Bernd Leitenbergers Blog

Nachlese zum SN8 Start

Wie bekannt hat SpaceX wieder mal zwei Prototypen zerstört, oder RUD wie das Musk so gerne nennt. Den einen SN8 beim Test der Landung des Starships, der zweite, SN9 ist schlicht und einfach im Hangar umgefallen. Zumindest dies sehe ich nicht als „iterativen Ansatz“ wie SpaceX-Fans gerne verharmlosend jeden Misserfolg erklären. Vielmehr als ein Indiz dafür das in der Firma auch nach fast zwanzig Jahre an noch elementaren Dingen scheitert, wie ein Standplatz der nicht kollabiert. Wenn ich richtig rechne, sind von den ersten neun Prototypen nun sechs zerstört.

Also zuerst mal eine Zusammenfassung vom Start:

Der Grund für den Artikel war eigentlich, dass ich mit dem Test die Trockenmasse des Starships errechnen wollte. Doch das geht nicht, wie ich noch erläutern will. Einige Dinge, die man schon ohne Rechnung sieht:

Das Starship startet langsam, benötigt etwa 8 Sekunden, nach T-0 um seine eigene Höhe (50 m) anzusteigen. Nach s= ½ a t² errechnet so man eine Startbeschleunigung von etwa 1,5 m/s.

Trotzdem braucht man auch bei dieser langsamen Beschleunigung und dem Abschalten von Triebwerken sehr lange um 12,5 km Höhe zu erreichen. In der Höhe haben Raketen normalerweise ihre Zone von MaxQ und die wird nach 60 bis 80 Sekunden, abhängig von der Startbeschleunigung erreicht und nicht erst nach über 280 Sekunden. Immerhin: hätten die Triebwerke 2.000 kN Bodenschub (2.200 kN Vakuumschub) so würde bei diesen Brennzeiten bei 140 t Trockenmasse des SN8 diese Startbeschleunigung resultieren. Ein einsatzfähiges stärship würde natürlich mehr wiegen, denn es hätte sechs anstatt drei Triebwerke und der Thermalschutz fehlt auch. Der genaue Schub der Triebwerke ist nicht bekannt. SpaceX spricht inzwischen ja von dem Designziel 2.500 kN. 2.210 kN wurden bei einem Test aber schon erreicht. Ich habe, weil offen ist, ob es Vakuum- oder Bodenschub ist. noch 10 % abgezogen, weil bei 2210 kN Schub die Diskrepanzen zwischen Simulation und Wirklichkeit noch größer werden. Man kann jedoch eine Obergrenze angeben: Bei 2.200 KN Schub am Boden pro Triebwerk darf das Starship mit Landetreibstoff nicht mehr als 194 t wiegen. Und vom vorherigen 150 m Test, der nur mit einem Triebwerk stattfand, wissen wir das Starship+Treibstoff x Erdbeschleunigung < Schub eines Raptors sind.

Simuliere ich dies (siehe Angaben im Anhang), so ist allerdings die Rakete zu Brennschluss in 167 km Höhe und steigt noch bis auf 254 km Höhe auf. Die 12,5 km Höhe hat sie schon nach 94 Sekunden erreicht. Diese Diskrepanz bekommt man auch nicht mit Anpassungen von Schub und spezifischem Impuls weg. Bei einer Trockenmasse von 110 t (+10 t bei einem einsatzfähigen Starship für Thermalschutz und drei Triebwerke) ergibt sich bei einem spezifischen Impuls von 3150 m/s und 2.000 kN Vakuum und 1.800 kN Bodenschub. Doch auch dann sind nach 93 s die 12,5 km Höhe erreicht und die Gipfelhöhe beträgt dann sogar 313 km.

Der zweite Ansatz für die Berechnung der Trockenmasse ist die Abbremsung. Man kann davon ausgehen, das der Bordcomputer das Starship dann dreht, wenn die Höhe erreicht ist, in der es die Restgeschwindigkeit selbst abbauen kann. Die Landung klappte nicht, würde wohl länger als die 10 Sekunden dauern. Auch hier kann man eine Abschätzung machen. Je nach Masse, cw-Wert und Fläche errechne ich eine maximale Fallgeschwindigkeit aus 12,5 km Höhe von 100 bis 120 m/s. Diese Geschwindigkeit müsste das Starship abbauen, wobei pro Sekunde Betriebszeit der Triebwerke noch rund 10 m/s hinzukommen durch die Erdbeschleunigung. Da die Triebwerke erst 2 Sekunden vor dem Aufschlag ausfallen, kommt durch den Ausfall nicht viel dazu. Nehmen wir 10 Sekunden geplante Abbremszeit an, schließlich wird beim Drehen auch schon vertikale Geschwindigkeit abgebaut, dann müsste das Vehikel um 22 m/s pro Sekunde abgebremst werden, was bei obigen maximalen 194 t rund 4.400 kN Schub entspricht, also dem Schub von zwei Triebwerken. Bei einer niedrigeren Masse würde dann sogar ein Triebwerk ausreichen. So denke ich auch das das Abschalten der ersten beiden Triebwerke geplant war. Das letzte Triebwerk brannte dann durch, weil in einem „Header Tank“ der Druck zu gering war. Die grüne Flamme – Indiz, das nun die Kupferbeschichtung auf den Brennkammerröhren verbrennt, spricht dafür das kein oder zu wenig Methan gefördert wird. Die Headertanks sind Tanks nur mit dem Landetriebstoff. Wenn das Triebwerk aber läuft, kann der zu geringe Druck im Tank eigentlich kein Problem sein, denn dann saugt die Turbopumpe den Treibstoff aktiv an. Eher ist der Treibstoff ausgegangen. Die grüne Flamme, die dann kommt ist zwar beeindruckend, aber sie hat nur einen Bruchteil des Schubs, der nominell resultieren würde, entsprechend fällt SN8 praktisch ungebremst auf den Boden und explodiert – es dürfte wohl noch Treibstoff in den Haupttanks gewesen sein. Rechnet man mit 9 Sekunden Betrieb aller Triebwerke und 4 Sekunden mit einem Triebwerk, so sind bei 2.200 kN Vakuumschub und einem spezifischen Impuls von 3.240 m/s (nach Wikipedia) bei meiner angenommenen Masse vom 145 t rund 21 t Treibstoff zum Landen nötig. Das sind rund 438 m/s Geschwindigkeitsänderung. Bei einem schweren Vehikel entsprechend weniger. Wobei alleine 130 m/s auf die Erdgravitation und 120 m/s für das Drehen entfallen. Das lässt 150 m/s für das Abbremsen übrig, etwas höher als die Fallgeschwindigkeit von 105 bis 120 m/s. Das lässt den Rückschluss zu das die 145 t Masse meiner Annahme eher unterhalb des tatsächlichen Gewichts sind. Bei minimaler Fallgeschwindigkeit errechnet sich damit eine Maximalmasse ohne Treibstoff von 184 t, bei maximaler Fallgeschwindigkeit etwa eine von 173 t.

Das größte Rätsel ist aber die lange Flugdauer. Wie die Diagramme zeigen, steigen die Beschleunigung und die Geschwindigkeit trotz Abschalten von Triebwerken laufend an. Sie liegen immer über 1 g. Die einzige Erklärung, die ich habe, ist das die Treibwerke herunterreguliert werden. Die Merlins sind ja auch im Schub senkbar und Tests, der Raptors am Boden erfolgten bei unterschiedlichem Brennkammerdruck. Auch die Videoaufnahmen zeigen, dass das Vehikel am Schluss praktisch kaum Höhe gewinnt. Es würde sonst im Bild der Bodenkamera kleiner werden und der Blick nach unten müsste immer mehr Umgebung zeugen. Zudem muss es praktisch keine Überschussgeschwindigkeit haben, sonst ginge es nicht nach Brennschluss des letzten Triebwerks sofort in den Fall über. Ich vermute man wird sobald eine bestimmte Höhe erreicht ist die Triebwerke herunter geregelt werden, dass die Beschleunigung gering oder Null ist, solange bis genug Treibstoff verbraucht ist, um eine realistische Landung zu simulieren. Der dauernde Betrieb der Triebwerke mit so geringem Schub – eigentlich eine Verschwendung von Treibstoff, man hätte auch kurz beschleunigen können, bis man eine Wurfparabel mit dem gewünschten Scheitelpunkt erreicht hat, hat meiner Ansicht nach den Sinn die dauernde Kontrolle über das Flugverhalten zu haben. Beim Fallen muss aktiv nachgeholfen werden, wie die Aufnahmen von Abgastrahlen zeigen, denn bei fast leeren Tanks liegt natürlich der Schwerpunkt hinten, bei den Triebwerken und ohne aktive Steuerung würde sich die Rakete so drehen, dass der Luftwiderstand minimal und nicht maximal wie beim Test ist. Sie würde also nicht horizontal, sondern in vertikaler Position fallen.

Als weiteres Ereignis bricht direkt nach dem Brennschluss des ersten Triebwerks für kurze Zeit ein Brand im Heck aus. Als ich übrigens schauen wollte, ob etwas über eine Schubreduktion, der Raptors im mageren „Starship Users Guide“ steht, der erst im April publiziert wurde, stellte ich fest, dass der Link tot ist, bzw. man umgeleitet wird. Bin ja auf den nächsten gespannt.

Über den Erfolg kann man diskutieren. Musk hat ja die Erwartungen schon im Vorfeld gesenkt und davon gesprochen, das die Chance für eine erfolgreiche Landung ein Drittel ist. Nach dem Test war er begeistert und freute sich über den RUD – man habe ja alle Testdaten. Das ist eine Sicht. Ich habe eine andere. Wenn der Erfolg eines Tests nur 1:3 ist, würde ich ihn nicht machen und schlussendlich geht erneut ein Prototyp verloren, der zusätzliche Kosten und Zeitverzug bedeutet – wäre die Landung erfolgt, könnte man ihn für weitere Tests nutzen, für die man nun einen neuen Prototyp bauen muss. Zudem könnte man ihn inspizieren. Feststellen, ob etwas beschädigt ist, was das Feuer im Heck verursachte und welchen Schaden es anrichtet, in weichem Zustand die Triebwerke sind, etc. All das ist nicht mehr möglich. Vor allem zeigte dieses Jahr mit vier anderen explodierten Prototypen, ja das der Verlust dieser Prototypen das Programm nur aufhält, denn für dieses Jahr hat uns ja Musk schon den ersten orbitalen Testflug versprochen und dieser Test war vor einem Jahr noch für das Frühjahr angesetzt, man hat in sechs Monaten also rund neun Monate Zeit verloren. Vor allem zeigt der umgestützte SN9 Prototyp, dass diese Vorgehensweise nichts mit iterativer Entwicklung zu tun hat, sondern mit mangelnder Sorgfalt oder Erfahrung. Ich kann mich nicht an irgendein Ereignis erinnern, bei dem eine Rakete auf der Startplattform umfiel – blamabel wäre es, wenn die Plattform daran schuld ist (ist auf den Fotos leider nicht zu erkennen), denn das hat ja nun gar nichts mit Raketenbau zu tun, sondern ganz normaler Konstruktion, einfache Statik wie auch Brücken oder Häusern. Es kann auch sein, das der Prototyp selbst nachgab, bei den Triebwerken eingeknickt ist. Zumindest das ist schon einmal vorgekommen: Am 11.5.1963 versagt die Druckbeaufschlagung des Sauerstofftanks einer Atlas Agena D, die Atlas kollabiert durch das Gewicht der Nutzlast und Oberstufe und beide stürzen zu Boden. Das wird Musk sicher ärgern, hat er doch sonst das Bestreben neue Rekorde und Erstleistungen aufzustellen. Das hat er dieses Jahr ja geschafft, indem er die meisten Explosionen von Raketen bei Bodentests hatte, die es jemals gab. Vielleicht war daher auch der Aufschlag von SN8 pure Absicht ….

Rakete: Starship Test

Startmasse
[kg]
Nutzlast
[kg]
Geschwindigkeit
[m/s]
Verluste
[m/s]
Nutzlastanteil
[Prozent]
Sattelpunkt
[km]
Perigäum
[km]
Apogäum
[km]
530.433 0 7.897 -3.887 0,00 170,00 300,00
Startschub
[kN]
Geographische Breite
[Grad]
Azimut
[Grad]
Verkleidung
[kg]
Abwurfzeitpunkt
[s]
Startwinkel
[Grad]
Konstant für
[s]
Starthöhe
[m]
Startgeschwindigkeit
[m/s]
6.000 28 90 0 94 90 500 10 0
Stufe Anzahl Vollmasse
[kg]
Leermasse
[kg]
Spez. Impuls (Vakuum)
[m/s]
Schub (Meereshöhe)
[kN]
Schub Vakuum
[kN]
Brenndauer
[s]
Zündung
[s]
1 1 68.581 1 3.240 2000,0 2200,0 101,00 0,00
2 1 131.050 1 3.240 2000,0 2200,0 193,00 0,00
3 1 330.802 140.000 3.240 2000,0 2200,0 281,00 0,00

 

Simulationsvorgaben

Azimuth Geografische Breite Höhe Startgeschwindigkeit Startwinkel Winkel konstant
90,0 Grad 28,3 Grad 10 m 0 m/s 90 Grad 500,0 s
Abbruch wenn ZielApo überschritten
Perigäum Apogäum Sattelhöhe
Vorgabe 0 km 300 km 170 km
Real -6.340 km 314 km 170 km
Inklination: Maximalhöhe Letzte Höhe Nutzlast Maximalnutzlast Dauer
70,8 Grad 188 km 188 km 0 kg 6 kg 280,9 s
Umlenkpunkte
Zeitpunkt
Winkel

Wichtige Aufstiegspunkte

Bezeichnung Zeitpunkt Höhe: Dist: v(x): v(y): v(z): v: Peri: Apo: a:
Start 0,0 s 0,01 km 0,0 km 410 m/s 0 m/s 0 m/s 0 m/s -6378 km -6378 km 1,6 m/s
Verkleidung 94,0 s 12,96 km 0,0 km 389 m/s 412 m/s 0 m/s 566 m/s -6372 km -719 km 8,4 m/s
Brennschluss 1 101,0 s 15,70 km 0,0 km 387 m/s 474 m/s 0 m/s 612 m/s -6372 km -714 km 9,5 m/s
Brennschluss 2 193,0 s 77,57 km 0,4 km 362 m/s 1219 m/s 0 m/s 1272 m/s -6372 km -592 km 14,6 m/s
Sim End 280,9 s 187,58 km 2,3 km 342 m/s 1687 m/s 0 m/s 1721 m/s -6372 km -406 km 9,0 m/s

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