Ein Flug zur ISS kostet 2 Milliarden Dollar

Diese Summe erhält man, wenn die Zahlen der NASA aus einem Bericht an den Kongress nimmt:

"NASA has not provided a cost estimate for the Vision as a whole. Its 2005 implementation plan estimates that returning astronauts to the Moon will
cost $104 billion, not including the cost of robotic precursor missions, and that using Orion to service the ISS will cost an additional $20 billion"

Da 10 bemannte Flüge geplant sind, macht dies 2 Milliarden Dollar pro Flug. Ist die Kapsel wirklich so teuer? Ja und Nein. Nein, weil natürlich diese 20 Milliarden nicht nur die Startkosten für die 10 Flüge umfassen. Die Orion Kapsel für einen ISS Flug unterscheidet sich von der Mission zum Mond. Sie soll mehr Astronauten transportieren, länger im All bleiben und noch Fracht transportieren. Dafür benötigt sie weder ein großes Triebwerk, noch größere Treibstoffvorräte. Das Lebenserhaltungssystem muss mehr Personen, aber für einen kürzeren Zeitraum versorgen. Das alles sind Änderungen die Geld kosten.

Ja, weil ein bemanntes Raumfahrzeug immer teurer wird als ein unbemanntes. Im Westen ist es schwer hier Vergleiche zu ziehen, weil Apollo als letztes Projekt mit einer Kapsel schon lange her ist. Doch es gibt ja das ATV. Ein Vorschlag ist zuerst das ICC durch eine Rückkehrkapsel zu ersetzen um Fracht zur Erde zurückzubringen. Kosten: Etwa 0.8-1 Mrd. Euro. Der nächste Schritt wäre dann der Umbau dieser, für den Transport von bis zu 5 Astronauten. Das würde 2-3 Milliarden Euro kosten. Die bemannte Variante ist also 3 mal teurer. Wenn dies auch bei der Fertigung gilt, dann müsste ein bemannter Transporter auf ATV Basis mindestens etwa 700 Millionen Euro kosten. Dazu kommen die Startkosten. eine "man rated" Ariane 5 dürfte auch etwas teurer sein. Rechnet man hier mit 150 Millionen Euro, so kommt man auf 850 Millionen Euro oder 1.2 Milliarden Dollar. Das ist dann schon nahe den Kosten für Orion. Nimmt man bei Orion noch einige Arbeiten an der Kapsel dazu und die neue Trägerrakete, die sicher auch nicht billiger wird, als nicht "man rated" Atlas oder Delta Typen, dann sind die 2 Milliarden Dollar pro Flug nicht aus der Luft gegriffen.

Man kann es drehen oder Wenden wie man will: Das Grundproblem bei einer bemannten Mission sind die Sicherheitsanforderungen. Sie verteuern alles enorm. Alle Systeme müssen viel zuverlässiger sein als in einem unbemannten Raumfahrzeug. Das schlägt sich in den Kosten nieder. Man sieht es aber auch daran, dass die NASA die Ares I entwickelt – Geeignet wäre auch eine prognostizierte Atlas V Heavy Variante oder eine Delta IV Heavy. Träger die heute zur Verfügung stehen oder schnell zu entwickeln wären. Aber sie erscheinen nicht sicher genug.

Das ist eines der Probleme welche die NASA heute hat. Die Bevölkerung toleriert heute keine Todesopfer mehr unter Astronauten. Aber Raumfahrttechnik hat nun mal nicht die Zuverlässigkeit wie ein Flugzeug. Selbst bei seit Jahrzehnten eingeführten Trägerraketen geht mal ein Flug schief. Auch bei den Raumfahrzeugen gibt es keine 100 % Zuverlässigkeit. Das ATV hat trotz vierfach redundanten System eine von 95 % vom Start bis zum Verglühen – bei einem bemannten Transport würde man dies nicht tolerieren.

Auf der anderen Seite schicken die USA Soldaten in den Irak mit einer erheblich höheren Wahrscheinlichkeit getötet zu werden, als bei einem Raumflug. Andere riskante Berufe gibt es genug: Stuntmanner, Feuerwehrmänner etc. Es geht nicht um das Risiko selbst. Die Astronauten würden dieses wohl eingehen. Es geht um die Schlagzeilen die es gibt, wenn jemand im All umkommt. An dieser kann die NASA nichts ändern und das ist ihr Verhängnis. Diese Sicherheit um jeden Preis Philosophie ist aber auch ein Ausweichen: Denn noch fliegen die Space Shuttles und denen attestiert ja die NASA nur noch ein LOC Risiko (Loss of Crew) von 1:60 bis 1:80. Viel besser dürften die Sojus Kapseln auch nicht da stehen. Denn auch dort verloren zwei Besatzungen das Leben. Bei bislang 104 Missionen ist das auch ein LOC Risiko von 1:56. Orion soll dagegen eines von über 1:2000 aufweisen. Doch dass zeigt auch das Problem: Es sind Zahlen, statistische Größen die nur das berücksichtigen was man weiß. Vor Columbia hat keiner das Risiko eines Einschlags von Schaumstoffteilen so hoch eingeschätzt wie es dann tatsächlich war. Damals gab es Abschätzungen von 1:300 bis 1:400 für das LOC Risiko beim Space Shuttle. Wenn ich das Risiko total scheue und Unsummen aufwende um die Sicherheit zu erhöhen, dann muss ich mir die Frage gefallen lassen, ob sich der ganze Aufwand per se lohnt.

Das zweite Problem das die NASA hat, wurde schon in einem Kommentar angesprochen: Das Fehlen eines echten Ziels in der bemannten Raumfahrt. Mercury, Gemini und Apollo hatten jeweils ein Ziel: Bei Mercury erst mal jemanden ins All bringen und dann nach und nach die Aufenthaltsdauer zu verlängern. Bei Gemini waren es die Erprobung von EVA Arbeiten und Kopplungen. Bei Apollo war es die Mondlandung und Erkundung. In allen Programmen wurden Raumkapseln nicht eingesetzt, die bestellt waren und nicht mehr benötigt wurden, als die Missionsziele erreicht waren. Für die Berichterstattung waren diese Programme von Vorteil: Jede Mission wurde anspruchsvoller und es gab Fortschritte. Selbst bei Skylab als erster Raumstation galt dies, da wurde die Aufenthaltsdauer länger und die Station wurde repariert. Aber auch dieses Programm war nach 3 Flügen abgeschlossen. Die NASA konnte bei jedem Flug von neuen Rekorden, Erstleistungen oder ähnlichem berichten – und darum kommt es ja bei bemannten Missionen an.

Mit dem Space Shuttle begann die Misere: Das Space Shuttle hat keine Mission. Es ist ein Transporter. Es gibt über einen Satellitentransport eigentlich nichts zu berichten und einen Spacelab Flug kann man auch nicht vom anderen unterscheiden. Das gilt auch für die ISS: Es wird auf dieser geforscht – na und das reist keinen mehr vom Hocker. Es fehlt die Weiterentwicklung.

Daher ist vom publizistischen Standpunkt aus die Orion/Altair Linie nicht so dumm. Jede Mission bis zu einer Mondbasis wird neues bringen und damit mehr Schlagzeilen. Das ganze könnte die NASA aber auch billiger haben – mit Raumsonden. Wenn ich mir mal die Schlagzeilen in den Nachrichten anschaue, dann wurden die immer von den Raumsonden geliefert. Wenn es um bemannte Raumfahrt ging dann nur als Notiz so nach dem Motto "Heute startete von Baikonur aus eine neue Besatzung zur ISS mit an Bord ist auch der Weltraumtorist XY".

Ist daran etwas zu ändern? Ich glaube nicht. Es ist aber auch normal. Bemannte Raumfahrt ist ein Selbstzweck. Es gibt keine wissenschaftliche Disziplin, die einen Menschen zum Durchführen der Experimente braucht. Es geht nur um Prestige. Es geht darum zu zeigen "Wir können das machen" oder "wir können es uns leisten das zu machen". Das ist auch im wesentlichen der Antrieb von China. Auch Russland sonnt sich in dem Bewusstsein an der ISS beteiligt zu sein und nun auch noch eine vitale Rolle einzunehmen. Aber die USA, die ja sowieso in Technologie und Forschung führend sind, haben es nicht nötig sich über die bemannte Raumfahrt zu definieren. Hier geht es wohl mehr darum zu zeigen wie viel Geld man dafür aufwenden kann.

Zuletzt: Würde sich daran viel ändern, wenn die Kapsel wiederverwendbar ist? Nein. Sicher kann man die Kapsel selbst wieder verwenden. Den Hitzeschutzschild abtragen und erneuern. Fallschirme erneuern und Flüssigkeiten und Vorräte ergänzen. Doch die Kapsel ist ja nur der Teil in der die Astronauten leben. Bei allen Raumschiffen befindet sich das Lebenserhaltungssystem, der Antrieb, die Stromversorgung, kurzum der komplexeste Teil des Raumschiffs in dem Versorgungsteil. Die Kapsel selbst ist nur der Wohnraum für die Astronauten mit minimalen Systemen, die nur für den kurzen Zeit des Wiedereintritts benutzt werden. Bei Orion wiegt die Kapsel 7.3 t – von 22.7 t Gesamtmasse beim Start. Das zeigt recht deutlich, dass man so nicht die Kosten stark reduzieren kann. Es kann durchaus sein, dass es so läuft wie beim Space Shuttle – Das die nötigen Inspektionen und Wartungsarbeiten (schließlich muss die Kapsel nach dem Flug mit etlichen Belastungen immer noch sicher sein) dann teurer werden als eine neue Kapsel.

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