Bernd Leitenbergers Blog

Die Bundeswehrreform und die Ukraine

Nun es durch das 100 Milliarden Paket für die Bundeswehr, je nach politischer Haltung als „Sondervermögen“, „Sonderschulden“ oder einfach „Schulden“ bezeichnet. Ich will mal in einem kurzen Blog meinen Senf dazu geben.

Bevor man überhaupt das Geld ausgibt, das gilt aber auch für die Aufstockung des Bundeswehrhaushaltes von 50,3 Mrd Euro auf 75 Milliarden Euro jährlich, sollte man erst mal das Beschaffungswesen reformieren. Unter Verteidigungsminister Scharping wurde die zentrale Beschaffung durch das Beschaffungsamt eingeführt. Das ist inzwischen eine 12.000 Personen große Agentur. Bisher stelle ich nur Nachteile fest, ein enormer Bürokratieaufwand auch beim Beschaffen einfachster Ausrüstung wie Helme und Stiefel. Das Amt mag gerechtfertigt sein, wenn es um Großgerät gibt, aber alles andere sollte man wieder eine Ebene tiefer legen. Es scheint aber ziemlich aufgeblasen zu sein. Das gilt auch für die Bundeswehr, denn von 265.000 Angestellten sind nur etwas mehr als 183.000 Soldaten.

Zur Beschaffung später noch etwas mehr.

Das zweite Großproblem ist die jetzt schon mangelnde Einsatzbereitschaft. Bestimmte Waffen fallen da besonders auf wie die Transporthubschrauber CH-53 und die Kampfhubschrauber Tiger. Ich bin kein Experte, und kann nur spekulieren, woran dies liegt. Bei altem Gerät wie Transporthubschraubern CH-53 oder Tornados die Jahrzehnte auf dem Buckel haben, ist eine erhöhte Reparaturanfälligkeit normal und ebenso das nach Jahrzehnten Ersatzteile knapp werden, was die Reparatur verteuert und verzögert. Aber dieses veraltete Gerät wird dann ja sowieso durch neues ersetzt werden. Die CH-53 z. B. durch neue vom Typ CH-47, die Tornados durch F-35. Bei anderen Waffen tippe ich mal auf den gleichen Grund wie bei der Misere mit der Munition – fehlende Ersatzteile. Nach Medienberichten braucht die Bundeswehr alleine 20 Milliarden Euro, um die Munition so aufzustocken, das sie NATO-Anforderungen genügt. Da liegt es nahe, dass man genauso bei Ersatzteilen gespart hat und ohne diese Ersatzteile ist Gerät eben nicht einsatzfähig. Das müsste man sofort ordern können und das würde dann zumindest dieses Problem, an dem sich nun schon drei bis vier Vereinigungsminister die Zähne ausgebissen haben lösen. Vielleicht hat die CDU aber auch nur Nullen auf das Amt abgeschoben, von Gutenberg und Annegret Kramp-Karrenbauer (AKK) ist das ja hinreichend bekannt und auch die jetzige Verteidigungsministerin, die lieber Innenministerin werden will, ist nicht so engagiert dabei wie es diese große Aufgabe eigentlich erfordert. Wenn Scholz wirklich Führungsstärke hat dann ersetzt er Lambrecht schnell, zumal die eine sehr komische Einstellung hat – sie fliegt mit dem Hubschrauber der Bundeswehr ins Wochenende und zahlt dafür gerade mal 150 bzw. 261 Euro nachdem Kritik aufkommt – der Betrag ist offen, aber selbst die höhere Summe dürfte wohl gerade die Spritkosten decken. Nun bestellt man den CH-47 ohne das man ein zweites angebot eingeholt hat.

Ich bin für eine Aufrüstung, einfach weil sie notwendig ist. Es wurde ja nicht nur die Bundeswehr verkleinert, es wurde überproportional viel Material eingespart. Vor 1990 hatten wir einen Leopard Panzer auf 232 Soldaten. Heute ist es einer auf 574 Soldaten. Ich denke, es ist aber auch die Gelegenheit bei Neuanschaffungen nachzudenken, wie diese erfolgen werden. Sicher einiges wird einfach aufgestockt werden. Leopard Panzer oder Eurofighter als Beispiel. Bei anderen Waffen ist eine Umstellung sowieso in Gang wie beim Schützenpanzer Puma, der den Marder ersetzt oder dem Nachfolger des Sturmgewehrs G-36. Aber man wird auch neues Gerät beschaffen oder andere alte Systeme ersetzen wie eben die Tornados. Das sollte man sich von einem verabschieden. Der deutschen Lösung. Wir neigen dazu, gerne alles neu entwickeln zu lassen. Die Panzer der Bundeswehr sind da ein Beispiel. Sie stammen alle aus deutscher Produktion. Solange man im kalten Krieg große Stückzahlen produzierte, eine gangbare Lösung – wir hatten mal 2128 Leopard 2, momentan sind es noch 320. Wenn die Stückzahl kleiner wird, sollte man in Europa etwas gemeinsam entwickeln. Bei Flugzeugen ist das schon lange so. Der Airbus 400, Eurofighter oder auch die Tornados sind multinationale Flugzeuge die von mindestens drei Armeen geordert werden. Geht so etwas nicht auch woanders? In der NATO haben wir einmal die USA und dann viele kleine europäische Armeen. Sie sind klein, weil nicht nur die Länder viel weniger Einwohner haben, sondern auch weniger für Verteidigung ausgeben. Kann man sich nicht innerhalb der Länder einigen das nicht jeder sein Militärgerät selbst entwickelt? Es muss ja nicht nur ein Typ sein, selbst wenn wir jeweils zwei Typen eines Geräts z. B. Panzer oder Kampfflugzeug hätten wären das große Stückzahlen und bei zwei Typen könnte man auch zwei Einsatzanforderungen unterbringen. Meine Vision: England hat eine größere Marine als wir: sollten die Fregatten doch dort entstehen, dafür bauen wir alle U-Boote für Europa. Selbst für kleine Länder gibt es Aufgaben, dann eben vielleicht nicht bei Großgerät. Aber wie ich in einem Video erfahren habe, hat die Ukraine eine App für Smartphones entwickelt, mit denen die dortige Armee effektiver russische Verbände angreifen kann, schneller und dezentral. Das erinnert mich daran das die baltischen Staaten uns in der Digitalisierung weit voraus sind – warum nutzt man dies nicht aus und lässt dort die Software für die ganze NATO programmieren? Ein angenehmer Nebeneffekt wäre, das man auch die Reparatur und Ausbildung zentralisieren könnte, letztendlich wäre auch im Kampf ein Vorteil das man viel besser weiß, was andere Länder leisten können, wenn sie dieselbe Ausrüstung haben. Ein weiterer angenehmer Nebeneffekt ist das der Preis pro Einheit aufgrund höherer Stückzahlen sinkt und die Entwicklungskosten sich auf mehr Länder verteilen. Es ist in jedem Falle eine bessere Alternative als das Gerät komplett woanders zu kaufen, wie in den USA. Für kleine Länder, die nicht Großgerät selbst entwickeln können, ist das, ja heute schon die einzige Möglichkeit. So wären sie aber an de Entwicklung noch mit beteiligt.

In der Zwischenzeit – das greift ja nur für neue Projekte, sollte man bei Neuanschaffungen auch erst mal in Europa sich umschauen, dann in den USA. Wenn das nicht geht – wie bei den F-35, dann eben dort. Erst mal braucht man nicht mal die 100 Mrd. Neue Schulden, denn der Wehretat steigt ja auch drastisch an. Bestellte Großgeräte brauchen aber Jahre bis sie geliefert werden. So kann man jetzt die Munition aufstocken und Ersatzteile kaufen und später dann mit den „Sonderschulden“ die Neuanschaffungen finanzieren. Letztendlich muss man aber auch nachdenken wie groß unsere Armee sein soll. Also ich halte knapp 184.000 Soldaten gemessen an der Einwohnerzahl von 82 Millionen für wenig. Wenn der Wehretat um knapp 50 % steigt sollte auch die Zahl der Soldaten ansteigen, nicht proportional, man braucht das Geld ja auch für bessere Aufrüstung aber 250.000 Personen halte ich für eine stabile Größe.

Zuletzt noch was zu der Ukraine und der dauernden Kritik an uns. Es mag ja so sein, das sie alle kritisieren, und in den Nachrichten nur die Kritik an uns kommt, aber sie nervt, wenn sie nicht einmal erfolgt, sondern dauernd und auch nicht aufhört, nachdem schon Waffenlieferungen zugesagt wurden. Bei der Kritik an Waffenlieferung habe ich am wenigsten Verständnis. Bevor man Panzer oder Kampfflugzeuge haben will, sollte man sich doch informieren wie viel der Staat den davon hat. Das bekommt man im Internet leicht raus. Hier mal ein Link auf die Seite von Statista. Da lernt man, dass die Türkei 3022 Panzer haben, achtmal mehr als wir, bei nur wenig mehr Einwohnern (84,4 Millionen). Aber die einwohnerschwachen Länder Griechenland, Polen, Bulgarien und Rumänien haben mit 1.242, 863, 450 und 406 Panzern ebenfalls mehr als wir. Wäre es da nicht logischer, sich an diese Länder zu wenden, anstatt etwas zu fordern was nicht geliefert werden kann? Ich habe dann mal geschaut was diese Länder geliefert haben: Die Türkei mit zehnmal so vielen Panzern hat 20 Drohnen gegeifert. Polen hat relativ viel geliefert: 200 Panzer und 18 Panzerhaubitzen. Rumänien eine SU-27. Bulgarien bisher nichts. Ebenso Griechenland bis zum heute angekündigten Ringtausch mit Deutschland. Deutschland dagegen 35 Gepard, 15 Leopard und sieben Panzerhaubitzen zugesagt. Gemessen an dem Bestand ist das erheblich mehr als bei den Staaten, die wirklich viele Waffen haben. Was mich besonders ärgert, ist die dauernde Forderung nach noch mehr Waffen. Und zwar deutschen Waffen. Es wurden ja über 1 Milliarde Euro Militärhilfe von der Bundesregierung für den Kauf von Waffen bewilligt, damit kann sich die Ukraine problemlos auf dem Weltmarkt eindecken. Wenn jemand nicht liefern kann sollte man das Geld nehmen und sich die Waffen woanders beschaffen, aber dann auch aufhören zu meckern. Übrigens kann die Ukraine, wenn sie tatsächlich unbedingt deutsche Waffen haben will, diese auch bekommen: Rheinmetall schon vor sechs Wochen hat eine Exportfreigabe bekommen und kann 88 Leopard 1 und 20 Leopard 2 und 100 Marder liefern die fertig in Hallen lagern. Warum höre ich da nichts von der Ukraine das man, die auch abnimmt? Mit dem 1 Mrd. Euro Budget sind sie leicht zu finanzieren. Rheinmetall will 72 Millionen Euro für die Leopard 1 und 94 Millionen für die Marder. Da sind noch mehr als 800 Millionen Euro übrig.

Die Kritik hört ja nicht auf. Vor einigen Tagen wurden von Melnik Städtepartnerschaften kritisiert. Unsere Stadt hat nun glücklicherweise keine Partnerschaft zu einer russischen Stadt, sondern der ukrainischen Stadt Poltawa, so sind wir nominell nicht betroffen, aber im Allgemeinen meine ich, das man unterscheiden muss, zwischen Sanktionen die das russische Militär, die russische Wirtschaft und die Regierung treffen oder die allgemeinen Menschen. Und das Aussetzen von Städtepartnerschaften trifft nur die Menschen, sie sendet auch das falsche Signal und leistet Putins Propaganda Vorschub, die ja darauf raus läuft, das der Westen Russland im Allgemeinen schaden soll. Und Melnik sollte man den richtigen Adressaten heraussuchen. Denn wenn er kritisiert, dass das Ölembargo den Krieg am Leben hält, weil es nicht total ist, dann sollte er nicht die EU oder die Bundesregeirung, sondern Ungarn und Orban kritisieren. Die Kritik ist zudem faktisch falsch. Ja die Einnahmen aus Gas, Kohle und Öl generieren Einnahmen für den russischen Staatshaushalt, aber nein, der Krieg wird finanziert mit der Ausrüstung die Russland jetzt hat. Sie brauchen das Geld um die verlorene Ausrüstung, verschossene Munition (der Krieg soll ja 1 Milliarde Dollar pro Tag kosten) zu ersetzen. Das muss alles erst produziert werden und steht nicht innerhalb on Tagen oder Wochen zur Verfügung, sondern eher in Jahren. Den Krieg haben wir in der Vergangenheit finanziert, indem Russland sich durch die Deviseneinnahmen erst so weit aufrüsten konnte.

Ein Tipp an Melnik, Kuleba und Selenskjy: Wenn man sich dauernd beschwert, obwohl man Waffen und Geld bekommt, dann kann es sein, das irgendwann auch mal die Solidarität endet.

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