Bernd Leitenbergers Blog

Terrorismusspräfention und Aktionismus

Normalerweise verfasse ich ja keine Blogs über Politik, aber an dem Terroranschlag auf den Weihnachtsmarkt komme auch ich nicht vorbei. Allerdings sind meine Schlussfolgerungen andere als die von der CSU oder Teilen der CDU. Es geht um eine grundsätzliche Frage: wie beugen wir solchen Attentaten vor ohne das Wir gleich alle Asylanten unter Generalverdacht stellen oder populistischen Vogel-Strauß-Parolen wie „Keine Asylanten rein lassen“ nachgeben?

Zuerst einmal einige Fakten, die mir in diesem Zusammenhang unangenehm auffielen:

Glaubt man den Politikern und auch einigen Polizisten, so brauchen wir neue Gesetze, verschärfte Gesetze. Insbesondere der bei uns „übertrieben strenge Datenschutz“ müsse gelockert werden. Ich ziehe daraus ganz andere Schlüsse.

Der Erste ist das unsere Behörden einiges verbessern können. Ich fange mal mit Sachsen an. Dort bringt ein massives Aufgebot an Polizei den Täter nicht zur Strecke, er schlüpft ihnen durch das Netz und muss von Zivilisten gefasst werden. In der Haft sieht man trotz offenkundiger Bestrebungen sich umzubringen, keine Selbstmordgefahr. Wörtliches Zitat auf der Pressekonferenz: „Das der Mann ein Selbstmordattentat verüben wollte lässt ja nicht auf eine Suizidgefahr schließen“. Dazu muss man wohl nichts mehr sagen. Bei diesem Vorfall ist offensichtlich, dass man keine neuen Gesetze oder Ermittlungsmöglichkeiten braucht. Der Attentäter wurde ja erfolgreich vor einem Anschlag identifiziert. Sondern die Polizei und Justiz in Sachsen haben erheblichen Nachholbedarf bei der Ausbildung und im Einsatz. Man mag es dort nicht gerne hören: Aber das befeuert die Vorurteile der faulen und dummen Ossis weiter. Vielleicht sollte man dort Syrer als Polizisten einstellen. Die beiden Asylanten scheinen mir zumindest qualifizierter als alle sächsischen Mitarbeiter der Polizei, die mit diesem Fall zu tun haben. Selbstverständlich muss man als Justizminister auch nicht zurücktreten, wenn man so inkompetente Leute hat – was würde das auch nutzen, die inkompetenten Polizisten und Justizbeamten bleiben ja erhalten.

Doch nicht nur Sachen alleine sondern auch bundesweit gibt es einiges zu verbessern. Amri wurde in Nordrhein-Westfalen überwacht und man wollte ihn auch abschieben. Nachdem er nach Berlin ging, war die Sache beendet. Begründung: Es gibt auch nationale Verfassungsschutzbehörden und damit verließ er den Wirkungsbereich der dortigen Behörden und Berlin? In Berlin bekommen sie nach Medienberichten nicht mal so alltägliche Sachen wie Passverlängerungen oder neue KFZ-Kennzeichen auf die Reihe, wie mag es da erst bei der Terrorismusbekämpfung aussehen? Meine Ansicht nach gehört alles, was mit Terrorismus zu tun hat zum Bund. Terrorismus richtet sich ja gegen die Bundesrepublik, wahrscheinlich sogar gegen die ganze westliche Welt und nicht nur gegen Köln, München oder Berlin. Klar sind dann zur Umsetzung lokale Polizeikräfte betraut, aber alle Verdächtigen oder Überwachungsmaßnahmen sollten zentral durch eine Stelle angeordnet und koordiniert werden.

Fehlende Koordination und Kommunikation. Das ist auch das Stichwort, dass mir einfällt wenn man (im Nachhinein!) hört das die beiden letzten Attentäter jeweils vorbestraft waren. Der Erste in Griechenland wegen schwerer Körperverletzung (er hatte eine junge Frau die sich bei einem Handtaschenraub wehrte, von einer Klippe gestoßen). Anis Amri war vier Jahre in Italien wegen Raubs und Diebstahl inhaftiert. Diese Informationen lagen beide erst, nachdem es Tote gab, bei den deutschen Behörden vor. Noch schlimmer: In Griechenland wurde Hussein K. obwohl zu sieben Jahren verurteilt schon nach einem Jahr entlassen. Die Frage ist warum? Sind dort die Gefängnisse überfüllt oder muss man sparen? Wegen guter Führung war es zumindest nicht. Schlimmer noch: nachdem er den Auflagen nicht nachkam, (regelmäßiges Melden bei der Polizei) schrieb man ihn weder europaweit zur Fahndung aus, noch verständigte man andere nationale Behörden. Dabei dürfte offensichtlich sein, dass ein Flüchtling nicht in Griechenland bleien würde, das ja schon vom Europäischen Gerichtshof assistiert bekam, dass dort die Behandlung von Flüchtlingen nicht den Mindeststandards entspricht. Angesichts der Situation im Herbst 2015 konnt man sich zu 90% sicher sein das Er nach Deutschland oder ein anderes westeuropäisches Land mit höherem Lebensstandard weiterzog.

Nach Tunesien sollte Amri auch zweimal abgeschoben werden – einmal von Italien und einmal von Deutschland aus. In beiden fällen verneinte Tunesien, das Amri ihr Staatsbürger sei. Hier ist der Fall schwieriger. Während man in der EU sicherlich einen gemeinsamen Standard und auch gemeinsame Datenbanken für Fingerabdrücke, Genmaterial und Personaldaten einführen, kann (was nicht nur bei der Identifikation von Asylanten und ob sie gesucht werden bzw. ihre Vorstrafen hilft, sondern auch bei der „normalen“ Verbrechersuche) hilft bei den anderen Staaten nur politischer Druck. Zumindest die nordafrikanischen Staaten sind auf die EU angewiesen. Viele Touristen gehen dorthin in Urlaub. Das wäre ein Druckmittel. Wollen sie Urlaub in einem Land machen, das Attentäter schützt?

Doch was höre ich von den Politikern? Verschärfte Asylvorschriften, schnellere Abschiebung, mehr Abschiebung und natürlich – ganz egal wie ein Attentat zustande kam oder ob es sich um „normale“ Verbrechen wie Vergewaltigung und Mord handelt – die Verschärfung von Überwachungsmaßnahmen. Dabei ist das Gesetz doch gerade erst vom EU-Gerichtshof einkassiert. In keinem der Fälle konnte man mit den Maßnahmen etwas im Vorfeld feststellen. Amri wurde sowieso überwacht. Aber das Handy hat man erst nach dem Attentat ausgewertet. Ich frage mich, wenn jemand als „Gefährder“ gilt, warum es dann nicht schon vorher eine Überwachung der Telekommunikation gab. Wahrscheinlich gab es sie denn bei konkretem Verdacht war ja schon immer eine Überwachung der Telekommunikation möglich (was die Politiker wollen, ist ja die laufende Überwachung aller Bürger und Speichern aller Daten über Monate, nicht mehr Freiheiten bei der Überwachung aufgrund richterlicher Verordnungen). Ich halte auch denn Sinn solcher Maßnahmen für zweifelhaft. Heute ist Verschlüsselung kein Hexenwerk mehr. Gerade die Überwachung durch Geheimdienste hat ja dazu geführt, das Verschlüsselung endanwendertauglich wurde. Computerfestplatten kann man mit Truecrypt verschlüsseln. Mails mit OpenPGP. Ich vermute mal es gibt auch zumindest für Smartphones, wo man eigene Apps installieren kann, eine Möglichkeit die Gespräche zu verschlüsseln.

Meiner Ansicht nach schlampt man aber nicht nur bei der Koordination von Behörden. Man scheint auch nicht Erfahrungen auszutauschen oder voneinander zu lernen. Nach dem Anschlag auf den Weihnachtsmarkt erfuhr ich, das man in Frankreich viele Märkte nach dem LKW-Anschlag in Nizza mit Betonpollern und anderen Maßnahmen gesichert hat. Warum hat man dies in Deutschland vor dem Anschlag nicht getan? Warum reagiert man erst nach einem Anschlag mit Maßnahmen?

In meinen Augen muss man vor allem „klassische Polizeiarbeit“ verbessern und noch mehr die Zusammenarbeit innerhalb der Behörden innerhalb von Deutschland, aber vor allem europaweit, eventuell sogar global. Alle reden von der Globalisierung, doch bei der Verbrecherjagd scheint jeder Staat noch sein eigenes Süppchen zu kochen. Ich bin durchaus für einige schärfere Maßnahmen. Meiner Ansicht nach sollte man Asylsuchende die schon einschlägig vorbestraft sind (zumindest zu Haftstrafen verurteilt wurden und/oder diese abgesessen haben, wenn die Verbüßung der Strafe erst wenige Jahre zurückliegt) gar nicht erst aufnehmen. Gegen das Asylrecht steht auch die Pflicht des Staates, seine Bürger vor Verbrechern zu schützen. So fiel mir dabei spontan eine Reportage über die Geschichte Kunas ein. Da hat Castro Ende der Achtziger Jahre auch Hunderttausenden die Ausreise ermöglicht – die USA, wo diese gingen, waren nicht begeistert, denn er wies auch Häftlinge mit schweren Delikten aus.

Stattdessen höre ich rechtspopulistische Statements, was man alles im Asylrecht verschärfen müsste und natürlich das unser Datenschutz zu lasch ist. Das nützt keinem etwas, am wenigsten den Politikern. Denn die Leute wählen dann trotzdem nicht die CSU oder CDU, sondern gleich das rechts „Original“ die AFD.

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