einen GTO wäre SpaceX also fähig, fast alle Satelliten in den GTO zu starten. Als zweites Standbein gäbe es noch die Versorgung der ISS. Da hat die Firma mit ihrer Dragon sich selbst die Vorgaben gemacht. Ganz genau weiß man nicht wie viel die Dragon wiegt, doch die Falcon 9 v1.0 die etwa 7 t zur ISS transportieren konnte, hatte nie mehr als 800 kg Fracht bei der Dragon. Bei etwa 2,5 t ist Schluss weil nicht mehr in die Kapsel reingeht, selbst wenn noch unpressurized Cargo hinzukommt. So kommt man für ISS Transporte mit einer Rakete mit 10 t LEO-Nutzlast aus. Die Falcon 9 ist nun für ISS-Transporte schon zu groß und für GTO noch zu klein. Die Firma weis das übrigens – der Nutzlastadapter ist für maximal 10,9 t ausgelegt und das bei 13,15 t Maximalnutzlast … sie rechnet offensichtlich nicht damit, das jemand die auch mal ausnutzt.

Die Falcon Heavy ist nun schon (ohne 1,2 Upgrade) zu nutzlastreich. Selbst wenn es keine 21 t sind und die nicht für den Ariane 5 GTO gelten – sie wird nie voll ausgeschöpft. Mehr noch, SpaceX hat sich ein dickes Problem mit der v1.1 eingehandelt, das den Fans bei den Lobpreisungen über die v1.2 gar nicht auffiel. Die unterkühlten Treibstoffe sind kein nettes Feature, sind sind das Eingeständnis das man ein Problem hat. Raketen sollten nicht zu lang sein, kürzer ist besser, beim Aufstieg wirken aerodynamische Kräfte auf die Rakete und zwar um so stärkere je länger eine Stufe  ist. Das kostet Masse für die Strukturelle Integrität und es kostet Nutzlast. Ich habe für das Buch auch geguckt wie andere die Trockenmasse der Stufen einschätzen und keiner nimmt die Strukturfaktoren von Musk mit 30 für Erststufe und 25 für Oberstufe. Die meisten setzen die Erststufe auf 23 bis 26 t Trockengewicht an, ich übrigens auch. Bei einem Strukturfaktor von 30 wäre die Stufe nur halb so schwer. SpaceX konnte beim Übergang von v1.1 auf 1.2 die Stufe nicht verlängern, so kamen sie auf die aufwendige Prozedur mit unterkühlten Treibstoffen. Die Verlängerung in der Oberstufe hat man an der Nutzlastverkleidung abgezogen die nun nur noch 13,1 anstatt 13,9 m lang ist – bei Block II war sie mal 15,2 m lang und Block II hatte eine kleinere Nutzlast….

Dieselbe Nutzlastverkleidung findet man auch bei der Falcon Heavy und mal ehrlich: eine 53 t Nutzlast in einer 13,1  m langen Nutzlastverkleidung? Arianespace verlängert gerade die der Ariane 5 auf 20 m und die hat nur 10 t Nutzlast. So braucht man sich nicht wundern das man nichts von einer Doppelstartvorrichtung bei SpaceX hört – die geht einfach nicht, dabei wäre die Rakete locker fähig sogar drei Satelliten in den GTO zu befördern. So ist es völlig egal, ob die Falcon Heavy 45, 53 oder 70 t LEO Nutzlast hat – mehr als einen Satelliten wird sie nicht transportieren. So verwundert es sicher auch nicht, dass seit einem Jahr dort bei Pricing nur noch der Preis für einen Satelliten von 6,4 t Gewicht steht – wenn ich nicht mehr transportieren kann ist das nur logisch. Alle gebuchten Starts sind auch Einzelstarts. (Zu den Preisen in den nächsten Tagen mehr, auch da gibt es neues).

Es gibt noch einen zweiten Grund warum die Nutzlast beschränkt ist. Die Falcon Heavy wird ja auch die Oberstufe der Falcon 9 einsetzen. Die wird wohl auf die Lasten ausgelegt sein, die eine Falcon 9 transportiert. Es macht keinen Sinn eine Oberstufe auf 40 t mehr Nutzlast auszulegen als sie in der Falcon 9 transportiert, denn das kostet Gewicht. 40 t Nutzlast mehr machen die Oberstufe um etwa 1 t schwerer und die Tonne geht von den knappen 3,5 t GTO Nutzlast ab. Ich würde drauf tippen, dass sie sogar nur auf 10,9 t Nutzlast ausgelegt und nicht mal 13,15 t – siehe Nutzlastadapter …

Hier eine Übersicht von Trägern mit ihren GTO-Nutzlasten und Nutzlastverkleidungen :

Träger Länge Durchmesser Zylindervolumen GTO Nutzlast Kilogramm pro m³
Falcon 9 13,10 m 5,20 m 278 m³ 3.500 kg 12,6
Falcon Heavy 13,10 m 5,20 m 278 m³ 17.000 kg 61,1
Ariane 5 20,00 m 5,40 m 458 m³ 10.350 kg 22,6
Proton 15,22 m 5,10 m 308 m³ 6.180 kg 20,1
Zenit 11,39 m 4,19 m 157 m³ 6.000 kg 38,2
Zyklon 4 9,59 m 4,00 m 120 m³ 1.600 kg 13,3
Titan 4B 26,20 m 5,08 m 543 m³ 9.200 kg 16,9
Delta 4M 14,30 m 5,13 m 295 m³ 5.400 kg 18,3
Delta 4H 19,80 m 5,13 m 409 m³ 11.400 kg 27,8
Atlas V 400-er Serie 13,80 m 4,20 m 207 m³ 5,,860 kg 28,3
Atlas V 500-er Serie 13,72 m* 5,40 m 314 m³ 6.880 kg 21,9
H-IIA 14,00 m 5,10 m 272 m³ 4.400 kg 16,2
H-IIB 16,00 m 5,00 m 294 m³ 8.000 kg** 27,2
GSLV 7,80 m 3,40 m 78 m³ 2.250 kg** 28,8
Chang Zheng 3B 9,60 m 4,20 m 133 m³ 5.500 kg** 41,3

Wenn es mehrere gab habe ich jeweils die größte genommen. Das Zylindervolumen gibt das Volumen eines Zylinders an der diese Höhe und Durchmesser hat. Das Volumen der Verkleidung ist kleiner, aber da alle ähnlich spitz auslaufen ist der Unterschied vergleichbar (nicht von jeder Verkleidung ist das Innenvolumen bekannt). Bei der Atlas V 500 er Serie ist es die nutzbare Höhe (die Verkleidung umgibt auch die Centaur). ** signalisiert GTO mit höherer Inklination, die anderen Werte sind für ein ΔV von 1500 m/s wie er vom CSG aus möglich ist.

Kurz fett am Markt vorbei entwickelt. Warum verstehe ich nicht. Das bis vor ein paar Jahren aktuelle Block II Design der Falcon Heavy hatte die richtige GTO Nutzlast für zwei schwere Satelliten im Doppelstart, die Nutzlasthülle war 15,2 m lang und man hätte sicher noch ein bisschen verlängern können, da wären dann Doppelstarts möglich gewesen. Block II hatte auch die richtige Nutzlast bei der Falcon 9 für die ISS-Missionen knapp unter 10 t. Wahrscheinlich fühlte man sich durch die GTO-Aufträge unter Druck jetzt eine Falcon 9 zu entwickeln die auch die GTO Missionen abwickeln konnte, nur verbaute man sich mit der stupiden Verlängerung der Rakete Ausbauchancen.

Was wird Shotwell ankündigen? Wer SpaceX kennt weiß das. Die Falcon Heavy wird schwerer werden, sie wird ja die V1.2 Stufen einsetzen und bisher ist sie eher leichter, als vor einigen Jahren und sie wird mit mehr Treibstoff  und mehr Schub noch mehr Nutzlast transportieren – zumindest nach der Webseite.

Was ich ankündigen würde wäre etwas anderes: Eine Falcon Heavy mit verkürzter erster Stufe in der Zentralstufe (liefert Raum für eine größere Nutzlastverkleidung und Doppelstarts). Da man mit der von der Falcon 9 übernommenen Oberstufe nicht mehr als 11 t in den GTO transportiert würde ein Äquivalent von etwa 2/3 der heutigen Nutzlast ausreichen. Das kann man erreichen, indem man die Tanks nicht so voll füllt und dann ein Drittel der Triebwerke weglässt – wenn man eh nicht mit einer Bergung rechnet (höhere Abtrenngeschwindigkeiten) spart man so Kosten ein. Man könnte sogar geborgene Stufen einsetzen, bei denen einige Triebwerke nicht mehr funktionieren.

Ich vermute aber eher was anderes: man wird gerade weil man die Nutzlast nie ausnutzt noch mehr aus Bergung setzen – nur macht die nur wirtschaftlichen Sinn wenn die Stufe danach noch funktioniert und ein Kunde bereit ist das Risiko eines Starts zu tragen. Nur mit der Landung ist es nicht getan. Der Beweis steht noch aus, genauso wie der ob es sich finanziell lohnt. Musk wird ja gerne mit Steve Jobs verglichen. Zumindest soll er nach Arbeitnehmerberichten derselbe Menschenschinder sein und seine Vorliebe dafür das nur etwas „cool“ sein soll und nicht sinnvoll, geht ja auch in die Richtung. Steve Jobs hat aber mindestens dreimal aufs falsche Pferd gesetzt: Der Apple III, der erste Macintosh und die NeXT Station waren jeweils am Markt vorbei geplant. Ihr dürft euch aussuchen wofür ich die Falcon Heavy halte….

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