Bernd Leitenbergers Blog

PR Disaster nach der SpaceX Explosion

Das Thema ist nicht neu, aber durch die Natur des Blogs, das alte Themen gerne in Vergessenheit geraten, will ich es noch mal aufgreifen. Es ist die PR-Arbeit von SpaceX und ihre Auswirkungen gerade in der jetzigen Phase nach der SpaceX Explosion auf dem Pad.

Einführung

Bevor ich aber auf SpaceX eingehe, will ich erstmal die Problematik selbst erläutern. Als Raumfahrtfan wünscht man sich natürlich über Raumfahrzeuge, Missionen und Experimente so viele Informationen wie möglich. Seitens der Raumfahrtagenturen greift hier auch eine PR-Machinerie die zumindest bei den Missionen über Fortschritte gut informiert. Schwerer ist es bei den Experimenten, weil für die meist wissenschaftliche Institute zuständig sind. Doch, wenn man weiß, wie man suchen muss, dann kann man zumindest nach technischen Dokumenten suchen, die oft im Vorfeld veröffentlicht werden. Deutlich schlechter sieht es bei den Raumsonden oder Satelliten selbst aus, die von der Industrie stammen. Verglichen mit den Informationen über die Mission kann man die Daten über die Hardware nur als rudimentär betrachten.

Auch hier gibt es Unterschied, selbst in einem Konzern. Airbus Space and Defence z.B. hat relativ gute Seiten über Antriebe und Antriebssysteme, aber wenn man dort nach Details der von ihnen gebauten Raumfahrzeugen sucht, wird’s deutlich schlechter. Gut funktioniert dort nur das Veröffentlichen von Pressemitteilungen, doch das sollte man wenigstens als Grundhandwerk beherrschen. Viel Nützliches steht in solchen Mitteilungen allerdings nicht drin.

SpaceX im Laufe der Zeiten

Auf SpaceX wurde ich so um 2004/2005 aufmerksam. Damals hatte ich noch einen anderen Eindruck als heute. Gegenüber anderen neugegründeten Raumfahrtfirmen (es gab damals noch einige die es heute nicht mehr gibt wie Amardillo Aerospace oder Kistler) waren die Updates der Webseite gut, der Users Guide der Falcon 1 war ausführlich genug um damit einen Aufsatz zu schreiben mit einer Reihe von technischen Daten. Ich fand die Informationspolitik gut, auch wenn schon erkennbar war, dass man sich die Wirklichkeit so zusammen zimmerte, wie man es haben wollte. Damals gab es vor dem Erstflug der Falcon 1 z.B. ein Dokument, das die Fehlstartrate dieser auf 2,845% berechnete – besser als bei jeder anderen Trägerrakete, wobei diese so hohe Prozentzahlen hatten, dass ich sie nicht nachvollziehen konnte, z.B. bei der Delta 2, die schon damals enorm viele Starts ohne Fehlstart hatte. Die Autorin der Studie ist übrigens inzwischen CEO bei SpaceX. Ich denke da hat sich Musk gedacht – „Die hat genau die gleiche Ansicht wie ich“ und hat sie gleich angestellt.

Das Ganze kippte dann nach und nach, als zum einen immer mehr Äußerungen von Musk auftauchten, die fachlich falsch sind „Die Sojus hat in der ersten Stufe 30 Triebwerke“ und dann nach dem ersten Fehlstart immer die Anderen schuld waren. In dem Fall ein Mitarbeiter, der angeblich eine Mutter zu stark anzog. Der offizielle Untersuchungsbericht den man anfertigen und veröffentlichen musste weil der Flug von der USAF bezahlt wurde führt aber Korrosion als Ursache auf, weil die Rakete zu lange in Meeresluft lagerte. Zu dieser Zeit so 2006/7 änderte sich auch die Unternehmenspolitik ins Gegenteil. Technische Details (die es aber auch schon damals primär durch Veröffentlichungen von Musk gab) verschwanden und alles, was mit Technik zu tun hatte, war von nun ab geheim.

Öffentlich oder Geheim – der SpaceX Way

Das ist bis heute so. So gibt es nicht mal die Grunddaten einer Rakete wie Voll-/Leermasse oder Stufenabmessungen auf der Webseite. Das erste „Users Manual“ der Falcon 9 (eigentlich gedacht für Kunden) enthielt auch keine technischen Daten, die diese nicht wissen mussten und später verschwand es ganz von der Webseite. Erst 2015 kam ein Neues auf die Webseite, das aber auch auf das Notwendigste gestrippt ist. So gibt es keinerlei Diagramme über das Nutzlastvermögen für verschiedene Bahnhöhen oder Neigungen.

Ich könnte so noch seitenweise weiter machen, aber darum geht es nicht. Fast die gesamte SpaceX Pressearbeit wird von einer Person geleistet: Das ist Elon Musk. Dann gibt es noch ein paar Äußerungen von Shotwell (der erwähnten Autorin die der Falcon 1 eine zu 97+ Zuverlässigkeit bescheinigte) aber das war es schon. Verlautbarungen gibt es in schriftlicher Form von Musk vor allem als Twitter Meldung – das war es dann schon, oder man muss Videos von Reden oder Interviews ansehen, das habe ich inzwischen aufgegeben (als Antwort auf die Frage warum seine Reden bei mir im Blog keinen Widerhall finden).

Vor einiger Zeit hat SpaceX einen „Social Media Manager“ eingestellt. Doch selbst Nachrichtenportale haben inzwischen erkannt, dass der nichts preisgeben darf oder kann. Selbst bei Erfolgsmeldungen ist man sparsam. Nach einem Start verkündigen andere LSP z.B. stolz, welche Bahn ihre Nutzlast erreicht hat. Bei SpaceX muss man dazu NORAD bemühen, und zwar möglichst am selben Tag, bevor der Satellit seine Bahn ändert.

Um ehrlich zu sein: Auch von anderen privaten Firmen hört man nicht sehr viel von ihren Plänen. Von Virgin Galactic ist die Mitteilung zu ihrem ersten Testflug von Spacehsip 2 genauso kurz und bei Blue Origin sieht es genauso aus. Gerne sagen dann SpaceX Freunde: Es zählt, was die Kunden an Informationen bekommen. Dem ist zuzustimmen. Eine Firma kann sich dieses Verhalten leisten, solange sie als Kunden Firmen hat und nicht Endverbraucher. Wenn aber die Kunden auch aus Raumfahrtagenturen bestehen, dann ist man gut beraten, die Öffentlichkeit zu suchen. Die leben nämlich von der Öffentlichkeit. Von den Aufträgen macht bei dem aktuellen Startmanifest die NASA noch 60% des Umfangs aus, auch wenn es nur 15 von 41 Starts sind. Das liegt an dem Blockauftrag über 1,9 Milliarden für CCDev (bei nur zwei Flügen) und jeder der 6 CRS Versorgungsflüge ist mehr als doppelt so teuer wie zwei normale Starts. Die NASA ist auf die Öffentlichkeit angewiesen und da macht es sich nicht gut, wenn schon vor dem Start spekuliert wird, ob die Rakete nicht beim Auftanken explodiert oder beim Aufstieg kollabiert.

Die PR-Katastrophe nach der SpaceX Explosion

Schon beim letzten Fehlstart war die Pressearbeit eine Katastrophe. Man hat zwar die Ursache identifiziert, aber nicht wie sie auftreten konnte. Wenn man nicht weiß, warum eine Strebe bei dem Fünftel der Nennbelastung kollabiert, so sollte man das nicht sagen, denn das heißt es kann wieder geschehen. (Vielleicht ist ja wieder dasselbe passiert?). Nun ist nach der SpaceX Explosion es noch katastrophaler. Man muss sich nur den Beitrag auf Spaceflight Now zu Gemüte führen. Die Aussagen von Musk (keine von Space) sind in einigen Sätzen zusammenzufassen. Kein Wunder es handelt sich um einzelne Tweeds zur SpaceX Explosion, die zusammengefasst wurden. Vor allem der Tenor der aus ihnen spricht (wir haben keine Ahnung, was passiert ist, können einen „Einschlag eines fremden Objektes“ nicht ausschließen und bitten um Videos von Dritten zur Aufklärung) hinterlässt einen ziemlich verzweifelten Ausdruck.

Einiges ist, wenn man das Prozedere kennt, normal. So, dass man alles untersucht, egal wie unwahrscheinlich es ist und auch Sabotage nicht ausschließt. Liest man sich die Reports zum Verlust der Challenger und Columbia durch, dann sieht man auch diese Vorgehensweise. Selbst bei Challenger, wo man die Ursache schon vor dem Start kannte (es gab ja den Einspruch von Thiokol gegen den Start bei niedrigen Temperaturen) und terroristische Attacken wurden auch bei Columbia untersucht (auch damals war ein Israeli an Bord und der 11.9.2003 war noch nicht so lange her). Aber wenn man das nur als „We can‘t rule out that“ in einzeiliger Form als Tweed veröffentlicht, bekommt es eine ganz andere Bedeutung. Die bisherige Pressearbeit ist eine einzige Katastrophe und ich denke die NASA wird sich noch im Kongress rechtfertigen müssen, warum sie diese Firma so unterstützt. Die Folge dürfte sein, dass man in Zukunft deutlich Umsatz verliert, denn wie schon gesagt die NASA ist der wichtigste Kunde.

Die Folgen für die Pressearbeit

Mein Rat an Musk: Er sollte die Pressearbeit zum Tagesgeschäft anderen überlassen. Dort sollte man eine Richtlinie festlegen, was veröffentlicht werden kann und was nicht. Natürlich ist das ein zweischneidiges Schwert. SpaceX sagt ja immer wenn sie mehr veröffentlichen so würde das anderen Unternehmen Rückschlüsse über ihre interne Prozesse oder ihr Können geben. Das mag sein, doch sehe ich in Summenparametern oder Bahnangaben nicht wirklich kritische Unternehmensgeheimnisse. Wenn man angeben kann, dass man Teile per 3D-Druck fertigt oder das Triebwerk einen Rekordwert in Schub/Gewicht hat so sagt das mehr aus über ein Unternehmen und das wird ja gerne hinausposaunt.

Musk könnte sich auf sein Lieblingsthema Mars Kolonialisierung beschränken. Das machen andere CEO ja auch. Steve Jobs hat auf den Mac Expos ja auch nicht die technischen Daten des iPhones heruntergebetet, sondern das Gerät vorgeführt. Ich halte Musk allerdings nach der bisherigen Erfahrung für beratungsresistent. Aber vielleicht ändert sich das, wenn der Wind noch stärker in seine Richtung bläst. Er hat das Image aufgebaut, das nur seine Firma die „private Raumfahrt“ verkörpert und alles schneller und billiger als die NASA und andere Firmen tut. An persönlichen Seitenhieben auf ULA und Arianespace hat es ja nicht gefehlt.

Nun mag man in Anlehnung zu dem Discovery Programm, das ja auch die Zielsetzung „Faster Cheaper Better“ hatte zu dem Schluss kommen, dass es mit dem „better“ hapert, nachdem drei Raumsonden verloren gingen und man in allen drei Fällen Mängel in der Qualitätssicherung dingest machen konnte. Das hat zur Einstellung des Discoveryprogramms geführt und bei der Abhängigkeit von der NASA könnte das auch seine Firma in Schwierigkeiten bringen.

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