Bernd Leitenbergers Blog

Apollo Jubiläen im Wandel der Zeiten

Als ich mir mal die Sendungen anschaute die derzeit zum 50-sten Jubiläum der Landung von Apollo 11 kamen fielen mir Unterschiede auf. Natürlich legt man zu jedem Zeitpunkt den Wert auf andere Dinge, man hat aber auch eine andere Sicht, weil man historische Ereignisse anders, aus der Sicht von „jetzt“ betrachtet. Ich selbst habe das miterlebt, als ich für einen Begleitkatalog einer Ausstellung einen Artikel über die Computerentwicklung in der Raumfahrt schrieb. Da gefiel dem Verantwortlichen nicht, dass die Damen die für das Verdrahten der Ferritkerne bewusst ausgesucht wurden. Sie sollten im mittleren Alter sein und Familie haben. Diese Gruppe wäre für die monotone, aber Aufmerksamkeit erfordernde Arbeit durch das Aufziehen von Kindern am besten geeignet. Das stammt nicht von mir, das habe ich 1:1 aus Digital Apollo übernommen. Das wäre nicht politisch korrekt. Auch mein Hinweis, dass die Stelle nicht von mir stammt, und es nicht das heutige Frauenbild, sondern das der Sechziger Jahre wiedergibt, half nichts. In dem fertigen Katalog finden sich denn auch zwei Aufsätze mit zweifelhaftem Sinn. Im einen werden nur die Schattenseiten von Wernher von Braun hervorgehoben, von seinen Verdiensten erfährt man gar nichts. In einem anderen hat der Autor krampfhaft nach jeder Frau im bemannten Raumfahrtprogramm gesucht, um ihre Rolle für Apollo hervorzuheben. Um Frauen im Mondprogramm ging es auch in der Dreiteilligen Doku auf ARTE. Zum einen um die Frauen der Astronauten. Zum andern fand man auch hier eine Ingenieurin bei TRW in den hinteren Räumen, die zu Wort kam. Sie haben auch jemanden (Edward Dwight) gefunden, der schwarzer Hautfarbe war (wenn man das noch sagen darf?) und vorzeitig als Astronaut gefeiert wurde aber es nicht wurde. Der einzige schwarze Astronaut, den es damals gab (Robert Henry Lawrence im MOL-Projekt), starb ja schon 1967.Damals hieß es übrigens noch „Negro“ in den offiziellen Nachrichten. Kurz, wenn ich einen Gesichtspunkt für 2019 hervorheben würde, dann wäre es die Beteiligung von Minderheiten am Projekt. Die Berichterstattung hat heute politisch korrekt zu sein.

So hat jede Zeit ihre Sicht auf die Landung und ich gebe mal meinen Eindruck der letzten Zehn-Jahres-Jubiläen wieder.

1979

1979 wurde das Jubiläum noch gar nicht groß gefeiert. Es war erst 10 Jahre vorbei und die letzte Landung noch keine sieben Jahre. Aber die Welt hatte sich gewandelt. Die NASA entwickelte das Space Shuttle, das damals noch als die leuchtende Zukunft (die blühenden Landschaften) der Raumfahrt gefeiert wurde, obwohl es schon ernste Probleme mit Haupttriebwerken und Hitzeschutzschild gab. Apollo, das war offiziell eine große Leistung, aber es war die Vergangenheit. Die Zukunft würde den viel billigeren und besseren wiederverwendbaren Shuttle gehören.

Die Allgemeinheit richtete ihren Fokus mehr darauf, wie öde der Mond war. Die schon 1969 spektakulären Bilder der Erde vom Mond aus, die aber in der Berichterstattung über die Landung untergingen, wurden nun interessanter. Denn auf der Erde gab es die ersten großen Umweltkatastrophen. Verunglückte Tanker, die die ganze Bretagne mit Erdöl bedeckten, einen Fast-Gau in Harrisburg. Immer mehr Berichte über Katastrophen in Drittweltstätten wie Hungersnöte in Äthiopien oder Überschwemmungen in Bangladesch. Der Blick von der öden Gesteinswüste in Grau zu der blau-weißen Erde wurde von der aufkeimenden Öko- und Umweltbewegung aufgegriffen, so mit der Aussage: „Seht wir haben nur eine Erde und wir wollen nicht. dass sie mal so aussieht wie der Mond“.

1989

1989 hatte sich die Welt wieder gewandelt. Das Apolloprogramm war eine Folge des kalten Kriegs. Der war nun vorbei und als solches betrachtete man es auch. Es war sicherlich eine großartige Leistung, aber eben ein Produkt einer Zeit, in der man im Wettlauf der Systeme Unsummen ausgab, um den Gegner zu schlagen. Für Rüstung, Kriege in Drittweltstaaten und eben auch für Raumfahrt. Während in Jesco von Puttkamers Buch „der erste Tag der neuen Welt Apollo 11 noch eine Rolle spielt, ist in dem Buch das in etwa zur selben Zeit (Rückkehr zur Zukunft) erscheint nur noch der Fokus auf die Zukunft gerichtet. Die Zukunft war seitens der USA erst mal eine Raumstation, damals noch „Freedom“ genannt (klar, woanders als in den USA kann es Freiheit ja nicht geben, logischerweise nannten die Russen ihre Raumstation dann Mir, also „Frieden“). Zum zwanzigjährigen Jubiläum vergab George Bush senior noch einen Auftrag an die NASA zu untersuchen, wie eine Marslandung aussehen könnte. Doch als diese mit Kosten von 400 Mrd. Dollar kam, war es dann auch dem dem Vorhaben.

1999

Noch weiter entfernt schien die Mondlandung 1999. Inzwischen war in der Raumfahrt nicht mehr „Wer ist besser“, sondern Zusammenarbeit angesagt. Die ersten Module der ISS aus den USA und Russland waren im Orbit und die Station war anders als der kurze Flug von Apollo-Sojus ein dauerhaftes internationales Projekt. Mehr noch als 1999 erschien Apollo als ein Relikt einer Zeit, die man Gottseidank überwunden hatte, ohne das es einen Atomschlag gab, was bei in der Spitzenzeit über 30.000 Atomsprengköpfen und etlichen Konflikten heute fast wie ein Wunder klingt. In der Raumfahrt hatte man nun wieder den Fokus auf die Erforschung des Mars gelegt 1997 starteten zwei Sonden 1999 weitere zwei und so sollte es weitergehen. Selbst die ESA plante eine Marsmission. Würde vielleicht sogar die bemannte Landung auf dem Mars kommen? Zumindest erarbeitet die NASA, seitdem Pläne dafür die sie alle paar Jahre dem aktuellen Stand der Technik anpasst.

2009

Im Jahre 2009 hatte sich das Internet, das 1999 noch vor allem die Computerenthusiasten erreichte, zu einem Medium für alle in den Industrieländern durchgesetzt. Damit kam ein Phänomen auf, das bis heute anhält. Ich nenne es gern „Dorftrottel aller Länder vereinigt euch“. Es sind Verschwörungstheorien und wirre Vorstellungen, die verbreitet werden. Die Liste ist unendlich. Chemtrails, 911-Verschwörung und eben auch der Moon-Hoax. Vor zehn Jahren dürfte das Thema in keiner Retroperspektive fehlen, selbst (damals noch seriöse) Medien wie Quarks & Co berichten darüber. Selbst ich habe einige Aufsätze darüber geschrieben. Inzwischen hat sich herumgesprochen, das es bei den Verschwörungstheoretikern im günstigsten Fall um Leute handelt die mit dem gesicherten Absatz durch das Buzz-Thema Geld verdienen wollen um im schlimmsten Fall um Leute die einer psychologischen Behandlung bedürfen. Einer, Siegfried Marquard beglückt Blogbetreiber wie mich immer noch mit seinen wirren Berechnungen die beweisen, das man nicht mal bis zum Mond fliegen kann (nicht nur Apollo, sondern auch die meisten Raumsonden, da er errechnet hat, dass ein Flug zum Mond 14 Tage dauert – ist ja die Hälfte der Umlaufszeit des Mondes….)

2019

Heute haben wir neben der Tatsache das wir die Mondlandung unter dem Gesichtspunkt das die Berichterstattung politisch korrekt sein muss auch das Faktum, das es nun ja angeblich wieder zum Mond gehen soll. SpaceX plant einen Mondflug, schon den zweiten. Den ersten noch mit einer Dragon und Falcon heavy sollte schon letztes Jahr stattgefunden haben. Blue Origin entwickelt wie Space eine Trägerrakete für Mondmissionen nach der New Glenn, die bald mit 45 t LEO ihren Einstand gibt, wird die New Armstrong folgen, die die Nutzlast für Mondlandungen hat und eine Mondlandestufe hat man auch schon vorgestellt. Passend dazu kündete die NASA wenige Wochen später ein neues Programm Artemis an. Kurz: die Mondlandung ist plötzlich wieder aktuell.

2029?

Spekulativ, was 2029 sein wird. Es gibt viele Möglichkeiten. Ich will mal zwei skizzieren. Die eine ist, dass es bis dahin doch kein Mondprogramm gab und man Artemis wieder eingestellt hat. Ich glaube auch nicht das selbst Mondumrundugsflüge außer für Superreiche jemals bezahlbar werden. 2029 werden die meisten Apolloastronauten, von denen inzwischen schon viele gestorben sind, tot sein. Sie waren zwischen 34 und 47 als sie landeten, 60 Jahre später sind dass dann Werte in den hohen Neunzigern. Da man – außer in Deutschland – meist über Verstorbene positiver schreibt als über Lebende, denke ich wird 2029 im Fokus stehen das man sich auf die persönliche Leistung der Astronauten konzentriert.

Die zweite Möglichkeit (für mich unwahrscheinlicher) ist das man tatsächlich wieder zum Mond aufbricht. Artemis könnte bis 2029 eine Landung erreichen, ich halte es aber eher für unwahrscheinlich, wenn man vor 2020 nicht mal weiß, was das kostet und anders als bei Apollo muss es ja auch kein Crash-Programm sein. Dann wird der Blick auf Apollo ein vergleichender sein: Was kostete das damals, was heute. Was haben wir heute an Technologien und Möglichkeiten, die es damals nicht gab.

Was haltet ihr davon? Habe ich Gesichtspunkte vergessen oder habt ihr einen komplett anderen Blick auf die Jubiläen?

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