Quarks (und Co) – der Verfall geht weiter
Ich hatte es bei meinem letzten Blog schon erwähnt, seit Quarks und Co eine neue Moderatorin hat, hat das Niveau deutlich nachgelassen und es schleichen sich Fehler ein. Nun hat das auch die Sendungen erreicht die Ranga Yogeshwar moderiert, das fiel mir bei den Sendungen „Wie Apollo 8 die Welt veränderte“ und „“Wir schalten ins All – Alexander Gerst und seine Mission“ erreicht.
Schon nach wenigen Minuten bei Sendung über Apollo 8 geht es los „Die NASA schätzt ihre Überlebenschance auf 50 Prozent“. Kommt euch das bekannt vor? Klar so was hört man immer wieder, vor allem aber bei der Landung von Apollo 11. Mit „der NASA“ ist man auch frei raus, das kann auch die Einschätzung von jemanden sein, der das VAFB ausfegte.
Tatsache ist: es gibt keine solche offizielle Einschätzung, auch nicht bei Apollo 11. Ich habe die Biografien von Chris Kraft, Gene Kranz und Michael Collins (Backupmannschaft) gelesen und in keiner findet sich eine solche Aussage. Im Gegenteil: Man sah das Raumschiff nach mehreren unbemannten Tests als so erprobt an, dass man gleich einen Mondflug anging. Es gab ja zwei Gründe für das Unternehmen. Der Wichtigere war, dass der Mondlander, der nach dem ursprünglichen Plan im Erdorbit getestet werden sollte, bevor man zum Mond ging noch nicht fertig war. Der Zweite war, dass man nach der erfolgreichen Wasserung von Zond 5 befürchtete, das Russland als Nächstes eine bemannte Mondumrundung, wenn auch keine Umkreisung versuchen würde.
Aber für die Mission war alles qualifiziert. Ich kenne keine Gesamtabschätzungen für das Risiko der ganzen Mission,, aber für die Saturn V war bis zum TLI (Translunar Injektion) gefordert, das das LOC-Risiko 1:100 betrug. Wenn man von ähnlichen Größen beim CSM und den Operationen (die ja auch scheitern können) ausgeht dann kommt man auf ein Risiko von etwa 1:33 oder 3 Prozent. Woher diese ominöse Zahl „50 %“ kommt, weiß ich nicht. Ich tippe auf eine Verwechslung. Man hat wohl angenommen, dass die Chance das Apollo 11 die Landung beim ersten Versuch schafft, wohl 50 Prozent sei. Der Crew wurde vom NASA-Chef bei einer letzten Besprechung versichert, dass sie, wenn die Landung scheitert, den nächsten Flug bekäme, um es noch mal zu versuchen. Wohl auch, damit sie keine unnötigen Risiken eingeht und dann wirklich ihr Leben aufs Spiel setzt. Ebenso hatte die NASA drei Missionen in der Pipeline. Wäre Apollo 11 nicht gelandet, so wäre Apollo 12 schon im September gefolgt, und wenn auch diese nicht landet, Apollo 13 im November/Dezember. Man hat also aus einer 50 Prozent-Chance für eine geglückte Landung eine 50-Prozent-Überlebenschance gemacht, was nicht dasselbe ist. Die NASA hätte nie Astronauten auf eine Mission mit 50 Prozentüberlebenschance geschickt. Wenn sie gestorben wären, das Programm wäre erledigt gewesen – ein Unglück gab es ja schon und dann das nächste so kurz vor der Deadline, das wäre das Aus für Apollo gewesen.
Beim Start geht es dann mit den falschen Bildern weiter. Die Abtrennung des Stufenadapters zwischen S-IC und S-II wird mit „Abtrennung der ersten Stufe“ moderiert. Der Clip stammt aber von Apollo 4 und der Stufenadapter ist nicht die S-IC. Ebenso die Zündung der S-IVB, deren Aufnahme von AS-207 einem Saturn IB Start stammt. Leicht zu erkennen an der unterschiedlichen Anzahl von Trennraketen bei der S-IVB der Saturn IB und V.
Schon eine Minute später in der Sendung soll Houston alarmiert sein, weil Frank Borman eventuell an einer Virusinfektion erkrankt ist. Wie sich herausstellt, ist es die Weltraumkrankheit. Falsch. Zwar erkrankte Borman an dem Space Sickness Syndrome, übrigens auch Anders, was Quarks nicht erwähnt, doch die Astronauten sprachen darüber nicht mit Houston. Es wurde erst lange nach der Mission bekannt. Die Astronauten tat das, weil sie ja noch in Erinnerung hatten, was Scott Carpenter passierte, als dieser seine Mission fast versemmelte und wie zur Bestätigung bekam Rusty Schweickhart, als er bei Apollo 9 ebenfalls an Weltraumkrankheit erkrankte und sich „nur“ der Zeitplan verschob auch keinen Flug mehr. Die Spekulation, ob der Flug zum Mond abgebrochen werden soll, die Quarks daraufhin aufwirft ist daher reines Hirngespinst. Besonders, wenn im nächsten Satz es heißt, „Gut 20 Stunden nach dem Start droht die Mission zu scheitern“. Hallo? Wie geht es im Land der recherchefaulen Dummköpfe? 20 Stunden nach dem Start ist eine Apollomission zu weit entfernt von der Erde, als das man die Flugbahn umkehren und zurückfliegen kann. Man muss in jedem Falle um den Mond herum und kann nicht mehr abbrechen.
Dann blamiert sich Yogeshwar selbst. Er verdeutlicht an einem Diagramm wie weit Astronauten bis dahin ins All gestoßen waren – seiner Angabe nach 180 bis 250 km. Stimmt schon mal nicht. Gemini 11 hielt bis dahin den Rekord für die größte Erdentfernung: 1.390 km. Dann aufpassen: kommt der Mond ins Blickfeld, der 384.400 km von der Erde entfernt sein soll. Ist er auch im Mittel, aber vom Erdmittelpunkt und alle bisherigen Höhen, hat man ja von der Erdoberfläche aus gemessen, also wäre die Distanz um einen Erdradius, 6.378 km zu verkleinern. Yogeshwar ist Physiker. Peinlich wenn man dann nicht mal den Unterschied zwischen Distanz vom Erdmittelpunkt aus und der Erdoberfläche kennt.
Später kommt es noch dicker. Den zu hohen Umrechnungsfaktor von 24 Mrd. US-$ damals in 180 Mrd. US-$ heute geschenkt (Nach dem Augustine Report S.20 waren es 2011 noch 129,8 Mrd. Dollar und so hoch war die Inflation in den letzten sieben Jahren nicht). Er meint, dass 1,5 Milliarden Leute das Ereignis im Fernsehen gesehen haben. Schade, vorher hat er selbst gesagt das zu dem Ereignis bei ihnen ein Fernseher angeschafft wurde. Damit hat er eine Situation beschrieben, die realistisch war: 1968 hatte noch nicht jeder Haushalt einen Fernseher und wenn dann waren die in wenigen Industrienationen der westlichen Welt weit verbreitet. In den Entwicklungsländern, wo damals schon die meisten Leute wohnten aber nicht. Bei Apollo 11, dem viel wichtigeren Ereignis werden die Zuschauerzahlen auf 530 Millionen (Wikipedia) bis 600 Millionen (Daily Telegraph) geschätzt. John Glenns Flug sahen auch nur 100 Millionen im Fernsehen. Die Zahl ist viel zu hoch und angesichts der damaligen Weltbevölkerung von 3 Mrd. Menschen kaum glaubhaft.
Auch im folgenden geschichtlichen Beitrag wieder falsche Darstellungen. Wenn der Sprecher von „der Mondlander ist noch nicht ausgereift“ spricht, wird ein Aufschlag des fliegenden Bettgestells gezeigt – hat nur nichts mit dem Mondlander zu tun. Dann: „der Plan ist riskant, die Technik noch nicht ausgereift.“. Gerade das Gegenteil ist der Fall es wurde das eingesetzt, was am erprobtesten war, auch durch eine bemannte Erdorbitmission vorher ,die problemlos war. Ein riskanter Plan wäre sicher nicht innerhalb eines Wochenendes durch die ganze NASA-Hierarchie gegangen und genehmigt worden, da hätten sich viele mit Bedenken gemeldet. Erst recht wenn die Überlebenschance nur 50 Prozent beträgt ….
Dann wird es megapeinlich. Es kommt ein ganzer Beitrag über Frauen in der NASA. Muss wohl heute sein, um politisch korrekt zu sein. Schon in der Anmoderation blamiert sich Yogeshwar. Es geht darum um für das TLI die richtigen Koordinaten zu haben man wissen muss, wo der Mond ist, wenn nach drei Tagen die Kapsel ihn erreicht „Nun heute könnte man dies mit Computern berechnen, aber die gab es damals so noch nicht. Die Berechnungen wurden stattdessen von Frauen durchgeführt“. Ich weiß das sich Yogeshwar mit Computern auskennt. Quarks hat in den frühen Neunzigern schon eine Sendung über das Internet gemacht, da war schon der Begriff „Internet“ in Deutschland unbekannt, geschweige denn das jemand Zugang hatte. Er muss wissen das ohne Rechner die Mission unmöglich war. Es gab auch zwei Stockwerke mit IBM System 360 Rechnern, die nur für die Missionsplanung zuständig waren. Chris Kraft und Gene Kranz beschrieben das in ihren Memoiren als Kraft gefragt wird, ob diese Mission zum Wunschtermin möglich ist, ist das Erste was er macht seinen Mann anzurufen, der für die Planung zuständig ist und der sagt ihm das er beide RTCC (real Time Computer complex) benötigt um die Bahnen auszurechnen und den idealen Starttermin zu finden. Was zeitraubend war, ist nicht die Berechnung der Position – die streckt in meinem Pascalprogramm in einem Unterprogramm, dass etwa eine Bildschirmseite einnimmt. Es gab etliche Nebenbedingungen so das die Bahn eine freie Rückkehrbahn sein musste, das die Kapsel im gewünschten Zielgebiet bei Tag niedergeht und den engen Korridor für den Atmosphäreneintritt einhält. Wo der Mond 3 Tage nach dem Startzeitpunkt ist, kann man bei einer nahezu kreisförmigen Bahn sogar mit dem Rechenschieber mit ausreichender Genauigkeit berechnen (damit arbeiteten die Ingenieure in Mission Control).
Dann folgt ein ganzer Beitrag über Frauen, die im Apolloprogramm arbeiten. Er ist über Katherine Johnson. Doch sie arbeitete im Mercuryprogramm. Selbst die erwähnte Überprüfung der Bahn von John Glenn kann sich nur auf die geplante Bahn beziehen – da die Atlas nicht genau eine Bahn erreichen konnte und Mercury keinerlei Bahnänderungsfähigkeiten hatte, berechnete man während der Mission laufend basierend auf den letzten RADAR-Vermessungen den Punkt, wo der Wiedereintritt erfolgen sollte und wo die Kapsel landet – so konnte man bei der missglückten Abbremsung von MA-7 Scott noch als er landete durchgeben, dass er 320 Meilen vom Kurs abgekommen war. Ebenso mag sie an der Erstellung der Programme für die Bahnanalytik von Apollo 8 beteiligt gewesen sein, das war jedoch eine Gemeinschaftsleistung. Ebenso war Marget Hamilton nicht alleine mit dem Programmieren des AGC beschäftigt. Das zeigt schon der Stapel des Programmcodes, der neben ihr steht – so viel kann keiner alleine schreiben, erst nicht bei so missionskritischem und daher besonders geprüftem Code. Das MSIL, wo der Bordcomputer gebaut wurde, führt im Durchschnitt 300 Beschäftigte für die Software von 1967 bis 1970 auf.
Das ist so eine Sache der politischen Korrektheit. Es gab durchaus sehr wichtige Frauen im Apolloprogramm, das waren die LOLs nein das steht nicht für eine Chatabkürzung, sondern für Little Old Ladies. Frauen waren es beim Hersteller welche die Ferritkerne mit Drähten durchzogen – das Programm war im wahrsten Sinne des Wortes hardwareverdrahtet. Dafür musste man enorm viel Konzentration aufbringen, obwohl die Arbeit monoton war. Der Hersteller stellte Frauen mittleren Alters ein, die Familie hatten. Die Begründung: sie brächten durch ihre Erfahrung mit der Familie die nötige Geduld auf. Als ich dasselbe in einem Artikel über den AGC für eine Begleitschrift zu einer Ausstellung schrieb, bat der verantwortliche Redakteur mich diesen Passus zu streichen, weil das politisch inkorrekt sei. Mag ja heute so sein, aber in den Sechzigern hatte man eben noch ein anderes Frauenbild. Heute würde es wohl auch bei diesem Lied einen Shitstorm geben.
Im letzten Beitrag über die Landung wird dann gesagt, dass man erstmals Russland im Weltall geschlagen habe. Das ist falsch Chris Kraft berichtet in seinen Memoiren, wie bei der Gemini 5 Mission eine zweite Uhr installiert wurde, die rückwärts lief – sie wurde mit dem Start aktiviert und zählte rückwärts die Dauer von Wostok 3, der bisher längsten Mission der Russen und Gemini 5 sollte diese überbieten. Damit hatte man Russland erstmals geschlagen. Es folgten weitere „Firsts“ im Geminiprogramm wie erste Ankopplung im All, erste Bahnänderung durch Raketenstufe und neue Rekorde für Erdferne und Aufenthalt im Weltall.
Was komplett wegfiel, war eigentlich, was diese Mission gebracht hat. Neben der Fotografie wurde auch gleich das ganze Netzwerk qualifiziert. Daneben gab es eine Überraschung: Apollo war so konzipiert worden, dass die wesentlichen Daten alle von der Bodenkontrolle ermittelt werden und die Besatzung sie in die Computer eintippte, die Missionskontrolle war für die Navigation zuständig. Man entschied sich dafür, weil dies die Anforderungen an die Hardware an Bord deutlich reduzierte und erste Versuche im Mercuryprogramm selbst die Position festzustellen scheiterten. Der AGC hatte jedoch einen Welktraumsextanten gekoppelt an den Computer und Lovell überprüfte mit ihm nicht nur die Navigationsdaten und ermittelte nur kleine Abweichungen, er peilte den Mondrand einen Tag vor dem Erreichen des Mondes an und lies den Computer ermitteln wie nahe man am Mond vorbeifliegen würde – er teilte das der Bodenkontrolle mit und sein Ergebnis war auf 1 Kilometer genau. Damit war bewiesen, dass Apollo prinzipiell ohne die Bodenkontrolle auskommen sollte und vielen Leuten dort dämmerte, das die Zeit in der Hunderte am Boden nur mit der Mission betraut waren sich langsam dem Ende nähert.
In der folgenden Sendung mit einer Life-Schalte zu Alexander Gerst in die ISS merkt man, das Yogeshwar nun kurz vor seinem Ausstieg wohl viel von dem Sachverstand und vor allem der kritischen Betrachtung die früher seien Moderationen auszeichnete, verloren hat. Das war eine einzige Beweihräucherung der Mission und „unserem Astro-Alex“ im All. Keinerlei kritische Betrachtung. Keinerlei Auseinandersetzung, was Gerst denn eigentlich an Bord der ISS macht (wäre wohl peinlich gewesen). Stattdessen Fragen zum persönlicher Befindlichkeit. Sicher sind die Ausführungen von Gerst über die Umweltzerstörung auf der Erde interessant, doch solche Bilder und Eindrücke kann man auch mit unbemannten Satelliten sammeln.
Auch dort Fehler in den Zuspielern. Da wird ein Wettrennen im Weltall prognostiziert – zwischen Milliardären und alles durcheinander gebracht. Zuerst die Grenze von 100 km, gemeint sind damit suborbitale Hüpfer. Yogeshwar spricht aber von „NASas Starliner“ im Kontrast zu Benzos New Shepard und Virgin Galactics de beide aber nur suborbital sind, verschweigt das aber und dann wird’s ganz bizarr – wusstet ihr das Elon Musk die Dragon selbst finanziert? Zumindest nach Yogeshwars Kommentar. Sagt das mal der NASA, sie kann dann rund 3 Milliarden Dollar, die sie für die Entwicklung bezahlt hat, zurückfordern.
Es ist gut das Yogeshwar nun abtritt, es gab ja schon mal eine solche Sendung über Gerst. Was früher Quarks & Co auszeichnete. Das fundierte Recherchieren von Fakten und auch das kritische Auseinandersetzen, findet in den letzten Sendungen nicht mehr statt. Man hätte durchaus auch die Frage nach dem Sinn der ISS stellen können. Stattdessen müssen Spannungsbögen konstruiert werden, wie die Apollo 8 Sendung zeigt.
Das bringt mich auch zum Nachdenken. Habe ich zu hohe Erwartungen, wenn ich korrekte Fakten erwarte? Bin ich vom alten Eisen weil noch gewohnt selbst zu recherchieren und nachzudenken, anstatt dem „Internet“ zu glauben? Vor allem aber: Ich hatte mir auch vor Jahren ein Buch von Günther Siefarth gekauft. Er war bei den Apollo-Sendungen der leitende Journalist und bekam den Spitznamen „Mister Apollo“. Während er dort mit Fachwissen glänzte, ist das Buch nicht mehr als eine extrem kurz zusammenfassende Geschichte der bemannten Raumfahrt. Nicht das Niveau, das man sich von ihm erwartet. Nun baut auch Yogeshwar so ab. Er ist gerade mal sechs Jahre älter als ich. Ich hoffe nur es geht mir nicht so und vor allem ich merke das nicht und blamiere mich dann genauso.
Wenn übrigens wieder die Apollo-live-Übertragung im deutschen Fernsehen erneut ausgestrahlt wird, so war es zumindest beim letzten Jubiläum vor 10 Jahren so, dann rate ich euch das mitzuschneiden. Zum einen erfährt man dort einiges über das Mondprogramm, zum anderen ist das Fernsehen aus einer anderen Zeit, als es noch echte Experten gab (Harry Ruppe, der im Studio war hat z.B. mit Wernher von Braun zusammengearbeitet und war am ersten US-Satelliten Explorer 1 beteiligt) und selbst die Zuschauerfragen erscheinen mir heute intelligenter als Fragen, die ich so gestellt bekomme.
Jau, ich habe mich gleich 2mal geärgert: Ein paar Tage vorher war in WDR 5 das Thema Apollo 8 auch
in „Radio Quarks“.
Da wurde auch der Unsinn von den 50% erzählt und vor allem das die Saturn V nie zuvor getestet worden ist.
Da waren noch so einige Eier drin. Ich habe sowohl an WDR5 als auch an Quarks entsprechende Kommentare
geschickt. Bisher ohne Reaktion.
Wobei ich ans Fernsehen trotzdem mein Bedauern geschickt habe das mit Ranga der bis dato
letzte gute Wissenschaftsmoderator geht.
Konnte mir dabei einen historischen Abriss über die 70/80 und das grauenhafte Ende guter Berichterstattung
beim J. Blutbad nicht verkneifen.
Ulli
Ich finde die zunehmenden Ungenauigkeiten in nahezu allen Sendungen auch nicht so toll. Allerdings wird die Welt zunehmend komplizierter und die Aufmerksamkeitsspanne der Zuschauer nimmt dank rapide steigender Gehirnprothesen-Nutzung (aka „Smarschfon“) deutlich ab. Menschliche Fehler sind mir daher verständlich und ich versuche mich eher in konstruktiver als allzu aggressiver Kritik. Ich versuch’s mal ohne dabei jemandem zu nahe treten zu wollen:
Zitat: „20 Stunden nach dem Start ist eine Apollomission zu weit entfernt von der Erde, als das man die Flugbahn umkehren und zurückfliegen kann.“
Stimmt meines Wissens nicht. Das SM hat genügend Treibstoff an Bord um mit LM in die Mondumlaufbahn einzubremsen und diese später auch wieder zu verlassen. Das mögliche Delta-V ohne LM liegt bei über 2km/s was genug ist um direkt wieder zur Erde zurückzukehren. Bei Apollo 13 hatte man ein solches Manöver diskutiert da es die Rückflugzeit reduziert hätte, hat aber wegen der fragwürdigen Funktionalität des SM-Haupttriebwerks darauf verzichtet.
Zitat: „Er meint, dass 1,5 Milliarden Leute das Ereignis im Fernsehen gesehen haben.“
Meine Vermutung: Es war 1/5 der Weltbevölkerung als Zuschauer angegeben. Man ist irrtümlich von 1/5 der heutigen statt der damaligen Bevölkerung ausgegangen.
Zitat: „Er ist über Katherine Johnson. Doch sie arbeitete im Mercuryprogramm.“
Johnson arbeitete bis 1986 bei der NASA und war sowohl an den Apollo- als auch an den Shuttle-Berechnungen maßgeblich beteiligt. Auch der zitierte Film „Hidden Figures“ weicht sicher in zahlreichen Punkten von der realen Geschichte ab (ähnlich wie beispielsweise „the Imitation Game“ über Alan Turing), aber das sind auch keine Dokumentationen. Vielmehr wollte man mit den Beteiligten ein filmisches Denkmal setzen.
Zitat: „Im letzten Beitrag über die Landung wird dann gesagt, dass man erstmals Russland im Weltall geschlagen habe. Das ist falsch…“
Eher ungenau. Erstmals „erheblich“ in der „bemannten“ Raumfahrt hätte man schreiben müssen um präziser zu sein. Bereits Shepards Suborbitalmission war formal der erste bemannte Raumflug da Gagarin nicht in seiner Wostok-Kapsel sondern am Fallschirm gelandet war und es waren bereits Mariner-Sonden erfolgreich an Venus und Mars vorbeigeflogen. Hinzu kommen bereits zitierte Höhen-, Daueraufenthalts- und EVA-Rekorde wobei die Daueraufenthaltsrekorde später noch mehrfach gewechselt haben (Sojus-9, Skylab, Saljut-6). So viele Informationen kann man aber kaum in einer Sendung unterbringen.
Zitat: „…doch solche Bilder und Eindrücke kann man auch mit unbemannten Satelliten sammeln.“
Sehe ich anders. Um aus einem Foto einen wirklichen Eindruck über die Ausmaße der Umweltzerstörung zu gewinnen (Overview-Effekt) fehlt der Generation Smartphone die Phantasie und Vorstellungskraft. Hinzu kommen noch Deep Fakes und andere Manipulationen und schon glaubt die Mehrheit an Mondlande-Verschwörung und eine 6000 Jahre alte Erde als Mittelpunkt eines sehr kleinen Universums. Leute wie Trump mal wirklich auf den Mond zu schießen wäre da vielleicht ein guter Ansatz. Weniger als gar nichts können die dabei nicht lernen…
Ich denke das wichtigste für Wissenschaftssendungen wäre es die Zuschauer zum kritschen selbst denken und recherchieren zu animieren und ihnen zusätzliche Informationsquellen zu nennen anstatt ihnen unvollständige und vereinfachte Informationen auf sinkendem Niveau zu servieren. „Planet Wissen“ funktioniert da etwas besser als Quarks, aber die haben auch 60 Minuten Sendezeit.
Nur zwei fachliche Dinge. Es gab definierte abortmodes für Apollo und 20 Stunden nach dem Start wäre die Kapsel auf einer freien Rückkehrbahn um den Mond herumgeflogen.
Der Beitrag über Katherine Johnson konzentrierte sich auf das Mercuryprogramm wo sie in der ersten Phase noch stärker beteiligt war. Bei Apollo war sie eben eine von vielen die an der Software arbeiteten und die Zeit bei der NASA kann man schlecht als Kriterium nehmen. Manche Sekretärin war sicher genauso lange beschäftigt. Es geht mir darum das in dem Beitrag suggeriert wurde sie hätte eine entscheidende Rolle im Programm gespielt und das ist falsch.
Ich sehe das anders mit den Ungenauigkeiten. Es macht ja kein Problem die falschen Aussagen einfach wegzulassen und etwas anderes über die Mission zu sagen. Das einzige was eine größere Änderung erforderlich gemacht hätte wäre der Beitrag über die Frauen in der NASA. Warum hat da keiner die Sekretärin von Alan Shepard erwähnt, welche die Besucher mit Fotos auf den augenblicklichen Gemütszustand von Shepard vorbereitet hat und so viel Reibungsverluste vermieden hat?
Ich denke unser aller Problem ist das wir zuweilen die Begriffe „gleich“ und „anders“ mit den Begriffen „richtig“ und „falsch“ verwechseln. Wenn dann jemand eine Sache anders darstellt als wir selbst es tun würden fassen wir das als Angriff auf unsere eigene Denkweise auf und argumentieren entsprechend wehement dagegen. Wenn beide Seiten das tun fliegen schnell die Fetzen.
Hätte man bei Apollo 8 zum genannten Zeitpunkt 20 Stunden nach dem Start für einen Abbruch entschieden so wäre das risikoärmste Szenario ein Mondvorbeiflug gewesen. Wäre der Abbruchgrund aber ähnlich wie bei Apollo 13 zeitkritisch gewesen wäre man sicher nicht gemütlich fast eine Woche lang auf der freien Rückkehrbahn geblieben sondern hätte alles technisch mögliche getan um die Astronauten möglichst schnell zurückzuholen. Das entsprechende Manöver hätte aber ein weiteres Risiko bedeutet. Da es bei Apollo 13 nur wenig Zeit gespart hätte hat man gegen das Risiko eines Triebwerksfehlers abgewogen und darauf verzichtet. Das ist aber alles hypothetisch und hat in der Berichterstattung über Apollo 8 nichts verloren. Ein Hinweis das man 20 Stunden nach dem Start aus irgendeinem Grund ernsthaft einen Abbruch erwogen hat hätte gereicht. Ein reißerisches „drohte zu scheitern“ ist tatsächlich unsinn. Die Mission drohte von der ersten bis zur letzten Sekunde zu scheitern wie jede andere Mission auch. Ist alles eine Frage der Wahrscheinlichkeit und der Auswirkungen eines Fehlers und da muss man halt abwägen was man in die Berichterstattung einbaut. Am Ende ist für jeden Zuschauer was dabei das er überflüssig fand und was das ihm gefehlt hat. Ich beispielsweise hätte beim Thema Frauen bei der NASA die Mercury 13 zumindest erwähnt haben wollen. Das waren 13 Frauen die privat finanziert die selben Tauglichkeitstests wie die männlichen Mercury-Astronauten bestanden haben. Andere hätten sicher das Thema Schwarze bei der NASA vermisst und so konnte man mit dem aktuellen Film „Hidden Figures“ einfach zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen. Da hätten wir als verantwortliche Redakteure für die Sendung vielleicht genauso entschieden.
In der Tat lässt das Niveau überall nach. Muss wohl eine Ansteckung sein von den unsäglichen Dokus aus dem Privatfernsehen und USA
Ich habe die Sendung nicht gesehen, weil mir schon die Vorschau gereicht hat. Nicht zuletzt hier habe ich ja viel über Raumfahrt und Raumfahrtechnik gelernt, und bin dadurch sehr Kritisch geworden.
Aber ja 50% Überlebenchance? Ne ist klar, haupsache Drama. Dann das unsäglich Jubeln für Alexander Gerste in allen möglichen Medien. Das er der Teuerste „Hausmeister“ ist, naja geschenkt.
Tatsächlich ist es interessant wenn man Dokus zu allen möglichen Themen aus den 80er oder noch 90er anschaut. Früher gab es ja noch Abenteuer Forschung mit dem Jocahim Blublaht? Oder so ähnlich. Heute unmöglich
…oder „Modern Times“ im ORF mit Josef Brokal.
Die Sendung vermisse ich ebenfalls.
Wobei das Niveau auch unter Bublath deutlich nachgelassen hat. Der hatte seine Lieblingsthemen und die sind immer wieder kamen. Mein Lieblingsspruch von Bublath „Ein Ergebnis der modernen Weltraumforschung ist …“
Ich bin mir noch nichtmal sicher ob Ranga Yogeshwar tatsächlich abbaut oder schlicht und einfach keine Lust mehr hat, wenn er eh aufhört kann ihm das ja auch egal sein.
Das sagte ich doch, wenn auch etwas versteckt.
Mit Joachim B. war das Niveau hinfort 🙂
Ulli