Das Shuttle 2.0 – Teil 2
Zuerst noch eine Nachlese zum Teil 1 der Shuttle Wiederverwendung. Es geht wie schon in den Kommentaren zum Teil erkannt, darum, wie heute ein Shuttle aussehen würde, wenn man es für den Nutzlasttransport entwickelt hätte. Es geht nicht darum, ob es die beste Lösung ist. Ich habe schon eine Idee, die ich dafür vorstellen will, die kommt aber ganz ohne Shuttle aus.
Daneben gab es auch in den Berechnungen einen Fehler, den ich erst beim Nachdenken entdeckte: Ich habe bei der Berechnung de Orbitermasse zwar gesagt, dass die Nutzlast nicht mitzählt, da sie ja von der Hülle umgeben wird, aber bei der Berechnung doch mitgenommen, so wurde der Orbiter unnötig schwer. Ich habe gestern das korrigiert und nun kommt man mit einem Vulcain 3R und zwei RD-180 für 17 t Nutzlast aus, mit drei und vier Boostern sind es 24 und 29 t.- Das korrespondiert in etwa mit 40% dessen im GTO. Das ist also mehr als ausreichend.
Der Kostenaspekt
Im heutigen Beitrag geht es eine Wirtschaftlichkeitsbetrachtung. Schließlich muss das System sich auch lohnen. Wie bei der technischen Auslegung kann dies nur unter Abschätzung von bekannten Faktoren sein.
Fangen wir mit dem Orbiter an. Das einzige aktuelle Vorbild ist der Dreamchaser. Wie viel dieser kostet, weiß man nicht doch die Entwicklungskosten für CCDev bezifferte Sierra Nevada mit 1,55 Milliarden Dollar. Da das für ein bemanntes System gilt und Entwicklungskosten nicht Orbiterkosten sind, nehme ich mal ein Drittel, 500 Millionen Dollar für einen Orbiter ohne Triebwerke. Angesichts des heruntergestrippten Orbiters, der nur die Triebwerke transportieren soll, ist das eher zu viel.
Für das Vulcain 2 gibt es eine offizielle Preisangabe: Es kostet 16,3 Millionen Euro mit Schubrahmen. Beim RD-181 ist es schwieriger. Zwar bestellte Lockheed Martin einmal 101 RD-181 für 1 Milliarde Dollar, doch das war 1997. Wenn man moderate 3% Inflation annimmt, sind das heute 16 Millionen Dollar pro Triebwerk. Wahrscheinlich ist es aber teuer, den ULA gab an, dass die Triebwerke bei der Atlas für 2/3 der Kosten stehen und das sind beim kleinsten Modell ja nur zwei.
Immerhin: Ein schubgleiches RS-68 kostet 25 Millionen Dollar. So kann man 25 Millionen als Kosten angeben. Wenn das Triebwerk 25 Millionen kostet und Strukturen 1/3 der Gesamtkosten ist man dann bei 13 Millionen für die Strukturen. Da hier noch Flügel und ein Düsentriebwerk hinzukommen, setze ich 20 Millionen an.
Der Shuttle Tank kostete am Schluss 31 Millionen Dollar. Dieser Tank ist dreimal kleiner, also 10 Millionen Dollar für den Tank.
Dann kann man folgende Rechnung aufmachen:
- Orbiter: 519 Millionen Dollar
- Booster: 45 Millionen Dollar
- Tank 10 Millionen Dollar
Die Einmalkosten für eine Zweiboosterkonfiguration wären dann schon 619 Millionen Dollar.
Beurteilung
Bei den Kosten für den Orbiter ist schon eines klar: Es lohnt sich nicht. Wenn man 16,3 Millionen für das Triebwerk ausgibt und dies das Einzige ist, was man einspart, müsste man den Orbiter mindestens 33-mal einsetzen, berücksichtigt man das das Vulcain 3R maximal 7-mal eingesetzt werden kann sogar 26-mal und das nur, wenn man keinerlei Instandhaltungskosten hat.
Es zeigt sich, was „42“ schon vermutet hat – es lohnt sich nicht. Aus zwei einfachen Gründen: Der Orbiter erhöht die Nutzlastmasse drastisch, in diesem Fall um 17 t, was mehr als die Nutzlast ist – damit kosten auch die unteren Stufen mehr. Zum anderen ist es so viel teurer als die Strukturen, die man sonst braucht, dass selbst ein Verlust des Triebwerks sich lohnt. Die einzige Ausnahme wäre ein relativ preiswerter Orbiter und ein sehr teures Triebwerk. Doch selbst wenn man die RS-25 als teuerste LOX/LH2 Triebwerke nimmt, ist eines immer noch zehnmal billiger als dieser Orbiter.
Also in einem zweiten Anlauf mit einer Verluststufe bestehend nur aus Tank, Vulcain 3R Triebwerk, Nutzlastverkleidung. Da der Orbiter rund 16 t mehr als das Triebwerk wiegt, kommt man so allerdings schon auf eine Nutzlast von 33 t und damit ein anderes System. Man müsste nun eine erneute Rechnungsrunde drehen und eine 1-Booster-Version schaffen. Doch ich spare mir das und mache mal die Berechnung für dieses System. Das sieht dann so aus:
- 2 x Booster: 90 Millionen Dollar
- Tank 10 Millionen Dollar
- Triebwerk mit Heckskirt (kostet bei der Ariane 10 Million Euro): 30 Millionen Dollar
- Nutzlastverkleidung, VEB (übernommen von Ariane 5): 14 Millionen Dollar
Das wären ohne Wiederverwendung Kosten von 144 Millionen Dollar bei etwa 31 t Nutzlast. Das wäre heute relativ günstig. Dazu kämen aber noch die Startkosten die bei etwa 20-25% des Trägerpreises.
Durch Wiederverwendung kann man maximal die 82 Millionen Dollar für die Booster einsparen, was bei „null Kosten“ 60% wären, korrespondierend mit der SpaceX Angabe für die kosten ihrer ersten Stufe (hier wegen Bergungssystem teurer). Die Booster der Energija die die RD-170 einsetzten sollten zehnmal wiederverwendet werden. Wenn man dies auf die RD-180 überträgt, würden deren Kosten um 90% sinken, was den Startpreis halbieren würde. Allerdings kostet die Bergung auch etwas und eine Inspektion wird auch nötig sein.
Realistisch würde ich 70% der Stufenkosten als Ersparnis ansetzen. Das sind dann 13,5 Millionen pro Stufe. Dies müsste man gegenrechnen zu den geringeren Kosten für eine Stufe ohne Flügel, und ohne Düsentriebwerk, die dann auch nur 37,5 Millionen Dollar kostet und weil sie leichter ist, die Nutzlast pro Booster um 1,1 t erhöht. 1,1 t Nutzlast entsprechen bei den Gesamtkosten der Rakete in etwa 8,5 Millionen Dollar, sofern man sie ausnutzen kann. Auch hier: Es läuft auf ein Nullsummenspiel heraus.
Bilanz
Was herauskommt ist nicht verwunderlich. Wiederverwendung lohnt sich nicht wirklich, zumindest wenn man es nur mit der Rakete zu tun hat. Eine Shuttle Wiederverwendung scheitert schon wegen der Nutzlasteinbuße. Es lohnt sich, wenn es um die Nutzlast geht. Der Dreamchaser ersetzt eine Kapsel, die sowohl bei Orbital wie auch SpaceX teurer als die Rakete ist. Aber außer der Versorgung der ISS braucht man kein Vehikel für die Nutzlast. Wahrscheinlich wäre selbst bei kommerziellen Satelliten wie Erdbeobachtungssatelliten die Bergung teurer als ein Nachbau zumal die Technologie sich ja weiter entwickelt. Man muss sich nur mal ansehen, wie die Auflösung von Erdbeobachtungssatelliten ist.
Die Vega hat vor wenigen Tagen einige neue Erdbeobachtungssatelliten transportiert, darunter Perusat-1 mit einer Masse von nur 430 kg und einer Auflösung von 0,7 m. Vor einem Jahrzehnt wäre ein solcher Satellit noch deutlich schwerer und vor allem teurer gewesen, der ganze Kontrakt hatte einen Umfang mit Start von 194 Millionen Euro. Da lohnt sich die Bergung nicht wirklich.
Will man die Bergung wirtschaftlich durchführen dann muss es so sein, das die erste Stufe den größten Teil der Kosten ausmacht aber auch den größten Teil der Geschwindigkeit aufbringt. Die Oberstufe die verloren geht (ein Orbiter lohnt sich wegen seines Zusatzgewichts wie gesehen nicht wirklich) muss dann sehr preiswert sein. Führer gab es noch so was wie preiswerte Feststoff-Kickstufen, den letzten Preis, den ich für eine PAM-D sah, (und das ist auch schon 10 Jahre her) lag bei 20 Millionen Dollar für eine nur 2,2 t schwere Oberstufe. Wahrscheinlich gilt das auch für druckgeförderte Oberstufen wie die EPS. Schlussendlich ist eine Ariane 5 ECA nicht teurer als die ES Version.
Würde man das wieder hinbekommen, dann wäre eventuell eine Wiederverwendung der ersten Stufe möglich. Dann ergibt sich aber ein anderes Problem: Die „billige“ Oberstufe wird eine geringe Leistung haben und auch Transporte über LEO durchführen müssen, wo der Geschwindigkeitsbedarf ansteigt. Das führt dazu, dass die erste Stufe, viel der Orbitalgeschwindigkeit, mindestens die Hälfte aufbringen muss. Sie wird daher bei hoher Geschwindigkeit abgetrennt hat bei dem Wiedereintritt hohe Belastungen zu ertragen und das macht sie teurer und schwerer. Sie landet dann auch weit vom Startort entfernt und braucht viel Treibstoff, um zurückzukehren. Dass alles erhöht ihre Strukturmasse und führt zu einem Teufelskreislauf, weil es wieder die Nutzlastmasse absenkt oder eine noch größere Stufe nötig macht.
Ausblick
Die Lösung ist für mich nicht die Shuttle Wiederverwendung, zumindest nicht ganzer Stufen, sondern einem anderen System, bei dem die Raketenstufe nur der letzte Teil des Transportsystems ist. Dazu später mehr.