Bernd Leitenbergers Blog

Die Wiederverwendung bei SpaceX – gescheitert bevor sie begann?

Diese Frage stellt sich zumindest für mich.  Ich stand ja schon immer kritisch zu SpaceX- Wiederverwendungskonzept. Immerhin kann man der Firma nicht nachsagen, dass sie es wirklich probiert hat. Angekündigt wurde es mit der Falcon 1. Damals war man auch so optimistisch, dass man beide Stufen bergen wollte, davon ist heute schon nicht mehr die Rede. Alle Bergungsversuche der Falcon 1 scheiterten und auch die ersten der Falcon 9. Die Stufe ist bei der Falcon 9 „erster Versuch“ nicht mal intakt am Boden angekommen. Mit der Falcon v1.1 klappte es dann nach mehreren Fehlversuchen und von Versuch zu versuch lief es besser, bis die meisten Versuche glückten.

Obwohl sich dann die gebogenen Stufen stapelten, machte man zu meinem Erstaunen wenig mit ihnen. Ich nahm an, man würde sie nun ausgiebig testen. Doch die Erste hat nun einen Hot-Fire Test absolviert dann machte man mit den folgenden nichts mehr und erst vor einem Monat hat man eine geborgene Stufe über die volle Laufzeit getestet. Ende des Jahres sollet sie nun erneut fliegen mit einem Preisabschlag von 30%.

Schon das wird die SpaceX-Freunde wohl verwundern. Sagte nicht Elon Musk, das die erste Stufe für „Drei Viertel“ der Fertigungskosten stehe. Müsste man daher nicht dreimal mehr einsparen können? Es bestätigt meinen Eindruck das SpaceX Freunde zwar viel Begeisterung haben, leider aber wenig Ahnung von anderen Firmen oder Abläufen in der Raumfahrt. Zu den Fertigungskosten kommt die Startdurchführung, dazugehört auch Miete für das Launchpad und Services seitens der USAF. Bei anderen Trägern macht das 20-25% der Gesamtkosten aus. Dann kostet die Bergung etwas und danach muss man die Stufe auch noch prüfen, auch wenn man sich letzten Schritt nach Shotwell auf Dauer sparen will. Selbst wenn man dafür weniger als die Startvorbereitung ansetzt, wird man sicher nicht unter 10-15% des Startpreises kommen. Der Countdown entfällt, aber die Stufe muss zurückgebracht werden, das Droneship ist auch nicht umsonst und zumindest einige Basiskontrollen sind nötig, die bei der normalen Rakete schon Teil der Fertigung sind. Und dann will die Firma noch Gewinn machen. Das verrückte: je mehr Gewinn sie machen will, desto kleiner die Ersparnis. Arianespace ist eine Aktiengesellschaft und veröffentlich Bilanzen. Die haben zu guten Zeiten so etwa 10% des Umsatzes als Gewinn gemacht. Addiert man 20% Gewinn (ich vermute mal Musk braucht einiges für seine Marspläne, alleine die 2018 Mission der Red Dragon kostet 300 Millionen Dollar, will man die bei 25 Starts zwischen zwei Marsstartfenstern (alle 26 Monate) reinbekommen so macht das alleine 12 Millionen pro Start oder 20% der Gesamtkosten aus) und Startkosten, so sind die Fertigungskosten dann nur noch 65-70% der Gesamtkosten und davon spart man dann 75% ein, addiert aber wiederum 10-15% der Gesamtkosten. So kommt man leicht auf die rund 30% Ersparnis.

Ich glaube sogar, dass die Startkosten für eine „reused“ Falcon 9 langfristig weniger als die 30% für den SES-10 Start sind, denn bei der Falcon 9 erfolgten die ersten Abschlüsse zu Promotionspreisen von 50 Millionen Dollar unter den damaligen Startpreisen von 54 bis 59 Millionen Dollar. Das wird man für einen riskanteren Ersteinsatz auch erwarten. Langfristig halte ich 25% für wahrscheinlicher.

Trotzdem, diese 25% klingen doch gut, vor allem wenn man sie aus der Firmensicht sieht. Die sieht so aus: Ein Kunde, der die Maximalnutzlast nicht ausnutzt, lässt eine Bergung zu. Ansonsten müsste man auf diese verzichten. Die Bergung der Stufe ist also nicht mit einem Verlust beim Verkauf dieses ersten Starts verbunden. Danach kann man sie erneut einsetzen und entlastet so auch die Fertigung, die ja in den nächsten Jahren bis zu 24 Starts pro Jahr unterstützen muss – bisher schaffen sie maximal 12 pro Jahr, wenn man die beiden letzen Jahre bis zu den Fehlstarts auf das ganze Jahr hochrechnet. Man könnte sogar mit einer „flugerprobten“ Stufe werben (Siehe unten). Meiner Ansicht nach denkt man auch bei SpaceX. Denn die aktuellen Preisangaben sind doch verwirrend. Die Preisangaben sind niemals für die Maximalnutzlast (8,3 t bei der Falcon 9, 22,2 t bei der Falcon Heavy) sondern deutlich niedriger (5,5 t bei der Falcon 9 und 8 t bei der Falcon Heavy). Man könnte auch sagen: Die komplette Rakete ist teuerer geworden, denn hochgerechnet kostet dann die ganze Nutzlast bei der Falcon 9 93,5 und 250 Mill. Dollar bei der Heavy. Wenn ich natürlich von einer Wiederverwendung bei jedem Start ausgehe, (Doppelstarts sind ja nicht vorgesehen) so macht das sinn. Es zeigt auch, dass man bei der Falcon Heavy aufgrund der höheren Trenngeschwindigkeit größere Nutzlasteinbußen bei der Wiederverwendung hat, denn höhere Geschwindigkeit = mehr Treibstoff zum Landen. Zumindest nach den Animationen soll die Falcon heavy ja immer an Land landen.

Was ich noch bezweifele und ich denke zu recht ist, ob die Firma den dritten Schritt schafft. Die Wiederverwendung umfasst drei Schritte:

Es ist ja nicht so, das SpaceX die einzige Firma wäre, die sich mit dem Thema beschäftigt hat. Man hat schon untersucht die erste Stufe der Saturn V, die erste Stufe der Ariane 1 und den Triebwerksblock der Ariane 4 zu bergen. In allen Fällen kam man zum Schluss, dass es sich wirtschaftlich nicht lohnt. Das lag auch daran, dass alle angesprochenen Träger dreistufig sind und die Erststufen die billigsten Stufen waren. So ist das Einsparpotenzial entsprechend geringer als bei SpaceX. Bei den Ariane 5 Boostern hat man die Bergung durchgeführt, doch nur für Inspektionszwecke. Auch hier: aufarbeiten ist teuer als neu bauen.

Doch gerne vergessen wird: es gab mal ein wiederverwendbares System. Das Space Shuttle. Leider ist es technisch nicht mit der Falcon 9 vergleichbar. Doch es war auf die Wiederverwendung ausgelegt. Die SRB sind so massiv, dass sie den Weidereintritt leicht überstehen. Allerdings geht auch bei ihnen der teuerste Teil, die Düse bei jedem Start verloren. Der Orbiter ist aerodynamisch und hat einen Hitzeschutzschild und er landet wie ein Flugzeug. Damit gibt es keinen Schock bei der Landung und eigentlich ist das der Idealfall. So war man ja auch optimistisch, das die Shuttles alle Trägerraketen preislich unterbieten würden.

Wie wir wissen, war dem nicht so. Das lag daran, dass das System bemannt war. Daher wurde es nach jeder Landung aufwendig inspiziert. Vor allem die Inspektion von Haupttriebwerken und Hitzeschutzschild machte das teuer. Das kostete aber auch Zeit. Charakteristisch für das Shuttle Programm waren die hohen Fixkosten von 2,4 Milliarden Dollar pro Jahr. Wenn nun die Inspektion nicht nur teuer ist, sondern auch Zeit kostet erhöht das die Fixkosten und senkt die Startrate – zwei Trends, die zusammen die Kosten noch stärker steigern.
Aber ich will mal zum Anfang zurückgehen. Bis zum Verlust der Challenger betrieb man weniger Aufwand. Und 1985 fanden mit bis zum Oktober nur drei Fähren neun Starts statt. In den ersten 28 Tagen von 1986 waren es zwei Starts. Geplant waren 13 Starts für 1986, eine Rate, die ich für möglich halte. Bis zur Explosion der Challenger hatte den Fähren eine Zuverlässigkeit von 1 Fehlstart in 25 Flügen – eine Zahl, die für unbemannte Starts akzeptabel ist, immerhin deutlich besser als bei SpaceX mit drei partiellen Fehlstarts und zwei Verlusten bei 29 Flügen der Falcon 9 oder drei partiellen Fehlstarts und 5 Fehlstarts, wenn man die Falcon 1 noch hinzunimmt.

Damals war aber das Space Shuttle wirklich billig. Der von der NASA errechnete „Full recovery Price“, der also alle Kosten wieder hereinholt lag bei 83,3 Millionen Dollar für die Periode von 1988 bis 1991. (Quelle: James M. Beggs, Administrator, NASA, to President Ronald Reagan, September 17, 1984.). Als die Challenger verloren ging, galt sogar noch ein günstiger Preis aus den frühen Achtziger Jahren: 71 Millionen Dollar. Damit man einen Vergleich hat: Eine US-Delta kostete damals 35 Millionen Dollar, eine Atlas 68 Millionen Dollar. Eine Fähre hätte theoretisch sieben (praktisch vier) Delta und vier Atlasnutzlasten gleichzeitig transportieren können. Auch wenn die Oberstufen noch hinzukämen, (etwa 5 Millionen Dollar für eine PAM-D und 7 Millionen für eine PAM-D2) wäre die Fähre bei den Delta Starts bei vier Starts rund 25% billiger gewesen. Bei voller Nutzlastausnutzung sogar 50%. Wenn man das Shuttle mit dem Risiko z.B. unbemannt nur für Satellitenstarts weiter genutzt hätte, z.B. eine Fähre dafür reserviert hätte, es wäre kommerziell erfolgreich gewesen.

Doch wie wir wissen, hat man in Sicherheit nachinvestiert und die Starts verteuerten sich enorm, vor allem weil nun maximal 6-8 anstatt 13 Starts pro Jahr möglich waren. Wo ist nun der Bezug zu SpaceX. Nun auch die haben noch keine Ahnung, wie teuer die Bergung wird. Was sie versuchen, ist der Ansatz der NASA bei den ersten Flügen – wir starten einfach mal, ohne viel zu warten. Wenn das nicht klappt, dann hat die Firma immerhin noch die Möglichkeit auf die Bergung ganz zu verzichten, wenn die Ausgaben dann die Ersparnis gegen Null treiben. Bisher läuft das Geschäft ja auch ohne diese Option. Wenn schon die neuen Raketen einfach mal so ohne Warnung explodieren, dann sehe ich die Chancen schlecht für wiederverwendete Stufen. Denn die haben nun ja schon mal eine Belastung durch Start und Landung durchstanden. Die Triebwerke haben von ihrer Solllebensdauer schon mal einen Teil verbraucht. Das ist so wie, wenn man ein Notebook gebraucht kauft – da ist der Akku auch nicht mehr neu, aber die Nutzung hat vielleicht andere Fertigungsmängel schon vorher ans Licht gebracht.

Aber ich kenne glaube ich inzwischen Elon Musks denke. Der hat sich ja in den frühen Jahren ausführlich darüber geäußert, dass er die ganze Qualitätssicherung und Absicherung für überflüssig hielt. Solange zumindest bis korrodierte und nicht mehr kontrollierte Muttern, fehlende Schwappbleche und Pusher Fehlstarts bei der Falcon 1 verursachten. Auch in der frühen Falcon 9 Phase hat man einen Riss in der Düse der Oberstufe nicht untersucht, sondern einfach mal die Düse gekürzt. Da bei Trägerraketen die Qualitätskontrollen das Teuerste sind, kann man leicht ableiten, dass wenn SpaceX nicht hexen, kann man dort spart. Das erklärt dann leicht so kuriose Totalverluste. Man kann das aber auch umdrehen so in der Art „Mag sein, dass die Falcon 9 nicht zu best-kontrollierteste und zuverlässigste Rakete ist. Dafür ist sie billig. Für Kunden mit höheren Sicherheitsanforderungen bieten wir nun die Falcon 9 „flight-proven“ mit wiederverwendeter und erprobter Erststufe an.“ So ein Statement würde ich von Musk erwarten, wahrscheinlich noch ergänzt um den Zusatz „Und das ohne Aufpreis!“ …

Es könnte sogar klappen. Die Proton hat ja auch seit 30 Jahren ein 90% Zuverlässigkeitsniveau, das für heute sehr niedrig ist (Designauslegung für Ariane 5,6 und Vega z.B. 98 %, das entspricht einem Fehlstart auf 10 bzw. 50 Starts, SpaceX schweigt sich anders als alle anderen LSP über das Designziel der Falcon 9 übrigens aus). Wenn es sich in niedrigeren Startkosten niederschlägt, dann klappt das solange, wie die Ersparnis bei den Startkosten nicht durch höhere Versicherungsprämien aufgefressen wird.

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