Bernd Leitenbergers Blog

Wiederverwendung

Nachdem in den Kommentaren immer wieder der Hinweis auf die Wiederverwendung der Falcon 9 und die große Errungenschaft hervorgehoben wird, nehme ich mich des Themas erneut an. Das ist nicht neu, das habe ich schon vor Jahren getan.

Um das Thema zuerst mal allgemein zu behandeln, will ich Wiederverwendung mal zuerst woanders beleuchten. Ich fange mal mit Flaschen an, weil wir hier alle drei Formen der Wiederverwendung und nicht Wiederverwendung haben.
Bei Flaschen gibt es bei uns drei Systeme sie wiederzuverwerten oder eben nicht:

Keine Wiederverwendung

Es gibt etliche Plastikflaschen, die man nicht wieder abgeben kann. Sie landen dann im Hausmüll und werden verbrannt oder mit diesem recycelt. Der Normalfall ist aber die „thermische Verwertung“. Das mag der eine oder andere als Wiederverwendung ansehen. Bedenkt man den Aufwand, um aus Erdöl aber erst mal die Flasche zu produzieren, nutzt man nur einen Bruchteil der Energie aus die ursprünglich im Erdöl steckte.

Teilweise Wiederverwendung

Bei Flaschen gibt es auch die stoffliche Wiederverwendung. Das bedeutet. Die Flasche überlebt die Wiederverwendung nicht, aber ihr Material wird wiederverwendet. Das ist der Normalfall bei allen Plastikflaschen mit Pfand bei dem der Kunststoff geschreddert, gesammelt wird und nach Reinigung wieder in neuen Flaschen landet. Analog werden Nicht-Pfand Glasflaschen wiederverwendet. Die gibt man im Altglascontainer ab, wo schon beim Einwerfen die Flasche zu Bruch geht. Berücksichtigt man den Aufwand alleine den Rohstoff herzustellen, so ist das erheblich besser als keine Wiederverwendung, wenngleich bei Glas wegen der hohen Temperaturen um Glas wieder aufzuschmelzen die Bilanz nicht so toll ist.

Vollständige Wiederverwendung

Nun ja fast vollständig – Etikett und Verschluss gehen immer noch verloren. Das ist die Regel bei Glasflaschen mit Pfand, die man wieder meistens im Kasten zum Getränkemarkt zurückbringt. Beim Hersteller werden die Flaschen gereinigt, mit Natronlauge desinfiziert und die Reste des Etiketts abgetrennt und dann erneut befüllt. Das ist das Optimum.

So etwas Ähnliches ist auch bei Raketen denkbar. Keine Wiederverwendung ist der Normalfall. Oftmals werden die Stufen sogar aktiv zerstört, damit sie nicht mit leeren Tanks auf dem Meer schwimmen und ein Hindernis und eine Gefahr für die Schifffahrt darstellen.

Die partielle Wiederverwendung gibt es in der Raumfahrt auch. Die Space Shuttle SRB landeten an Fallschirmen im Meer. Vorher wurde aber die Düse abgesprengt. Sie musste jedes Mal neu gebaut werden. Im Prinzip ist die Frage, was partielle Wiederverwendung? natürlich eine Definitionsfrage. Ich definiere sie so, dass der verlorene Teil einen signifikanten Teil der Kosten darstellt und das sind die beweglichen Düsen bei einem Feststoffantrieb. Natürlich muss man auch bei vollständiger Wiederverwendung immer etwas ersetzen, und sei es nur den Anstrich, doch das fällt bei dieser Definition dann eben nicht so ins Gewicht. Als weiteres Beispiel für eine partielle Wiederverwendung gelten die Pläne von ULA die Triebwerke der Vulcan einmal wiederzuverwenden, wobei meiner Ansicht nach offen ist, ob es dazu jemals kommt. Es ist zumindest relativ ruhig zu diesem Thema geworden.

Die vollständige Wiederverwendung finden wir beim Space Shuttle Orbiter, Buran, bei der Falcon 9 und geplant war es mal für die Booster der Energija, Block A.

Es ist ja nicht so, dass man das Thema erst mit SpaceX entdeckt hat. Schon 1959 plante das MSFC die Redstone, mit der die Mercurykapseln starteten wiederzuverwenden. Es gab auch Tests in denen man einen Booster aus der Höhe in ein Becken fallen lies. Die Auftreffgeschwindigkeit sollte dabei der einer Stufe an einem Fallschirm entsprechen.

Später untersuchte die NASA das bei der ersten Stufe der Saturn V. Aus dem Konzept entstand dann auch ein Entwurf für das Space Shuttle, das geflügelte Stufen vorhersah die zum Startort zurückkehrten.

Die ESA untersuchte das ebenfalls. Bei Ariane 1 zuerst durch Versuche im Windkanal, bei dem sich zeigte das die Rakete dazu neigte sich zu überschlagen, Finnen wie heute gab es bei der Stufe ja noch nicht. Beim Start von Giotto hat man es auch praktisch ausprobiert, verlor aber die Stufe.

Bei Ariane 5 wurden anfangs die Booster geborgen, nachdem sie an Fallschirmen niedergingen. Allerdings nur zur Inspektion, um die Fertigung und Zuverlässigkeit zu verbessern. Die erneute Verwendung so fand man lohnt sich betriebswirtschaftlich nicht. Nachdem man genügend Erfahrungswerte hatte, wurde dies inzwischen eingestellt.

Die technische Seite

Je komplexer ein Gerät ist, desto eher sollte man meinen, lohnt es sich es wiederzuverwenden. Trotzdem sehen wir im täglichen Leben, das es meist anders geht. Autos werden verschrottet, und zwar mit einer Müllpresse. Dabei wäre sicher noch ein Teil wiederverwendbar gewesen. Dasselbe gilt für Flugzeuge. Deren Anschaffungskosten liegen auch in dem Bereich den Raketen kosten. Man kann in der Praxis die technische Seite nicht von der betriebswirtschaftlichen Seite trennen. Bei Autos wie Flugzeugen sinkt der Wert mit jedem zurückgelegten Kilometer, irgendwann ist das Gefährt dann betriebswirtschaftlich nichts mehr wert und wenn es dann durch den TÜV/Flugzeuginspektion fällt, wird es meist verschrottet, auch wenn die Kosten für eine Reparatur viel geringer als ein Neukauf sind. Nimmt man dieses Kriterium, das ja Verfechter der Wiederverwendung anführen, dann würde man wohl kaum ein Auto ganz verschroteten sondern immer nur Teile ersetzen.

Im täglichen Leben regiert inzwischen die Obsoleszenz: Geräte werden nicht so entworfen, das man sie reparieren kann, sondern genau das verhindert, oft gekoppelt an eine künstlich beschränkte Lebensdauer, indem z.B. bewegliche Teile von Mixern oder Hochdruckreinigern aus Plastik anstatt Metall hergestellt werden und so schnell verschleißen. Es gibt dafür auch einen Grund: die Kosten und der Aufwand zum Nutzen. Bei Konsumartikeln kann man an dem richtigen Verhältnis zweifeln, hier steht vor allem die Absicht des Herstellers bald ein Nachfolgegerät zu verkaufen im Vordergrund – selbst bei hochpreisigen, wie Smartphones, die nicht wechselbare Akkus haben. Doch auch in anderen Bereichen ist Wiederverwendung nicht gewünscht. Bei Rennwagen gilt als Optimum, das der Rennwagen es genau über die Ziellinie schafft – es wird für das nächste Rennen sowieso ein neuer gebaut, und wenn er länger lebt, so hat er nur Reserven gehabt, die man nicht benötigte und die letztendlich für totes Gewicht stehen, das die ganze Zeit mit transportiert wird und eventuell eine gute Platzierung verhindert hat.

Ein anderer Aspekt, selbst bei nicht geplanter Obsolenz kennt jeder, der ein altes Gerät reparieren lasen will. Anders als bei der Herstellung wo alles automatisiert ist, muss man nun den Handwerker pro Stunde bezahlen. Daneben (das dürfte bei Raketen wohl eher nicht zutreffen) verlangen die Hersteller für Ersatzteile oft horrende Summen.

Das alles nur zur Erläuterung und als Beispiele das Wiederverwendung sich nicht immer lohnt. Es gibt natürlich deutliche Unterschiede zu den obigen Fällen:

Raketen sind keine Massenprodukte, sie werden in kleinen Stückzahlen gebaut mit einem hohen Anteil an Arbeitsleistung.

Der normale Einsatzzweck sieht gar keine Wiederverwendung vor. Strebt man diese an, so hat man völlig neue Anforderungen an die Rakete.

Fangen wir mit dem letzten an. Ziel sollte es natürlich sein, das die zusätzlichen Belastungen klein sind. Ich denke ein großer Negativpunkt bei den frühen Versuchen war, das man plante, die Stufe per Fallschirm zu landen. Dann trifft sie mit hoher Geschwindigkeit auf das Meer auf. Meerwasser ist korrosiv und es tut Triebwerken die noch vom Betrieb sehr heiß sind, nicht gut in Meerwasser getaucht zu werden. Die Tanks von Raketen sind so dünn, wie möglich mit geringen Toleranzen gegenüber Mehrbelastungen. Typisch 25 %. Das heißt, sie sind einer maximalen Druckbelastung von wenigen Bar ausgelegt. Ein Tank für eine Flüssigkeit mit Dichte 1 wog schon in den Achtzigern nur 1/75 des Inhalts. Selbst eine PET-Flasche liegt da erheblich schlechter. Auch solchen Tanks tut es nicht gut, wenn sie zuerst beim Abstieg stark abgebremst werden und sich erhitzen (Druck, Temperatur) und dann bei dem Aufschlag ins Meer abrupt abgebremst werden. Es gibt Beispiele, wo Tanks schon beim Aufstieg kollabierten und als man Anfang der 2000-er für die Ariane 5 neue Booster untersuchte, sprach gegen diese, das sie die maximale Belastung beim Aufstieg um 48.000 Pa pro m² erhöhten – lediglich 0,48 Bar, weniger als die Hälfte des normalen Luftdrucks und dies über der Belastungsgrenze der Tanks lag. Bei SpaceX kamen die ersten Stufen, die man barg, auch nur in Trümmern an und auch das viel einfachere Konzept die erste Stufe mit Fallschirm und Airbags zu landen hat man nach der Falcon 1 aufgegeben.

Bei einer Landung ohne Abbremsung im Meer denke ich wird der Aufwand, den man hat, die ganze Rakete danach zu inspizieren, auf Haarrisse oder Ähnliches zu untersuchen und dann Teile auszutauschen so hoch sein, dass bisher dies als unwirtschaftlich ausgeschlossen galt. Es mag sinnvoll sein, wenn man einen Feststoffbooster hat. Bei diesen ist das gesamte Gehäuse die Brennkammer. Entsprechend dick ist es – bei Ariane 5 sind es 8 mm Stahl, bei den Space Shuttle SRB sogar über 12 mm. Dem macht ein Aufprall auf das Meer praktisch nichts aus genauso wenig wie die vorherige Abbremsung in der Atmosphäre.

Bleibt nur die weiche Landung. So durchgeführt beim Space Shuttle und den Falcons. Ziel soll es bei SpaceX sein, das es praktisch nach der Bergung keine Arbeiten mehr an der Rakete gibt. Ob und wie weit dies erreicht wurde, weiß man nicht, genauso wenig, wie bekannt ist, wie teuer die Bergung mit Inspektion ist. Wir wissen aber das diese Rechnung beim Space Shuttle kräftig nach hinten los ging. Pläne der NASA aus den frühen siebziger Jahren sahen 60 Missionen pro Jahr vor, einen pro Orbiter und Monat. Ein Monat Turnaroundzeit pro Orbiter klingt zuerst mal nach viel, SpaceX will ja einen Tag schaffen also 30-mal weniger. Trotzdem war dies illusorisch. Die NASA bemühte sich und erreichte das Ziel trotzdem zum Teil: Zwischen STS 51J und 61B lagen nur 53 Tage. Das war aber nur möglich, weil man die Sicherheit sträflich vernachlässigte und mangels Ersatzteilen Teile aus Orbitern in der Reparatur ausbaute und in die Orbiter einbaute, die in Betrieb waren. Zwar hat die Turbaround-Zeit primär nichts mit der Wiederverwendung selbst zu tun – sofern man genügend Raketen hat, kann man sich auch lange Turnaroundzeiten leisten – doch entstehen diese Verzögerungen ja durch Arbeit an der Rakete und diese Arbeit bedeutet Kosten.

Einflüsse auf die Produktion

Raketen werden in kleinen Stückzahlen gefertigt. Sie sind zwar keine Einzelstücke in dem Sinne, dass sie Unikate sind, aber die Herangehensweise ist wie bei einem Einzelstück. Trotzdem braucht man relativ große Produktionsanlagen, einfach weil Raketen sehr groß sind. Sie werden bei jedem Typ auf eine bestimmte Stückzahl pro Jahr ausgelegt und wird diese unterschritten so verteuert dies die Rakete drastisch. Es gibt bekannte Beispiel dafür. Die Titan wurde sehr teuer, als die Titan 4 die Titan 3 Linie ablöste. Sie wurde seltener eingesetzt, die Titan 3B Version ohne Booster fiel ganz weg. Die letzten Exemplare kosteten über 400 Millionen Dollar pro Start – und das vor 20 Jahren, heute entsprechend inflationsjustiert mehr. Etwas Ähnliches konnte man bei der Pegasus beobachten, die in den ersten Jahren nach dem Jungfernflug dank einer NASA-Politik von Goldin, mehrmals pro Jahr flog und dann immer seltener. Eine Produktion ist idealerweise auf die zu erwartende Stückzahl ausgelegt. Bei Ariane 1 und Vega erwartete man nie viele Starts, baut die Träger z.B. an der Startrampe zusammen, was ein Fabrikgebäude einspart. Umgekehrt ist Ariane 6 auf mehr Starts als Ariane 5 ausgelegt, wobei Arianespace derzeit deswegen mit den europäischen Regierungen streitet, denn das war auch verbunden mit einer Mindestabnahme durch Europa – Arianespace kann ja nicht wie ULA und SpaceX mit vielen Regierungsaufträgen rechnen.

Entsprechend war das Argument, dass man von Airbus (die fertigen inzwischen Ariane) hörte, dass sich Wiederverwendung nicht lohne, weil man eh nur wenige Raketen pro Jahr fertige. Wenn dies nun nur noch eine oder zwei Ariane pro Jahr wären, wären sie entsprechend teurer denn man kann die Beschäftigten ja nicht einfach entlassen und nach einem Jahr wieder für kurze Zeit anstellen. Allerdings hat man sich bei Arianespace dadurch das man das ursprüngliche Konzept der Ariane 6 hin zu einer Ariane 5 „2.0“ änderte, auch keinen Gefallen getan, denn die erste Version war für Einzelstarts ausgelegt und wäre entsprechend häufiger eingesetzt worden.

Bei SpaceX denke ich wird man aber keinen dieser rationalen Gründe anführen können. Es ist vielmehr ein Dogma, das Elon Musk als Ziel gesetzt hat und das deswegen auch durchgeführt wird. Obwohl SpaceX in der glücklichen Lage ist, das sie US-Regierungsaufträge erhalten und diese inzwischen mehr als 50 % aller Aufträge, die nicht Starlink betreffen ausmachen, ist doch auch deutlich das sie ohne Starlink ein Problem hätten. 2017 hatten sie 18 von Kunden gebuchte Starts , 2018 stieg das auf 21. Doch 2019 und 2020 waren es nur 11. Entsprechend teuer würde die Produktion werden, wenn es nicht Starlink gäbe. Sie bräuchten ja sonst nur noch eine oder zwei neue Falcons pro Jahr fertigen. Umgekehrt wäre die Produktionskapazität, die sie anfangs hatten, als es mit dem Wiederverwenden noch nicht klappte und sie f+r jeden Start eine neue Erststufe benötigten nie in der Lage Starlink abzuwickeln, denn verglichen mit diesen ersten Jahren finden heute etwa dreimal so viele Starts statt. Im ökonomischen Sinne verhilft Starlink daher dem Konzept zu mehr Rentabilität. Da es soweit man weiß, vor allem durch Kapitalbeteiligungen und Finanzspritzen (erst kürzlich eine von der FCC über 884 Millionen Dollar) finanziert wird kostet das Starten eigener Satelliten die Firma verhältnismäßig wenig.

Ich glaube, dass die Startzahl der Grundschlüssel zur Wirtschaftlichkeit ist. Erreicht man trotz Wiederverwendung eine ausreichende Fertigungszahl, damit die restlichen Stuten nicht exorbitant teuer werden, dann lohnt es sich, sonst nicht. Diese Erkenntnis hat man auch bei SpaceX gewonnen, denn warum sonst hätte man sich mit der Einführung der Falcon Heavy – fünf Jahre nach der Falcon 9, länger als deren gesamte Entwicklungsdauer – so lange Zeit gelassen. Es gab nur wenige gebuchte Starts und von denen sprangen dann auch noch Kunden ab.

Der technische Aspekt

Wiederverwendung bekommt man nicht umsonst – sie kostet Nutzlast. Das Space Shuttle als vollständig wiederverwendbares Gefährt wog als es in den Orbit kam rund dreimal so viel wie die Nutzlast selbst. Nun gelangt auch sonst noch die Oberstufe mit Avionik mit den Orbit, doch die wiegt in der Regel weniger als die Nutzlast selbst, typisch ein Drittel bis die Hälfte. SpaceX hat sich wohl aus dem Grund bisher nicht an die Wiederverwendung der Oberstufe gewagt. Bei der ersten Stufe ist es unkritischer da typisch 3 bis 6 kg mehr (je nach Stufenzahl und Technologie) Masse bei der ersten Stufe die Nutzlast um 1 kg absenken.

Musk reklamierte in frühen Posts ein Voll-/Leermasseverhältnis von 30 zu 1 bei der ersten Stufe und „nahezu“ 25 zu 1 bei der Oberstufe. Heute verbrauchen die ersten Stufender Falcon 9 typisch etwa 8-9 Prozent Treibstoff der Gesamtladung zum Landen. Klingt nach wenig, ist bei einem Strukturfaktor von 30 aber mehr als doppelt, so viel wie die Stufe selbst wiegt. Sie dürften um die Belastungen auszuhalten, auch stabiler und damit schwerer sein. Entsprechend wird die Nutzlast kleiner.

Ich habe mich mal bemüht die Falcon 9 so auszulegen, wie Musk sie beschreibt, also mit Strukturfaktor 30 und 24 (für nahezu 25). Basierend auf Schub und Brenndaten ist das nicht einfach, weil man mit den offiziellen Zahlen so auf mehr Treibstoff kommt, als die Rakete beim Start wiegen sollte. Ich habe dann als feste Werte, die 411 Treibstoff die SpaceX für die erste Stufe bei einem FAA Statement angab, genommen, 10 t von den 549 t Startmasse für die Nutzlastspitze abgezogen und basierend auf den Strukturfaktoren dann die Stufenmassen berechnet. Eine solche Rakete käme auf 10 t Nutzlast in einen GTO. Auf der Website stehen 8,3 t, doch sind die offensichtlich genauso falsch wie die Angaben über Brennzeit (die man leicht bei Videos nachprüfen kann, bei Schub und spezifischen Impuls ist das nicht möglich). Bei einem Fachvortrag vor Publikum nannte Königsmann 6,5 t maximal in den GTO, was auch zu den bisher gestarteten Nutzlasten passt – der erst letzten Dezember gestartete SXM-7 mit 7 t Masse erreichte nur einen subsynchronen Orbit von 234 x 19.380 x 27.0 Grad, dabei wurde die erste Stufe nicht geborgen. Das ist passend zu anderen Starts in Sub-GTO von schweren Satelliten. Kurz: die Wiederverwendung kostet SpaceX rund 35 % Nutzlast in einen GTO.

Ob dies für den Einsatz relevant ist, hängt vom Kundenstamm und seinen Bedürfnissen ab. SpaceX kann nur Einzelstarts durchführen. Nur wenige Satelliten sind in den GTO schwerer als 6 t. Für den LEO oder SSO ist die dann etwa dreimal höhere Nutzlast mehr als ausreichend, selbst für die Dragon Raumschiffe. Bei Arianespace, die in der Regel Doppelstarts durchführt, sind 35 % Nutzlasteinbuße dagegen schwerwiegend. Ariane 5/6 kann einen schweren und einen leichten oder zwei mittelschwere Satelliten transportieren. Mit einem Drittel weniger Nutzlast wäre das in der Regel dann nur noch ein Einzelstart, außer man hat zwei extrem leichte Satelliten mit Massen unter 3 t. Letztendlich hat SpaceX die Lektion ja auch selbst lernen müssen, denn ihre Falcon heavy war unnötig. Ich habe daher auch die Ansicht, dass es dem Starship ähnlich gehen wird.

Der springende Punkt, ob sich Wiederverwendung wirtschaftlich lohnt, kann man nicht beurteilen, weil es keine veröffentlichten Bilanzen von SpaceX gibt. Nehme ich nur die offiziellen Zahlen für gebuchte Starts, so ist sie teurer geworden:

At the time of the rocket’s maiden flight in 2010, the price of a Falcon 9 v1.0 launch was listed from US$49.9 to US$56 million.[5] By 2012, the listed price range had increased to US$54–US$59.5 million.[162] In August 2013, the initial list price for a Falcon 9 v1.1 was US$56.5 million;[163] it was raised to US$61.2 million by June 2014.[164] Since May 2016, the standard price for a Falcon 9 Full Thrust mission (allowing booster recovery) is published as US$62 million (Quelle Wikipedia). Doch da die Firma natürlich immer so viel für ihre Starts verlangt wie es geht, ist das kein Hinweis auf die wahren Kosten. Entsprechend schwankt auch der Startpreis für die NASA, die einzigen Abschlüsse, die publiziert werden stark:

Nutzlast Startpreis Jahr
DSCOVR 97 Mill. 2015
Jason-3 82 Mill. 2016
TESS 87 Mill. 2018
GPS III-01 82,7 Mill. 2018
STP-2 (FH) 160 Mill. 2019
GPS III-03 96,5 Mill. 2020
GPS III-04 96,8 Mill. 2020
Sentinel 6 97 Mill. 2020
DART 69 Mill. 2021
GPS III-05 96,8 Mill. 2021
IXPE 50,3 Mill. 2021
GPS III-06 96,8 Mill. 2022
SWOT 112 Mill. 2022
Psyche (FH) 117. Mill. 2022
USSF-44 (FH) 316 Mill. 2022
PACE 82,7 Mill. 2023
PPE/HALO (FH) 331,7 Mill. 2024
SphereX 99 Mill. 2024
IMAP 109,4 Mill. 2024

Die Preise sind dann niedrig, wenn es die Nutzlast leicht ist, sodass die NASA/DOD von der Delta 4 oder Atlas V auf eine kleinere Rakete ausweichen könnte, wie die Minotaur. Man sieht das an IXPE, einem 299 kg schweren Satelliten in einen 540 km hohen SSO, der wäre auch mit einer Minotaur startbar. Ebenso ist SpaceX beim CRS-Programm inzwischen der teuerste Anbieter, obwohl sie als einzige Firma sowohl Rakete wie auch Raumschiff wiederverwenden.

Das man immer so viel verlangt, wie geht zeigt auch bei den baugleichen GPS-Satelliten. Der erste Satellit wurde erheblich billiger transportiert, um einen Fuß in die Tür zu bekommen. Die Folgenden vier waren dann 17 % teurer. Umgekehrt langt SpaceX zu, wenn es keine Alternative gibt, so gibt es Startpreise von über 300 Millionen Dollar, mehr zwei Delta 4M oder Atlas V kosten, die aber nicht für die Nutzlast ausreichen.

Hätte ich eine so einfache Weltsicht wie mancher Kommentator würde ich diese Tatsachen als „Beweis“ dafür anbringen, das Wiederverwendung teurer ist als keine Wiederverwendung. Da SpaceX aber immer gerade so viel verlangt wie möglich wäre, um den Auftrag zu bekommen, ist in jedem Falle aber eines sicher – Wiederverwendung hat der US-Raumfahrt nichts gebracht, denn die Startpreise bleiben so hoch, Einsparungen, die es z.B. durch niedrige Startpreise gegeben haben könnte, hätten weitere Missionen ermöglicht. Wenn man, aber wie ich Elon Musk nicht als Wohltäter und an Raumfahrt interessierten einstuft, sondern als jemanden, der Geld verdienen will, dann passt das Verhalten genau zu dieser Absicht.

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