Bernd Leitenbergers Blog

Ein europäischer ISS-Bahnerhalter

Ich bin mal wieder auf eine Idee gekommen, die ich hier parallel während ich schreibe entwickeln will. Mir kam die Idee als ich den Kommentar von „Ralph mit Z“ lass, indem er meinte, man könnte die Mir in eine Sonnenumlaufbahn schicken. Das ginge mit chemischem Treibstoff wohl kaum, aber mit Ionentriebwerken, aber auch da wäre dere Aufwand gewaltig.

Irgendwie bin ich dann auf die ISS gekommen. In der derzeitigen Höhe braucht die Station im Mittel 3,6 t Treibstoff pro Jahr um die Orbithöhe zu halten – bedanken darf man sich bei den ATV, welche die Station von 350 km Höhe auf über 410 km Höhe anhoben, was den jährlichen Bedarf von 8,6 auf 3,6 t reduzierte. Doch auch 3,6 t sind viel und das summiert sich über die Jahre. Wenn jedes Kilogramm, das zur ISS transportiert wird, derzeit 130.000 Dollar kostet, dann denkt man über eine preiswertere Alternative nach. Ein zweiter Grund für meine Gedanken ist, das die ESA die Station mitfinanzieren muss. Nach dem Auslaufen der ATV tut sie das über Orion Servicemodule, doch auch diese Kompensation läuft aus und weil sich die Orionflüge verzögert haben, ist mit weiteren Aufträgen erst mal nicht zu rechnen. Zudem scheint es so das die NASA heir wieder autonomer werden will – das Servicemodul entsteht zwar in Europa, hat aber ein Triebwerk aus den USA, das Shuttle OMS. Das hat relativ wenig Schub (9,7 kN) und es sind nur ausgebaute Triebwerke aus den drei Fähren verfügbar. Also sucht die NASA nach einem schubstarken Ersatz – dabei gäbe es den schon. Es ist das europäische Aestus Triebwerk, das in der Ariane 5 ES eingesetzt wird (bei den ATV Starts und Galileostarts). Es verwendet dieselbe Treibstoffmischung ist wiederzündbar und hat mit 28,7 kN den dreifachen Schub.

Die Idee: Europa entwickelt einen ISS Versorger, der nur die Höhenaufrechterhaltung übernimmt. Für den Frachttransport von Gerätschaften, Vorräten und Flüssigkeiten haben die USA ja zwei Systeme. Das hätte einige Vorteile: Europa könnte so seinen Beitrag für die ISS leisten, zudem aber auch etwas neues Entwickeln, das vielleicht mal bei bemannten Missionen ganz nützlich ist. Die USA wären nicht mehr von Russland abhängig die derzeit mit den Progress die Anhebung durchführen. Russland kündigt ja seit Jahren an, eine eigene Station aufzubauen und dafür seine Module abzukoppeln. Niemand der sich in der Materie auskennt glaubt das, aber es kann durchaus vorkommen das Russland nicht mehr das Geld hat, seine ISS-Beteiligung aufrechtzuerhalten, zumal mit den neuen bemannten US-Vehikeln ja auch der bezahlte Transport von Astronauten wegfällt und man nun die Sojus alleine finanzieren muss.

Ich habe mich für Ionentriebwerke entscheiden und will das mal durchrechnen. Natürlich muss man einige Vorgaben machen. Diese sind:

Ich fange mit den Erklärungen beim Letzten an. Natürlich wird man das ATV nicht einfach nachbauen, dafür sind die Änderungen zu groß, aber sehr viele Entwicklungen, die man gemacht hat , benötigt man. So die gesamte Sensorik für das automatische Ankoppeln, die Software dazu. Auch Hardware kann man verwenden wie den Kopplungsadapter, die Tanks für die Treibstoffe im Servicemodul, nur eben ersetzt durch dickwandige Druckgastanks. Das ATV dient vor allem dazu, eine Berechnungsgrundlage für den Transporter ohne die Aufrüstungen zu haben. Das ATV gliedert sich in zwei Teile. Das Servicemodul, den eigentlichen Hauptteil (Satellit) und den vorderen Druckbehälter der Fracht aufnimmt, vorne aber auch den Kopplungsadapter und Sensoren trägt. Das Servicemodul wiegt 5,4 t. Ich habe im folgenden mit 7 t Masse beim Servicemodul gerechnet, da ja noch der Kopplungsadapter und vordere Abschluss hinzukommt.

Ionentriebwerke und Strom

Ionentriebwerke ionisieren ein Arbeitsmedium und beschleunigen die entstehende Ionen durch ein elektrisches Feld. Je schneller die Ionen dabei werden, desto höher die Ausströmgeschwindigkeit, aber auch um so mehr Strom benötigen sie.

Für einen gegebenen Gesamtimpuls gibt es daher ein Optimum, weil es kontraproduktiv ist, wenn Triebwerk A gegenüber Triebwerk B 1000 kg Treibstoff einspart, aber so viel mehr Strom benötigt, dass die Stromversorgung 2.000 kg mehr wiegt.

Der mittlere Schub ist aufgrund des Gesamtimpulses zu 1,4 N berechenbar. Dies gilt für alle Triebwerke. Der Treibstoffverbrauch, Stromverbrauch und damit Masse von Treibstoff und Solargenerator sind jedoch unterschiedlich,

Ich habe in zwei Tabellen mal die Massenbilanz für drei europäische Triebwerke aufgestellt. Die wesentlichen Daten der Triebwerke sind:

Triebwerk Spezifischer Impuls Stromverbrauch Schub Gewicht
PPS 1350G 1650 s 1350 W 90 mN 5,3 kg
T5 3500 s 476 W 18 mN 2,5 kg
RIT 2X 4140 s 4685 W 150 mN 8,8 kg

Die Triebwerke sind nach spezifischem Impuls selektiert, vom Schub her sind das PPS und T5 etwas unterdimensioniert, doch die schubstärkeren Modelle beider Firmen haben fast den spezifischen Impuls des RIT2X. In der Praxis wird man wegen des benötigten Schubs wahrscheinlich ein neues Triebwerk entwickeln, damit man nicht so viele benötigt. Zum Gewicht des Triebwerks kommt noch eine Hochspannungsversorgung. Die wiegt in meinem Modell genauso viel wie das Triebwerk selbst.

Für den gegebenen Gesamtimpuls (21,6 MN) und die verfügbare Zeit (180 Tage =15.552.000 s) ergibt sich dann folgende Bilanz pro Jahr:

Triebwerk Anzahl Stromverbrauch Gewicht Triebwerke Gewicht Stromversorgung Gesamtgewicht
PPS 1350G 16 21,6 kW 170 kg 270 kg 440 kg
T5 78 37,2 kW 390 kg 465 kg 855 kg
RIT 2X 10 46,9 kW 176 kg 587 kg 763 kg

Deutlich wird, das das Gewicht der Stromversorgung steil mit dem spezifischen Impuls ansteigt. Das das T5 so schlecht abschneidet, liegt an der hohen Triebwerkszahl. Bei 10 bis 20 Triebwerken die in etwa so viel wiegen wie das T5 oder Rit-2X läge es im Gewicht genau in der Mitte. Die solare Stromversorgung habe ich mit einem Flächengewicht von 80 W/kg gerechnet, das hat der Solargenerator von Dawn, der 11 kW Leistung hat.

Alle Triebwerke verbrauchen ein Arbeitsgas, in der Regel bisher Xenon. Wegen der hohen Kosten habe ich aber auch Krypton als Vergleich genommen. Das Gas benötigt einen Druckgastank, dessen Masse von dem Molgewicht des Gases abhängt, da die Masse sich aus dem Volumen, Druck und Molgewicht errechnet. Nimmt man die Druckgasflaschen von Ariane 5 als Basis für die Berechnung der Behältermasse so ergibt sich folgende Tabelle:

Triebwerk Gewicht Treibstoff (5 Jahre) Gewicht Druckgastank Xenon Gewicht Druckgastank Krypton Gesamtgewicht Xenon Gesamtgewicht

Krypton

PPS 1350G 3.340 kg 320 kg 500 kg 3.660 kg 3.840 kg
T5 1.580 kg 150 kg 240 kg 1.730 kg 1.820 kg
RIT 2X 1.330 kg 130 kg 200 kg 1.460 kg 1.530 kg

Ich ging vom selben Impuls bei Xenon wie Krypton aus und einer Betriebsdauer von 5 Jahren und 10,8 MN Änderung pro Jahr. Bei 10 Jahren sind die Werte zu verdoppeln. So kommt man zu folgender Gesamtbilanz für Triebwerke, Treibstoff, Tanks und Solargenerator. Da es praktisch nur geringe Massenunterschiede zwischen Krypton und Xenon gibt, habe ich auch wegen des hohen Bedarfs von etlichen Tonnen Treibstoff nur noch mit Krypton weiter gerechnet. Xenon sähe etwas besser aus. Die Triebwerke haben übliocherweise eine Lebensdauer von 10.000 Stunden. Das entspricht 2,3 Jahre bei Dauerbetrieb. Da die Triebwerke überzählig sind (wegen der maximalen Korekturkapazität von 21,6 MJ gegenüber im Durchschnitt nur benötigten 10,8 MJ) reicht ein Satz für 5 Jahee aus. Für 10 Jahre muss man einen zweiten Satz hinzurechnen.

Triebwerk Gewicht Krypton 5 Jahre Gewicht Krypton 10 Jahre
PPS 1350G 4.280 kg 8.560 kg
T5 2.680 kg 5.365 kg
RIT 2X 2.300 kg 4.683 kg

Bei 21 t Startmasse, abzüglich 7 t für das Servicemodul und etwa 1 t chemischem Treibstoff für das Ankoppeln hat man 13 t für den Antrieb. Selbst die ungünstigste Möglichkeit benötigt aber nur 8,5 t Masse. Es wäre daher möglich das bisherige System das 6,8 t flüssigen Treibstoff beinhaltet beizubehalten. Es wird für die Ankopplung sowieso benötigt nur eben mit weniger Treibstoff, dann sähe die Bilanz so aus:

Beim T5 und Rit 2X könnte man in den knapp 7 problemlos Tanks, Treibstoff, Solargenerator und Triebwerke unterbringen und der Transporter könne trotzdem die 10 Jahre lang die Station im Orbit halten. Die 5+ t Treibstoff benötigt man für Hochschubmanöver, z.b. um Weltraumschrott auszuweichen.

Ich habe dann noch simuliert, bei welchem spezifischen Impuls man ein Minium erhält. Bei 5 Jahren gibt es eines bei einem spezifischen Impuls von 70.000 bis 73.000 m/s. Bei 10 Jahren dagegen erst bei 101.000 m/s. Allerdings ist die Zusatzmasse gegenüber 43.000 m/s, als höchsten Impuls eines RIT 2X nur bei 250 bzw. 950 kg. Sinnvoll wäre da man für 10 Jahre aber selbst beim RIT-2X 20 Triebwerke benötigt ein schubstärkeres Triebwerk im Bereich 300 bis 500 mN Schub. (6 bis 10 Triebwerke werden dann für 10 Jahre Einsatz benötigt).

Im Mittel benötigt der Transporter nur die halbe Stromleistung, der Rest ist für Leistungsabnahme und Spitzenbeschleunigung vorgesehen. Die übrige Leistung – beim RIT 2X immerhin anfangs über 20 kW kann er ins Netz einspeisen und so die Station bei einem weiteren Ausbau unterstützen. Das wäre erheblich billiger, als die vorhandenen Solarmodule zu ersetzen. Allerdings sind die Solarzellenflächen dann beim Transporter recht groß. Bei 25 % Wirkungsgrad und 48 kW Leistung wären es vier Paneele von je 4 m Breite (am Transporter) und 9 m Länge. Das ATV hat derzeit gerade mal ein Zehntel dieser Leistung installiert.

Es bittet sich auch an, vorausschauend zu arbeiten, d.h. bei ansteigender Sonnenaktivität bevor diese den Höhepunkt erreicht, nicht nur das Fallen zu kompensieren, sondern die Bahn anzuheben, dafür hat man ja die Mehrleistung bei der Stromversorgung und den Triebwerken. Würde man die ISS z.B. in 441 anstatt 408 km Höhe bringen, wofür man nur ein geringes dV benötigt, so halbiert sich schon die Sinkrate, bzw. die Abbremsung durch die Sonnenaktivität bei gleichem Treibstoffverbrauch dürfte doppelt so stark sein.

Nutzung als Parkgefährt

Nach den derzeitigen Plänen wird man irgendwann die ISS deorbitieren. Ich halte aber auch ein zweites Szenario für denkbar. Nämlich das man die Station nicht deorbitiert, sondern im Gegenteil den Orbit noch weiter anhebt und sie in einen „Friedhofsorbit“ bringt. Betriebt man die Ionentriebwerke mit voller Leistung, so kann man sie anfangs um 2 km pro Monat anheben. Das wird rasch mehr. Nach 30 km Anhebung steigt das schon auf 3 km pro Monat. Bei einem Transporter mit einem 10 Jahresvorrat würde bei 60 % Nutzung des Treibstoffs für die Bahnanhebung dies einer Beschleunigung um 144 m/s bei 450 t Masse entsprechen. Das reicht aus um eine 670 km hohe Bahn nach etwa 5 Jahren zu erreichen, die für sehr lange, wahrscheinlich über einige Jahrzehnte stabil ist. Der Vorteil: Dort könnte man, wenn man mal eine neue Station aufbaut, überlegen, was man noch an Modulen oder nur Innenausstattung noch verwenden kann. Morgen dann mehr zur Versorgung des Lunar Gateways.

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