Bernd Leitenbergers Blog

Bemannte Raumfahrt – die nächsten Jahrzehnte

Nachdem ich gestern auf die letzten 60 Jahre der bemannten Raumfahrt – beginnend mit dem Flug Gagarins zurückgeblickt habe, kommt heute ein Ausblick auf die Zukunft. Allerdings nicht über 60 Jahre denn ich will ja noch erleben, ob meine Prognose richtig lag und bei weiteren 60 Jahren müsste ich dazu 116 werden. Das halte ich doch für eher unwahrscheinlich und beschränke mich mal auf die nächsten 30 Jahre.

Allerdings so viel gibt es auch nicht zu berichten, denn betrachtet man die letzten 30 Jahre so hat sich nicht so viel getan – erste erdnahe Flüge ins All mit Kapseln, die Mondlandung, Raumstationen, wiederverwendbare Raumfahrzeuge. Das alles fand in den ersten 30 Jahren statt. Seitdem kam keine grundlegend neue Technologie hinzu, nur wurde die Technik besser bzw. ist alles zuverlässiger und professioneller geworden.

Ich sehe auch keine technische Revolution am Horizont die daran etwas ändern könnte und damit Dinge ermöglicht, oder bisherige Missionstypen drastisch verbilligt. Wie wird es daher weitergehen? Nun ziemlich unaufgeregt denke ich. Fangen wir mit der erdnahen Raumfahrt an. Ich könnte mir vorstellen, dass es dann keine von einer westlichen Raumfahrtnation mehr betriebene Raumstation mehr gibt. China und Indien mögen aus politischen Gründen dann vielleicht eine (noch) haben, aber ich glaube nicht das man nach der ISS noch mal 130 Milliarden Dollar für eine Raumstation ausgibt, die schlussendlich nicht viel mehr leisten wird als die ISS heute.

Stattdessen wird es mehr kommerzielle Raumfahrt geben. Auch sie ist ja nicht neu. Es gab in der Aufbauphase der ISS als die Stammbesatzung auf zwei Personen beschränkt war immer wieder bis 2009 Touristen, die den dritten Sitz der Sojuskapsel genutzt haben und dann mit der vorherigen Crew eine Woche später zurückkehrten. Mit den nun vorhandenen Zubringern Crew Dragon und Starliner gibt es jetzt schon eine Überschusskapazität an Sitzplätzen für die reguläre Versorgung der ISS, obwohl beide Raumschiffe, die für maximal sieben Personen Platz bieten nur mit vier Insassen starten und der erste rein kommerzielle Flug ist auch angekündigt. Die NASA hat auch den Weg freigemacht für Weltraumtouristen an Bord der ISS – sie hat sich solange die nur mit russischen Sojus zur ISS kommen konnten immer dagegen gewehrt, nun mit amerikanischen Vehikeln sieht das natürlich gaaaanz anders aus. Allerdings wurden die Preise für in Anspruch genommene Leistungen deutlich angehoben, sind aber immer noch nicht kostendeckend, wie man zumindest bei den transportierten Massen leicht feststellen kann, wenn man anhand der Ausgaben für ISS Versorgung und die Preise pro Tag einen Schlüssel berechnet.

Ich glaube nicht mal das kommerzielle Flüge für Weltraumtourismus als florierenden Markt viel preiswerter werden müssen. Es gibt auf der Welt ziemlich viele Menschen, die sind unglaublich reich. Die leisten sich eigene Flugzeuge, die keine kleinen Passagierflugzeuge sind, sondern umgebaute Jumbo Jets und die haben Jachten, die benötigen mehrere Dutzend Personen als Besatzung. Solche Dinge kosten im dreistelligen Millionenbereich, da sind 40 bis 60 Millionen Dollar, so viel kostet derzeit ein Sitzplatz bei einem kommerziellen Start, durchaus zu verschmerzen, ähnlich wie es auch Leute gibt die eine Weltreise auf einem Kreuzfahrtschiff machen und dafür so viel ausgeben, wie ein Mittelklassewagen kostet. Ich glaube für dieses Klientel ist etwas anderes ausschlaggebend. Solange die Transporte nur von Roskomos durchgeführt wurden, mussten alle Weltraumtouristen ein Kosmonauten-Basistraining durchlaufen und das dauert Monate. Wer so reich ist, hat nicht die Lust sich monatelang auf einen Trip von ein oder zwei Wochen vorzubereiten. Eher bezahlt er ein zweites Ticket für jemanden der alle Arbeit für ihn erledigt. Wer Passagier in einem Flugzeug ist, oder auf einem Schiff, muss das ja auch nicht steuern können, dort gibt es eine kurze Einweisung in die Sicherheitsmaßnahmen im Falle eines Falles. Ich halte das auch für nicht unmöglich, denn ausgereift ist die Technik nach Jahrzehnten. Die heutigen Raumschiffe können im Prinzip vom Computer alleine gesteuert werden. Wenn dann noch ein Profiastronaut als Pilot für Notmaßnahmen an Bord ist, denke ich reicht das. Kommerzielle Unternehmen können ihre eigenen Richtlinien für Missionstraining aufstellen und so sehe ich dafür eine Zukunft.

Man wird an eine kleine kommerzielle Raumstation andocken, die Versorgungsgüter kann man selbst mitführen, denn wir reden dann sicher nicht von Monaten im All, sondern ein bis vielleicht vier Wochen. Das alles ist heute schon möglich.

Wird es entscheidend billiger werden? Ich denke nicht. Heute ist schon die Falcon 9 mit Crew Dragon die billigste Möglichkeit ins all zu kommen. Die Rakete ist zu 70 % wiederverwendbar. Ähnliches gilt für die Kapsel, bei der nur der Verbindungsring zur Rakete verloren geht. Mit 100 % Wiederverwendung wie beim Starship versprochen, wird sich nur durch die Wiederverwendung nichts viel an den Kosten ändern. Eine Reduzierung wäre durch mehr Passagiere möglich, die im Starship Platz haben. Auf der anderen Seite muss man dann auch so viele Personen mit eigenem Terminplan für einen Trip zeitgleich starten, was angesichts des Klientels dann doch wieder schwierig wird. Vielleicht wird es in 30 Jahren auch kein Starship sein, sondern ein kleines Shuttle. Der Dream Chaser ist heute so ein kleines Shuttle. Er wurde der NASA von Sierra Nevada auch für Passagiertransporte angeboten und basiert auf einem NASA-Enwurf für ein Rettungsboot für die ISS Astronauten. Er wäre dann ebenfalls zu 100 % wiederverwendbar. Sierra Nevada will nun seine Weltraumsparte ausgliedern, weil sie meinen das ihr Umsatz in den nächsten zehn Jahren von 400 Millionen Dollar auf 4 bis 5 Milliarden Dollar anwachsen will – nur mit Transporten zur ISS kann man nicht mit solchen Einnahmen rechnen.

Ebenso sind Missionen zum Mond – entweder als Swing-By wie Apollo 13 oder um in eine Umlaufbahn einzutreten denkbar. Für Ersteres benötigt man eine dreimal stärkere Trägerrakete als für eine LEO-Mission und das wäre jetzt schon möglich, für Letzteres dann eher ein fünf- bis sechsmal stärkere Trägerrakete was dann die Kosten doch ziemlich in die Höhe treiben würde, denn dann ist man bei einer Schwerlastrakete wie der SLS, die nicht nur teuer in der Produktion, sondern auch in der Entwicklung ist.

Doch was ist mit den großen Vorhaben? Wernher von Braun wollte nach der Mondlandung zum Mars aufbrechen. Das war 1969, inzwischen sind über 50 Jahre vergangen und eine bemannte Marsexpedition ist nicht geplant. Ich denke, daran wird sich auch nichts ändern. Das Mondlandeprogramm war ein Sonderfall. Es entstand aus der Vorstellung die USA wären Russland technologisch hinterher und vor allem dies würde sich auch auf die politischen Beziehungen zu anderen Staaten auswirken, die dies auch so sehen könnten. Es gibt nicht wenige Stimmen, die sagen, dass man Apollo wäre, Kennedy nicht ermordet worden wahrscheinlich Mitte der Sechziger wieder abgebrochen hätte, als klar wurde, dass man mit Gemini Russland überholt hat. Eine Marsexpedition wäre aber mindestens genauso teuer, was bedeutet das sich der NASA Etat über einige Jahre um ein vielfaches erhöhen müsste. Die Motivation dies zu tun, sehe ich nicht. Vielleicht geht China so etwas an, wenn ihre Wirtschaft weiter so wächst, können sie sich das vielleicht bald leisten – es sind ja auch viel mehr Chinesen als Amerikaner, d.h., wenn beide Nationen dasselbe Jahreseinkommen pro Arbeitnehmer erreicht haben, dann kann China bei gleichem Anteil für die Raumfahrt wie sie die USA aufwenden, viel größere Projekte angehen. Schon heute starten sie von staatlicher Seite her mehr als die USA. Ob sie aber ein Marsprojekt auch durchführen, ist eine andere Sache, denn wie schon geschrieben, Apollo war nur in einem bestimmten politischen Bewusstsein, dem Sputnikschock möglich – es ist auch kein Zufall, dass die berühmte Rede Kennedys nur wenige Woche nach Gagarins Erdumrundung stattfand.

Derzeit läuft Artemis und ich denke es wird auch zu einer erneuten Mondlandung kommen. Denn anders als bei Apollo muss man nicht bei Null anfangen. Die Schwerlastrakete ist inzwischen entwickelt, die Orion ebenfalls. Nun fehlt noch der Mondlander und nach dem derzeitigen Konzept einige kleine Module für eine Raumstation im Halo-Orbit. Das ist finanzierbar. Ob es dann aber viel ein umfangreicheres Projekt wird als bei Apollo, also z.B. eine permanente Station auf der Mondoberfläche? Wohl eher nicht denn dazu wären erhebliche Mehraufwendungen nötig. Schon jetzt ist ja ein bemannter Artemis Flug nur alle in bis zwei Jahre geplant – Bei Apollo waren es bis zu fünf pro Jahr. Das zeigt, wie derzeit am Projekt gespart wird.

Jenseits von Mond und Mars gibt es wenige Ziele. Zur Venus kommt man genauso einfach zum Mars. Doch landen kann man nicht – sie scheidet also aus. Das Gleiche gilt für die anderen Planeten – sie sind noch schwerer erreichbar und zu unwirtlich. Bei Merkur ist es zu heiß, Jupiter und Saturn haben tödliche Strahlungsgürtel, die Missionsdauern werden noch länger. Erdnahe Asteroiden wurden als Ziel von Orion auserkoren, bevor man Artemis auflegte – doch wozu? Sicher man kann viele erdnahe Asteroiden mit einem vergleichsweise geringen Aufwand erreichen, die Missionsdauern liegen dann auch in der Größenordnung von Marsmissionen. Aber dafür, dass Menschen dort sinnvoll arbeiten können sind sie zu klein. Ein Hopser und der Raumfahrer hat Fluchtgeschwindigkeit erreicht.

Ich sehe auch keine Technologie am Horizont, die daran was ändert. Gerade wurde ein Auftrag für die Erforschung von nuklearen Stufen vergeben. Sie können die Nutzlast zum Mars erhöhen, aber nicht so drastisch, als das eine Expedition dann bezahlbarer wird, wobei dies auch nur zum Teil an den Transportkosten liegt. An den klangen Reisezeiten ändern sie nichts. Das gilt auch für Ionentriebwerke, Bei ihnen ist die Missionsdauer eher noch länger. Immerhin offerieren sie eine etwas größere Nutzlaststeigerung als nukleare Triebwerke und sind ausgereift, wenngleich auch nicht in der Größe verfügbar die man für bemannte Missionen benötigt. Sie könnten für unbemannte Teile wie Habitat, Ausrüstung, Treibstoffvorräte zum Einsatz kommen.

Wahrscheinlich wird die bemannte Raumfahrt in 30 Jahren billiger werden – den Trend gab es ja schon in den letzten Jahrzehnten. Der angesprochene Weltraumtourismus könnte davon profitieren. Für Leute die nicht Millionäre sind, könnte es bis dahin mehrere Möglichkeiten Suborbitaltourismis durchzuführen. Hier ist eine vollständige Wiederverwendung möglich, sodass die Kosten, wenn man den Treibstoffverbrauch als Basis nimmt, dann etwa zehnmal teurer als ein Flugticket über den Atlantik sein. Dann wäre Suborbitaltourismus massentauglich und durch die vielen Flüge bleibt er auch preiswert.

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