Mit nur einem SLS Start zum Mond

Die SLS steht ja ziemlich in der Kritik – sie hinkt seit Jahren dem Zeitplan hinterher, sei zu teuer, man munkelt von 2 Mrd. Dollar pro Start (inflationsjustiert sogar noch teurer als eine Saturn V). Für mich sind das Symptome eines verkorksten Ansatzes. Er stimmte schon beim Vorgängerprogramm „Constellation“ das von George Walker Bush initiiert wurde, nicht. Das sollte alleine durch das Einstellen des Space Shuttles und der ISS finanziert werden, was angesichts der Kosten eines Mondprogramms nicht ausreichte. So hatte der Mondlander „Altair“ noch nicht mal die Designphase durchlaufen und auch die Arbeiten an den beiden Trägerraketen Ares I und V waren noch nicht sehr weit fortgeschritten als es Obama 2012 einstellen lies.

Aber so richtig eingestellt wurde es nicht. Die Orion überlebte und aus der Ares V entstand die SLS. Während bei der Orion wie Weiterentwicklung normal weiterging, wenn auch mit geringeren Mitteln und man sogar eine Lösung mit der ESA fand, die das Servicemodul entwickelt und damit ihre ISS-Nutzung ausgleicht, hat man bei der SLS ein neuartiges Finanzierungsmodell entwickelt, das aber nicht funktionierte.

Klassische Raumfahrtprojekte haben einen Finanzbedarf, der in etwa der Silhouette entspricht, die ein Berg hat – es geht zuerst langsam nach oben, dann steil, dann gibt es einen Gipfel und von dem Punkt sinken die Aufwendungen wieder. Die NASA hat verstanden, dass es egal wer im weißen Haus sitzt, es schwierig ist einige Jahre lang erheblich mehr Geld als in den Jahren zuvor zu bekommen, um diesen Spitzenbedarf zu decken. Das wäre die Folge des klassischen Modells. Etwas mehr geht. Also sollte die SLS mit einer konstanten Finanzierung auskommen. Von anderen Raumfahrtprojekten, die länger dauerten als geplant, weiß man aber das diese problemlos jahrelang auf Eis liegen können und trotzdem erhebliche Summen pro Jahr kosten, ohne das überhaupt etwas passiert. So verwundert es nicht, dass der Jungfernflug der SLS ständig nach hinten rutscht, sie pro Jahr aber viel Geld kostet.

Für die Startkosten maßgeblicher ist, dass derzeit nur ein Start alle zwei Jahre geplant ist. Zum Vergleich: Die Saturn V Produktion war auf fünf Starts pro Jahr ausgelegt, mit der Rate wurden die Träger auch gefertigt und dann die Produktion eingestellt, lange bevor die letzte Apollo startete. So muss man aber die Fixkosten für eine Produktion zahlen, die nur alle zwei Jahre einen Träger hervorbringt. Die Leute einfach entlassen kann man schlecht, denn wenn man sie wieder braucht, sind sie dann weg und haben woanders eine Arbeit gefunden. Doch Abhilfe für dieses Dilemma ist nicht in Sicht.

Das eigentliche Thema für den Blog ist aber, dass die SLS zu klein für eine Mondmission ist. Bei Apollo lag die theoretische Maximalnutzlast bei 49,5 t in eine Mondtransferbahn. Die SLS wird mit einer noch nicht verfügbaren Oberstufe (EUS zwischen 37 und 39 t transportieren. Dabei ist heute alles schwerer: die Orionkapsel wiegt trocken 9,3 t, das Apollo CM noch 5,6 t. Eine Lösung für die NASA war, dass man am Mond keinen 100 km hohen Orbit anstrebt, sondern den Halo Orbit. Das reduziert für die CSM-Kombination die Menge an Treibstoff die benötigt wird, dafür benötigt der Mondlander entsprechend mehr. Neues Element ist eine kleine Raumstation, deren Nutzen ich nicht sehe, die dafür aber weitere Kosten aufwerfen wird.

Ich will heute untersuchen, ob eine SLS mit einem zweiten Start einer kleineren Rakete aus dem US-Arsenal nicht doch eine Mondmission durchführen kann, denn derzeit wird sie auch mit EUS Oberstufe keinen Mondlander auch nur bis zum Haloorbit bringen können.

Das grundsätzliche Konzept ist nicht neu. Es war schon bei Ares I und V zur Nutzlaststeigerung angedacht. Damals sollte eine Ares I die Orion in einen Erdorbit bringen. Die Ares V dann den Mondlander. Im Erdorbit koppeln beide und die Oberstufe der Ares V zündet erneut und bringt das Gespann zum Mond.

Die Nutzlaststeigerung kommt dadurch zustande, dass die Ares V das Gewicht der Orion nicht in einen Erdorbit bringen muss. Sie hat so mindestens so viel Treibstoff mehr an Bord wie die Orion wiegt, wenn sie im Erdorbit angekommen ist, und kann eine höhere Nutzlast zum Mond bringen. Bei Ares I+V Kombination waren es nach NASA-Angaben 71,1 t zum Mond, ohne Ares I noch 62,8 t. Das brachte also 8,3 t mehr Nutzlast.

Heute würde man es anders machen. Eine kommerzielle Rakete startet zuerst den Mondlander und dann folgt die bemannte SLS. Die Reihenfolge ist umgedreht, weil keine kommerzielle Rakete der benötigten Nutzlast qualifiziert für einen bekannten Start nach NASA Kriterien ist. Zudem dürfte der Mondlander das schwerere Element sein und so mehr Treibstoff für eine Mondmission übrig lassen.

Ich habe das simuliert und komme, wenn die SLS mit einer voll beladenen Orion (26,5 t Masse) nnur in den Erdorbit startet auf 73 t Resttreibstoff. Die EUS wiegt in meiner Simulation 15,5 t trocken und die RL-10C habe ich mit 4520 m/s spezifischen Impuls angenommen. Bei 38 t nomineller Mondnutzlast gelangen so real 53.5 t auf die Transferbahn. Die hat ein dV von 3150 m/s relativ zu einer niedrigen Erdumlaufbahn, was bei dem spezifischen Impuls von 4520 einem Masseverhältnis von etwa 2 entspricht (genau e(3150/4520)). Das heißt, die Hälfte der Masse im Erdorbit landet als Nutzlast in der Transferbahn. 73 t Treibstoff sollten also 73 t Nutzlast in der Mondtransferbahn entsprechen. Von diesen 73 t gehen die 26,5 t für Orion und 15,5 5 t für die Stufe ab, so bleiben noch 31 t für einen Mondlander. In der Praxis wird es weniger sein, denn man benötigt ja noch Treibstoff um an den Mondlander zu koppeln und es gibt bei einer Stufe wie der EUS mit geringem Schub hohe Gravitationsverluste. Immerhin sind 31 t aber ein komfortables Polster für einen Mondlander, denn der muss aus dem Haloorbit genau die Geschwindigkeit zusätzlich aufwenden, die Orion einspart und zwar sowohl beim Abstieg wie Aufstieg. Ich hatte mal für den Apollo-Mondlander für diesen Orbit so eine Masse von 27,5 t abgeschätzt. Allerdings denke ich wird der neue Mondlander sich deutlich von dem unterscheiden. So lasse ich mal die Spekulationen sein, ob es reicht.

Es gibt aber noch eine andere Einschränkung: Der Treibstoffvorrat der Orion. Die Orion hat 8,6 t Treibstoff bei 26,5 t Startmasse. Das ist wenig. Bei Apollo waren es bei etwas mehr als 30 t Startmasse noch über 18 t Treibstoff. Nach NASA Angaben braucht sie 840 m/s, um in den Halo Orbit und zurückzukommen. Beim Hinflug aber mit dem Mondlander – ich habe hier nur mal 28 t als dessen Gewicht angenommen um Luft für Reserven, Verluste und Koppelmanöver zu haben. Bei einem angenommenen spezifischen Impuls von 3100 m/s (etwas geringer als bei der aktuellen Version) des Aj-10 werden von den 8,6 t nutzbaren Treibstoff aber schon 6,9 t für das Erreichen des Halo Orbits benötigt. Der Rest reicht dann nur noch für 280 m/s Geswchwindigkeitsänderung. Die Lösung wäre es die Tanks leicht zu vergrößern. Viel mehr wird nicht benötigt, mit einer Tonne mehr Treibstoff käme man hin, der Mondlander müsste dann um diese Tonne leichter werden.

Das Konzept hat Vor- und Nachteile. Ein Vorteil ist das man anders als bei Ares I+V für den zweiten Start viel Zeit hat, zumindest wenn der Mondlander lagerfähige Treibstoffe hat (Blue Origins Mondlander soll kryogene Treibstoffe einsetzen). Bei der Ares I+V Kombination startete die Ares V zueerst und so musste der kryogene Treibstoff der letzten Stufe Tagelang flüssig bleiben, was eine aufwendige Isolation und Verdampfungsverluste bedeutete. Als Nachteil müsste der Mondlander die Ankopplung durchführen, da die Orion ja noch mit der EUS verbunden ist und auch verbunden bleiben muss. Doch angesichts dessen das automatisches Ankoppeln seit Jahren von ATV und Progress praktiziert wird und inzwischen auch bei bemannten US-Vehikeln der Standard ist, sehe ich da keine großen Hindernisse.

Im Prinzip könnte man sogar auf die SLS verzichten, sofern man Vehikel hat, die mindestens das schwerste Element voll befüllt in einen Erdorbit bringen und das kann jetzt schon die Falcon heavy und Delta 4H in einigen Jahren kommen Vulcan Heavy (max. 34,9 t) und New Glenn (max. 45 t) hinzu. Die Lösung ist es dann die einzelnen Elemente getrennt zu starten – man hat ja eh das Lunar Gateway als gemeinsamen Treffpunkt im Halo Orbit und mit jeweils eigenen Stufen langsam dorthin zu bekommen. Das wäre dann so eine Art Zwitter zwischen einem unbemannten Transporter und einer Raketenstufe. Wenn ich das ATV als europäische Lösung nehme, wäre das z.B. das Servicemodul, bei dem man den Koppeladapter und Sensoren vom Cargobehälter angebracht hat. Der Cargobehälter entfällt. Dagegen hat das Servicemodul mehr Treibstoff und ein größeres Triebwerk. Wahrscheinlich bräuchte man pro Start zwei dieser Stufen. Die erste bringt die Nutzlast in einen höheren, elliptischen Orbit, die zweite zum Mond und schwenkt dort in den Haloorbit ein. Eine Mondmission würde dann sechs Starts von kommerziellen Vehikeln erfordern (vier Transferstufen, je ein Start von Mondlander und Orion. Es sind dann eben auch sechs Kopplungsvorgänge nötig, allerdings alle in einem Erdorbit, das wird beherrscht. Der einzige Nachteil ist das drei der Starts zeitlich eng erfolgen müssen – der bemannte der Orion und dann den der von zwei Stufen um die Orion zum Mond zu bringen, die Besatzung soll ja nicht monatelang im Erdorbit bleiben (auf die erste Stufe könnte sie aber auf der ISS warten). Doch da die NASA dann ja drei Launch Service Anbieter hat, sollte das kein Problem sein. Billiger als zwei SLS-Starts, die sonst nötig wären, wird es in jedem Falle sein. Nimmt man erneut das ATV als Maßstab für die kosten der Stufe – es kostete 280 Mill. Euro pro Exemplar (bei einem pro Jahr, bei sechs Exemplaren in zwei Jahren (SLS-Planung) eher weniger) dazu käme noch der Start der Rakete. Wenn der unter 315 Millionen Dollar pro Stück liegt, wäre die Lösung billiger als die SLS.

Allerdings hat das für die NASA einen Riesennachteil: es ist nicht so cool. Menschen, die auf einer SLS, einer riesigen Rakete starten und dann gleich zum Mond aufbrechen, machen viel mehr her, als wenn sie erst in einen Erdrorbit oder ISS gelangen, dann warten, bis eine Stufe gestartet wird, den Orbit nachdem dann erneut warten und dann erst zum Mond gelangen. Meiner Ansicht nach ist das Lunar Gateway, das für die Forschung ja auch nichts bringt auch nur aus dem Grund designt worden. Es ist eben etwas Neues. Die einzige wirklich nötige Funktion, das es auch Kommunikationsrelais dient, hätte auch ein Satellit erfüllen können, wie China schon demonstrierte.

One thought on “Mit nur einem SLS Start zum Mond

  1. „Das eigentliche Thema für den Blog ist aber, dass die SLS zu klein für eine Mondmission ist.“

    Das eigentliche Problem ist aus meiner Sicht, dass man weiterhin nicht weiß was man auf dem Mond eigentlich will.
    Wenn ich nur Proben nehmen will, ist alles viel zu groß, ein unbemannter Mondlander braucht das nicht.
    Will man aber wirklich auf den Mond und da auch sinnvoll bleiben, dann reicht nichts von dem aus. „Sinnvoll“ definiere ich jetzt mal, dass da nicht nur eine kleine ISS auf der Mondoberfläche plant. Dann bräuchte man aber mehrmals im Jahr Nutzlasten, die 100+ Tonnen bedeuten.

    So bleibt man eben sitzen auf Missionen, die keine sinnvolle Größe haben. Und wenn ich keine sinnvollen Missionen habe, kann ich dazu auch keine Rakete designen.

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