Bernd Leitenbergers Blog

Die Ares V und die SLS

Die Pläne für das Lunar Gateway weisen auf ein großes Manko der SLS hin: sie erreicht nicht die Nutzlast, die man eigentlich für eine Mondlandung benötigt. Die letzten Apollomissionen wogen 48,6 t beim Start und die SLS kann derzeit maximal 28 t zum Mond befördern. Dagegen hatte die Ares V, die für Constellation geplant war eine Nutzlast von 62,8 t, zusammen mit der Ares I sogar 71,1 t, also mehr als das doppelte. Zeit mal zu erklären, warum die SLS so viel schlechter als die Ares V dasteht.

Konzepte

Die Ares V war als Schwerlastrakete konzipiert, doch anders als die Saturn V oder SLS kam man zu der Entscheidung, dass sie nicht bemannt starten sollte. Die Besatzung würde mit der Orion auf der Ares I starten, im Erdorbit mit der EDS Oberstufe der Ares V und dem Altair Lander ankoppeln und diese EDS würde dann das Gespann auf eine Mondtransferbahn bringen.

Das hat zwei Vorteile: die Ares V muss nicht qualifiziert für bemannte Einsätze sein, sondern nur die kleinere Ares I. SpaceX sprach davon, dass sie nicht der NASA glaubten, das ein bemanntes Raumschiff zu konstruieren zehnmal aufwendiger wäre als das eines Frachttransporters, den sie ja als sie den Auftrag für die Crew-Dragon erhielten schon im Einsatz hatten. Ähnliches, wenn such sicher nicht mit dem Faktor zehn, wird auch für die Rakete gelten. Damit einher geht natürlich auch der Kostenaspekt. Mehr Sicherheit kostet immer auch mehr.

Der zweite Vorteil ist das die Ares I die Orion in die Erdumlaufbahn bringt und dieses Gewicht nicht die Ares V transportieren muss, was rund 20 t mehr Treibstoff bedeutet. So ist die Nutzlast um 8 t höher, wenn beide Raketen für eine Mondmission eingesetzt werden.

Die SLS entstand, als Obama 2011 Constellation einstellte, weil das Programm Milliarden verschlang, aber Termine immer weiter nach hinten rückten und es immer teurer wurde. Das wollte der Senat nicht akzeptieren, blieb Obama doch beim Beschluss seines Vorgängers, das Space Shuttle einzustellen, sodass bei den Herstellern der Feststoffraketen, des Tanks, der Triebwerke und der Orbiter, aber auch vieler kleinerer Firmen Aufträge wegbrachen – das Space Shuttle Programm kostete seit Jahren mehr als 3 Milliarden Dollar pro Jahr.

Die SLS ist im Prinzip eine Rakete die entsteht, wenn man jemanden die Aufgabe gibt, eine Schwerlastrakete aus dem zu konstruieren, was beim Space Shuttle eingesetzt wird:

Die Startmasse beträgt so nur 2.609 t gegenüber 3.764 t bei der Ares V. Allerdings ist auch die Nutzlast deutlich kleiner: 71 anstatt 180 t in den Erdorbit. Das ist überproportional weniger. Woran liegt das?

Diskussion

Faktor 1 ist der Schub der Zentralstufe. Die sechs RS-68 hätten zusammen 21.270 kN Schub im Vakuum gebracht, die vier RS-25 liefern nur 9.280 kN Schub. Die Stufe wiegt knapp 80 % mehr, der Schub sinkt aber um fast 120 %. Das hat zwei Folgen. Als Erstes sind die Gravitationsverluste höher, denn die Zentralstufe brennt bei der SLS 461 s lang, bei der Ares V nur 303 s. Der Autor hat errechnet das man alleine durch den Einbau eines fünften Triebwerks die Nutzlast für Mondbahnen um 3 t oder mehr als 10 % erhöhen könnte. Den Platz gäbe es auch in der Stufe, aber man hat sich wohl bewusst für die kleinstmögliche Triebwerkszahl entschieden, um mit den vorhandenen Triebwerken möglichst lange auszukommen. Diagramm 1 zeigt den Einfluss auf die Beschleunigung. Je höher diese ist und je schneller sie ansteigt desto günstiger für die Rakete.

Die zweite unmittelbare Folge ist natürlich auch, dass der Schub diktiert, wie schwer eine Oberstufe sein darf, denn schon in diesem ersten Diagramm mit der leichten ICPS-Zweitstufe der SLS ist klar, das nach Abtrennung der Booster der Schub bei der SLS deutlicher einbricht als bei der Ares V. So ist die Möglichkeit eine schwere Oberstufe zu befördern limitiert.

Die Oberstufe war nicht Bestandteil der Konzeption. Die ersten Missionen werden mit einer modifizierten Delta IV Zweitstufe, abgekürzt ICPS (interim cryogenic propulsion stage) gestartet. Sie ist für diese Rakete natürlich völlig unterdimensioniert, wird sie schließlich schon auf der Delta 4 Medium also bei einer viermal kleineren Zentralstufe eingesetzt.

Für die Ares V war als Triebwerk das J-2X vorgesehen, ein J-2S das noch im Apolloprogramm entwickelt wurde,mit einer neuen Turbopumpe. Das durchlief auch sein Qualfikationsprogramm. Danach wurde das Programm beendet, nun wäre die Flugqualifikation gekommen. Für die Nachfolgestufe EUS wird man erneut auf die RL-10 zurückgreifen, nur eben vier Stück bei einer auch etwa viermal schweren Stufe, trotzdem nur halb so schwer wie die EDS der Ares V. Eine viel schwerere Stufe geht wegen des geringen Schubs der Zentralstufe und Oberstufe nicht, denn das würde voraussetzen, das die EUS sehr lange brennen würde, um einen Orbit zu erreichen – haben die vier RL10 doch nur 30 % des Schubs eines J-2X. Zugegeben ist natürlich auch die SLS insgesamt kleiner. Zudem passt das in die derzeitige Philosophie der Verwendung von Teilen, die es schon gibt. Offiziell verlautbarte, es wäre das J-2X zu schubstark, eine Argumentation, die ich nicht ganz teile, hatte die Saturn V doch in der S-VB bei ähnlicher Stufenmasse wie die EUS auch ein ähnlich schubstarkes Triebwerk.

Die Folgen sind hohe Gravitationsverluste, die sich im zweiten Diagramm an der langen Brennzeit und dem Anstieg der Aufstiegsbahn äußern. So wird auch mit der EUS nur 37 bis 39 t Nutzlast erreicht werden, das heißt, obwohl die Rakete nur 10 % leichter als eine Saturn V ist, verliert sie 20 % an Nutzlast. Man sollte ja meinen man könne nach 50 Jahren zumindest den technischen Stand von Apollo übertreffen …

Da auch 37 t zu wenig sind, wird es wohl mindestens zwei Starts geben (ein Mondlander ist ja noch nicht entwickelt), bei dem dann die kombinierte Masse 74 t erreicht, ähnlich viel, wie eine Ares V und Ares I erreichten. In noch fernerer Zukunft werden neue Booster die Nutzlast auf 45 t anheben. Das ist, weil Orion aber schon viel schwerer ist, (alleine das Kommandomodul wiegt doppelt so viel wie die Apollokapsel) nicht ausreichend für einen Single-Start. Wie diese Booster aussehen, weiß nicht mal die NASA. Ich denke alleine durch Verbesserung der Feststoffbooster (wie höherer spezifischer Impuls, CFK- anstatt Stahlgehäuse) wird man die Nutzlast die Block II ertreicehn soll nicht bekommen. Trotzdem denke ich wird man bei festen Treibstoffen bleiben, wahrscheinlich aber mit größeren Boostern.

Kostenfragen

Was erstaunt sind die Kosten der SLS. Das grundlegende Problem des SLS Programms ist es, das der Senat zwar der NASA die Schwerlastrakete aufs Auge gedrückt hat (die hatte nämlich nie einen Antrag gestellt), aber die Finanzierung gleichmäßig sein soll. Das Grundproblem: jedes Projekt dieser Größe hat Fixkosten, die recht hoch sind. Beim Space Shuttle lagen sie zuletzt bei 2.400 Millionen Dollar im Jahr – bei einem Gesamtetat von 3.200 bis 3.600 Millionen Dollar. So kam die SLS in den letzten 10 Jahren der Entwicklung (die Saturn brauchte nur sieben zwischen Beginn und Jungfernflug und man hatte anders, als bei der SLS, nichts auf das man zurückgreifen konnte) kaum voran. Die Daten für den Artikel habe ich aus der zweiten Auflage meines Buchs „US-Trägerraketen“. Das erschien 2016 und damals schreibe ich noch gemäß der damaligen Planung, dass die erste Mission 2018 stattfinden soll – inzwischen ist die auf November 2021 verlegt worden. (Ich wette es wird 2022…) Fortschritte sind aber kaum zu vermelden. Im Gegenteil. Derzeit werden die Teile der ersten Rakete ans Cape verschifft. Fertig sind sie schon lange, nur waren sie eben eingelagert.

Auch der Startpreis ist rekordverdächtig. Gut die NASA nennt offziell keinen Preis, doch in einem Brief nennt man 2 Millairden pro Start. Selbst bei der Nutzung des GDP-Chain Indexes, den die die NASA nimmt, um historische Daten in heutige Kaufkraft umzurechnen ist das teurer als eine Saturn V. (die Umrechnung historischer Ausgaben in heutige Kaufkraft ist nie ganz unproblematisch, doch die Kopplung an das Bruttoinlandsprodukts, wie es die NASA macht, ist der für den Autor ein schlechter Weg, denn das BIP steigt ja auch durch die Bevölkerung und als die Saturn entwickelt wurden hatten die USA nur ein Drittel der heutigen Einwohnerzahl). Obwohl Booster aus dem Shuttle Programm stammen und auch die Triebwerke für die ersten vier Starts ist ein Start also dreimal teurer als ein Space Shuttle, als das Programm auslief.

Inzwischen hat man 18 Milliarden für die SLS ausgegeben, dabei steht der Jungfernflug noch aus. Nur zum Vergleich: Ares I und V wurden eingestellt, weil die endgültigen Kosten, bei 40 Mrd. liegen sollten. Gut das klingt erst mal doppelt so hoch, doch von den 40 Mrd. hatte man schon 12 aufgewendet und es betrifft zwei Raketen, die Ares V hatte zudem mit doppelter Nutzlast der SLS. Ich glaube man wäre mit der Ares V auf lange Zeit besser gefahren, denn die Rakete wäre dann zwar teurer, aber fertig. Bei der SLS muss die EUS und Block 2 Booster ja erst noch entwickelt werden und selbst dann kommt sie nie und nimmer auf die Nutzlast der Ares V, nicht mal der Saturn V.

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