Bernd Leitenbergers Blog

Meine Überlegungen für eine Trägerrakete für Kleinsatelliten

Der Boom zu Cubesats, aber auch etwas größeren Kleinsatelliten mit einigen Zig bis etwa 100-200 kg Masse hat ja schon zu neuen Trägern geführt. Ihren Jungfernflug hatten schon:

und es folgen noch:

Alle liegen unter 200 kg Nutzlast und sind explizit für solche Kleinsatelliten ausgelegt. Gerade bei so kleinen Trägern ist es aber so, dass die Herstellungskosten und Entwicklungskosten relativ hoch sind. Dass es trotzdem einen Bedarf gibt, liegt daran, dass es nicht genug Startgelegenheiten für kleine Nutzlasten gibt. Es gibt zu wenige dezidierte Starts und so viele Satelliten können pro Start meist gar nicht mitgeführt werden. Das führt dazu, dass Nutzer schon einzelne Starts (nicht Mitfluggelegenheiten) von viel größeren Trägern gebaucht haben, so eine Falcon 9 (inzwischen wieder gestrichen) und schon erfolgt, einer PSLV, die im Frühjahr die Rekordmenge von 104 Satelliten aussetzte.

Es ist also an der Zeit, dass ich auch mal meine Ideen dazu veröffentliche. Schließlich bin ich ja „schlau“. Der Kommentator meinte das wohl negativ, aber in einem Ländle, wo man einen Ministerpräsidenten „Cleverle“ nannte, sollte er mit so was vorsichtig sein. Vielleicht auch nur ein Generationsunterschied, ich habe sowieso das Gefühl, das die Menschen immer unkritischer, weniger nachbohrender und auch weniger gebildet sind. Den Eindruck hatte ich schon beim Informatikunterricht, wo Stoff der weniger komplex war, als das was ich mir in den Achtzigern selbst an einem Heimcomputer beigebracht habe, die Studenten überfordert.

Das primäre Ziel ist es, für einen kleinen Träger die Kosten zu senken. Mein Weg wären einfache Feststoffantriebe. Sie können sehr preiswert sein, wenn man die Mechanik auf ein Minimum beschränkt. Im Extremfall reicht eine Stahlhülle oder wenn es leichter sein soll ein Glasfasermantel, der am Ende in einer festen Düse ausläuft. Diese Düse kann man als Thermalschutz mit Graphit beschichten. Solche Booster wie die Castor 4 waren sehr preiswert. Eine dreistufige Rakete müsste ausreichen, um einen Orbit zu erreichen. Das grundsätzliche Problem einer solchen Rakete ohne schwenkbares Triebwerk ist, wie man den Orbit erreicht. Zum einen muss man die Bahn von senkrecht in die Horizontale umlenken, zum anderen auf Störungen reagieren. Mein Vorschlag:

Wir haben drei Stufen mit festen Treibstoffen. Zumindest die beiden oberen oder beiden unteren könnte man mit gleichem Durchmesser auslegen und so die Fertigung vereinfachen. Alle Düsen sind fest eingebaut und nicht schwenkbar.

Die erste Stufe wird dann in einem schrägen Winkel, so 60-80 Grad aufgehängt und bringt einen großen Teil der Startbeschleunigung auf. Sie sollte eine kurze Brenndauer haben, denn sie muss ja stabilisiert werden. Der einfachste Weg ist dies durch Leitflächen zu tun. Dann verhindern die aerodynamischen Kräfte ein Drehen oder Kippen der Rakete. Die Rakete muss aber dann auch ausgebrannt sein, solange diese Leitflächen noch wirksam sind, sagen wir mal rund 25 km Höhe. Es schließt sich dann eine Freiflugphase aufgrund der hohen Beschleunigung an, in der die Leitflächen weiter stabilisieren. Damit gewinnt die Rakete Höhe. Kurz vor Stufentrennung zünden dann zwei Feststofftriebwerke kurz hintereinander. Der eine kippt die Rakete, sodass der Winkel von rund 70 Grad reduziert, auf etwa 10-20 Grad. Der Zweite stoppt die Kippbewegung nach x Sekunden mit einem genau gleich großen entgegengesetzt wirkenden Impuls. Bei bekannter Masse der Restrakete und bekannter Lage des Massenmittelpunkts ist die Menge des nötigen Treibstoffs genau berechenbar. Zur Stabilisierung wird dann ein axial angebrachter Antrieb gezündet und er versetzt die gesamte Rakete in Rotation. Die Leitflächen stören nun nicht mehr, weil die Rakete eine schon große Höhe erreicht hat. Dann erfolgt die Stufentrennung.

Die zweite Stufe zündet dann und baut dank des flacheren Winkels mehr Horizontalgeschwindigkeit auf. Sie wird durch die rasche Rotation (typisch 60 bis 100 U/min) stabilisiert. Das Kippen kann sich wiederholen, wenn die dritte Stufe noch einen flacheren Winkel braucht, jedoch ist es bei einer rotierenden Stufe nicht angebracht. Daher würde ich zweite und dritte Stufe in einem konstanten Winkel zur Erdoberfläche betreiben.

Mit dieser Kombination hat man zwei Nachteile:

Der erste Nachteil ist, dass man so nicht eine ideale, bogenförmige Bahn verfolgen kann. Die Freiflugphasen kosten auch Geschwindigkeit. Das bedeutet, dass man mehr Treibstoff braucht, um eine Umlaufbahn zu erreichen.

Der zweite ist gravierender. Da es immer Störungen geben wird, muss man die Kombination so auslegen, dass sie in jedem Falle eine Umlaufbahn erreicht, das heißt, in jedem Falle eine Mindestbahnhöhe erreicht und auch mindestens die Orbitalgeschwindigkeit. Das bedeutet, ganz niedrige Bahnen sind nicht möglich, und in der Regel werden es elliptische Bahnen sein. Die Scout, die anders als diese Rakete in Grenzen regelbar war, hatte z.B. Schwankungen in den Bahnhalbachsen von bis zu 100 km.

Das Letztere kann man ausgleichen, indem man als weitere Stufe einen kleinen Antrieb mit flüssigem Treibstoff mitführt. Das kann bei diesen kleinen Nutzlasten ein Satellitenantrieb von 200 bis 400 N Schub sein, so was wird in Serie gefertigt und einige Lagereglungstriebwerke von 10-25 N Schub. Treibstoff kann Hydrazin sein oder die biergole Kombination NTO/MMH. Auch hier kann man auf etablierte Systeme von Satellitenzurückgreifen. Das ist heute weitestgehend konfektionierbar mit verschiedenen Tankgrößen und Triebwerken. Die Kombination würde im Orbit die Bahn zirkularisieren, sie könnte bei genügend großem Treibstoffvorrat auch genutzt werden, um höhere Bahnen ohne großen Nutzlastverlust zu erreichen, dann sollte es aber die biergole Kombination sein, die etwa 50% höhere spezifische Impulse hat.

Wenn man diese Kombination hat, dann kann man sie auch nutzen, um für die unteren Stufen einen Teil der Lagekontrolle durchzuführen. Zumindest für die Rollachsenkontrolle, für die letzte Stufe auch in allen drei Achsen, wobei man dann schon nicht mehr die großen Abweichungen in den Bahnen hätte. Die dritte Stufe dürfte dann aber nicht mehr rollachsenstabilisiert sein, sie müsste dann am Ende der Betriebszeit der zweiten Stufe wieder auf Rotation Null gebracht werden. Das können die Triebwerke im Antriebsmodul übernehmen. Das ist ein zweischneidiges Schwert, denn dann braucht man auch eine Avionik, die die Lage und Ausrichtung sowie Geschwindigkeit und Ort feststellt. Das Letzte ist dank GPS-Empfänger heute billig und leicht umsetzbar. Die Lagebestimmung leider noch nicht. Immerhin – eine Rotation ist erkennbar, man benötigt nur eine Optik und einen lichtempfindlichen Sensor. Solange die Rakete rotiert, liefert der innerhalb einer Rotation das Signal hell-dunkel, wenn er mal in Richtung Weltraum und mal in Richtung Erde schaut. Aus der Periode kann man die Rotationszeit ableiten, und wenn man dann mehrmals kurz hintereinander zündet, kann man die Periodenverlängerung messen und so ausrechnen, wie groß der nächste Impuls sein muss, um sie komplett zu stoppen. Den Rest an Restrotation können dann einige Gewichte beseitigen, die man mit Seilen abtrennt – sie nehmen den Drehimpuls mit und wenn sie Seile straf sind, werden sie durchtrennt. Dieses Yo-Yo System ist alt und bewährt.

Japan verweist darauf, das die Avionik ihre NL-520 bedeutend leichter isst als herkömmliche Raketen. Das scheint also möglich zu sein. Ich würde aus Kostengründen aber weiter gehen. Anstatt eine komplexe Avionik zu entwickeln, verlagert man dies wie bei den früheren Trägern auf den Boden, also eine Radiolenkung. Man kann leicht mit Radargeräten die Höhe und Geschwindigkeit einer Rakete bestimmen. Für die Zirkularisierung muss man dann nur im Apogäum nach Bahnvermessung an die Rakete die Daten senden, wie lange man das Triebwerk zünden muss, bzw., wenn man das Triebwerk mit Radar online überwacht, kann man auch das Stoppsignal senden.

Allerdings macht das immer noch einen Mechanismus notwendig um die Lage zu kontrollieren, denn wenn die Stufe torkelt oder nur nicht in die Bahnrichtung schaut, klappt das nicht. Doch das ist einfach lösbar. Man benötigt nur ein Gegenstück zu den Horizontsensoren früherer Stufen wie der Agena. Das Prinzip: Man nimmt sechs Weitwinkelkameras, die an vier Seiten der Längsachse im Winkel von 90 Grad und vorne und hinten angebracht sind. In jeder ist ein Zeilensensor. Nehmen, wie die beiden Sensoren die vorne und hinten angebracht sind. Nickt die Rakete, d.h. die Spitze schaut nach unten oder oben, so ist der leicht zu detektierende Übergang zwischen Erde und Weltraum (hell zu dunkel) bei der einen Kamera oberhalb der Hälfte der Pixel, bei der anderen unterhalb. Zündet man nun die Triebwerke, wandert die Grenze, bis sie bei beiden Kameras in der Mitte ankommt. Dann zündet man die Düsen auf der anderen Seite um die Bewegung zu stoppen, bis die Grenze nicht mehr wandert. Analog geht, dies bei den anderen Kameras, wobei man hier vier braucht, weil man nicht weiß, wie die Stufe ausgerichtet ist. Nur zwei sehen den Horizont, die anderen beiden die Erde oder den Weltraum. Auch hier kann man einfach die Signale übertragen. Bei 1000 Pixel pro Sensor sind das 48 kbit pro Messung, bei Datenraten im Megabitbereich also keine große Belastung des Datenbugdets.

Wenn ich auf flüssige Antriebe setzen würde, dann wäre das Resultat wohl ähnlich der Elektron: wegen des höheren spezifischen Impulses und der Möglichkeit mit nur einem Triebwerk auszukommen, nur zwei Stufen (wobei man das obige Modul mit einem kleinen Satellitenantrieb auch als dritte Stufe einsetzen könnte, diese wäre aber dann viel kleiner als eine adäquate dritte Stufe). Ich würde auf LOX/Kerosin setzen, die Kombination hat einen höheren spezifischen Impuls als NTO/MMH und ist billiger und vereinfacht die Kühlung. Allerdings würde ich dann wohl eine druckgeförderte Stufe nehmen, da man dann den beweglichen Teil und damit auch anfälligsten Teil die Kreiselpumpe und Gasturbine für die Treibstoffförderung einsparen kann. Leider schlägt sich das dann auch in einer hehren Startmasse nieder. Ich vermute bei Rocketlab hat man dies genauer durchgerechnet und ist auf die heutige Lösung gekommen, bei der es aber auch keine Turbinen und Turbopumpen gibt, sondern Elektromotoren, die den Treibstoff fördern. Dafür hat man ein Zusatzgewicht für die Batterien.

Nun noch was für die weniger schlauen. Natürlich findet man viel von meinen Überlegungen schon in den obigen Trägern:

NS-520 und Super-Strypie starten schräg und setzen Rotation zur Stabilisierung der ersten und zweiten Stufe ein (bei der Super-Strypie Stufe 2+3)

Die NL-520 hat leichte Elektronik die nur 52 kg wiegt und diese wurde in die zweite Stufe integriert, was die Nutzlast erhöht. Dann muss im Prinzip die zweite Stufe eine definierte Bahn erreichen, da der Gesamtimpuls der dritten Stufe nicht mehr geändert werden kann. Das Konzept ist so auch nicht neu, sondern wurde schon bei der Scout so gemacht.

Das Konzept des flüssigen Antriebsmoduls findet man bei der Vega aber auch zumindest als Option bei zahlreichen US-Feststoffträgern wie Athena, Taurus und Pegasus.

Hier ein möglicher Träger mit konservativen Werten für spezifischen Impuls und Strukturfaktoren. Ich habe für die Berechnung die Startmasse der ersten Stufe fix zu 10 t angesetzt und dann die Optimierung laufen lassen. Diese Version ist noch ohne flüssiges Nutzlastmodul. Mit knapp 200 kg Nutzlast ist es auch geeignet für Kleinsatelliten.

Vollmasse Leermasse spez. Impuls Geschwindigkeit
10000,0 kg 1250,0 kg 2600,0 m/s 2318,0 m/s
3853,6 kg 385,4 kg 2800,0 m/s 3543,4 m/s
779,2 kg 77,9 kg 2800,0 m/s 3538,9 m/s

Gesamtstartmasse: 14831,1 kg

Soviel für heute. Da ich noch immer an meinem Auftrag arbeite, wird es auch in näherer Zukunft wenig Neues im Blog geben (aber irgendwann muss ich auch mal etwas Geld verdienen), aber so Anfang übernächster Woche dürfte ich damit fertig sein.

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