Heute vor genau 45 Jahren startete Voyager 2 und passend dazu habe ich die Recherche zu meinem Buch abgeschlossen, das immer länger wird, nun schon 554 Seiten. Dabei habe ich erst die Hälfte mit Bildern versehen. Passend zum Jubiläum der beiden Sonden die immer noch aktiv sind, hier eine kurze Zusammenfassung der Ereignisse beim Start. Da es über diese keinen Report gibt , anders als sonst bei NASA-Sonden diese Zeit üblich, sondern sie erst Jahrzehnte Später in Interviews bekannt wurden. Nun ja, man konnte die Fehler verschwiegen, weil nichts passierte, anders als den gravierenden Fehler am 7. April 1978. Frage an die Voyager-Fans: Wisst ihr ohne nachzusehen was ich meine? So ist der Teil des Aufsatzes eher kurz. Ich nutze das, um die Leser die sich mit Voyager nicht ganz so auskennen, auf den gleichen Stand zu bekommen und etwas zu erklären.
Also Voyager hat drei Computersysteme die redundant (doppelt) vorhanden sind. Das CCS (Command and Control Subsystem) ist der Computer der mit der Erde kommuniziert, alle Beobachtungsprogramme abwickelt und über die Gesundheit der Sonde wacht, auch über die beiden anderen Computer. Das FDS (Flight Data Subystem) ist für die Datengewinnung der Experimente vor allem der Kameras zuständig und spielt in diesem Artikel keine Rolle. Die zentrale Rolle ist das AACS (AACS: Altitude and Articulation Control System). Es ist mehr als ein Computer und umfasst auch alle Sensoren um die Lage des Raumschiffs festzustellen wie Gyroskope, Sternsensoren und Sonnensystem. Das AACS ist für die korrekte Ausrichtung Voyagers im Raum und der Instrumentenplattform auf Ziel zuständig. Es bekam in diesem Artikel einige Probleme.
Das AACS ist mit dem CCS über sechs Signalleitungen verbunden über das es Statusinformationen sandte. Eines davon ist der Heartbeat mit Code 31 Dezimal. Der Heartbeat sollte alle 1,92 Sekunden zum CCS gesendet werden. Empfängt das CCS fünfmal hintereinander keinen Heartbeat so geht es davon aus, dass das AACS nicht zur Verfügung steht. Alle Computer sind redundant vorhanden, entweder sie arbeiten als Hot-Standby (beide Computer laufen mit demselben Programm, aber nur die Ausgaben eines Computers werden verarbeitet) oder ist können bei Bedarf gestartet werden. Das ist beim AACS der Fall. Das Aussenden des Heartbeats kann ausfallen, wenn das AACS überlastet ist, aber auch wenn es ein ernstes Problem hat. Zur Überlastung kommt es schnell, denn typisch ist das AACS zu 95 Prozent bei einem Vorbeiflug mit vielen Aktionen ausgelastet.
Bis einige Stunden nach dem Start arbeitet das AACS im Gyromode, dann bekommt es seine Informationen über Gyroskope, schnell rotierende gasgelagerte Kreisel. Ein schnell rotierender Kreisel gibt eine Kraft ab, wenn seine Rotationsachse durch Drehen des Kreisels sich im Raum verändert. Das nutzte man aus, um die Veränderung der Lage festzustellen. Allerdings hat das Grenzen, ist die Veränderung zu groß, so blockiert ein Kreisel und die Informationen sind wertlos. Voyager hat drei Kreisel, wovon im Gyromode immer zwei aktiv sind.
Voyager umfasst technisch nicht nur die Sonde, sondern auch eine Star 37E-Oberstufe mit einigen Erweiterungen, genannt Propulsion Module. Zu den Erweiterungen gehören Triebwerke, die Voyager steuern und die eine stabile Ausrichtung im All gewährleisten sollen. Danach trennt sich Voyager 2 vom Propulsion Module ab und beginnt seine Ausleger auszufahren, das sind die RTG (120 kg), Instrumentenplattform (107 kg) und später die Ausleger für da Magnetometer und die Radioastromietantennen die aber nur wenige Kilogramm wiegen. Das Ausfahren durch Federn erzeugt ein Moment, das bei solchen Massen über 100 kg beträchtlich sein kann und das das AACS kompensieren muss.
Dei Trägerrakete Titan Centaur war eine normale Titan IIIC (Titan mit zwei Feststoffboostern aber ohne Transtage-Oberstufe), welche die Oberstufe einer Atlas, die Centaur D bekam. Beide waren autonom, so hatte die Titan ihren eigenen Flight Sequencer und die Centaur ihren eigenen Bordcomputer. Die Centaur schwenkte zuerst in eine Parkbahn in 170 km Höhe ein, um dann, sobald der Punkt erreicht war, wo die günstigste Startposition für die Sonde war erneut zu zünden. Sie hatte Brennschluss, wenn sie eine vorgegebene Geschwindigkeit erreicht hatte, da die Geschwindigkeitsänderung durch das Propulsion Module fest und unbeeinflussbar war. Wie immer gab es Reserven. Theoretisch hätte die Rakete 839 kg auf ein C3 von 110 km²/s² befördern können. Das beinhaltete eine Reserve von 68 kg für eine Underperformance, die 95 Prozent aller Fälle abdecken sollte. Voyager 1, die schnellere Sonde des Duos benötigte ein c3 von 105,5 km²/s². Wer nicht weiß, was ein c3 ist navigiert hierhin oder hierhin oder dorthin. Auch meine Artikel sind hoch redundant (durch Wiederholung prägt sich wichtiges besser ein).
Kurz nach Trennung von der Rakete gab es einen Fehler im AACS Computer, welcher die Zündung der Burner 2 überwachte. Es wurden die RTG und Scan-Plattformen ausgefahren. Die Scan Plattform rastete nicht ein und erzeugte ein Wippen, ein Moment das ausgeglichen werden musste. Nur behinderte gerade dieses Wippen die Zündung der Triebwerke, die bisher inaktiv waren und erst hochgefahren wurden. Es gab eine Prozedur um, das Dilemma zu lösen: Die Anforderung die Absperrventile zum Treibstoff zu öffnen wurde in der Priorität laufend erhöht, wenn das Moment nicht abklang und so würden die Triebwerke zünden. Kurz vor dem Zeitpunkt sandte das CCS erneut den Befehl nun auf die Backup-Triebwerke umzuschalten, da sich ja nichts tat. Das bedeutete eine erneute Verzögerung, die schließlich dazu führte, dass der Heartbeat über 16 Sekunden ausblieb. Das CCS interpretierte dies folgerichtig als Ausfall des primären AACS und schaltete auf das sekundäre AACS um. Das wusste von der Vorgeschichte nichts, und brachte schnell die Bewegung unter Kontrolle. Damit war das Problem gelöst. Aber durch die Momente war Voyager 2 nicht auf die Sonne ausgerichtet und das AACS fing nun an selbstständig nach ihr zu suchen und fand sie nach 3 Stunden und richtete sich auf die Sonne und Canopus aus. Es dauerte einige Tage bis die Bodenkontrolle die Computer und die Sondensysteme wieder in den normalen Zustand brachte.
Andere Probleme kamen und gingen oder wurden von automatischen Systemen an Bord automatisch gelöst. Zum ersten Mal hatten die Operateure am Boden das Gefühl, was es heißt eine Raumsonde mit eigener Intelligenz zu haben – nur gehorchte sie ihnen nicht immer. Das Problematischste war jedoch der Instrumentenausleger. Man stellte schließlich fest, dass er in der korrekten Position war, jedoch nicht eingerastet. Das AACS System meldete ihn als „nicht eingerastet“, worauf die Missionskontrolle die Kamera aktivierte und Sternfelder mit langer Belichtungszeit fotografierte und die Aufnahmen verglich mit der Erwartungshaltung. Nach dem Start erreichte Voyager 2 eine Bahn die vom Zielpunkt um 280,000 km abwich und die sie 44 Stunden zu spät zu Jupiter bringen würde. Eine kleine Bahnkorrektur im Oktober machte die Raumsonde um 13 m/s schneller und beseitigte diese Abweichung. Schon im November kreuzte die Raumsonde die Marsbahn. Am 24. August akquirierte Voyager 2 den Stern Kanopus und damit war die Sonde korrekt ausgerichtet und hatte eine stabile Lage. Ob der Ausleger eingerastet war, konnte nie geklärt werden, aber die Untersuchungen zeigten, dass er weniger als 1 Grad von der Sollposition entfernt war. Damit konnte man leben. Er sollte übrigens niemals Probleme machen.
Dafür gab es keine Probleme mit dem Ausfahren des Auslegers von Voyager 1. Voyager 1 erreichte mit 14517 m/s die bislang höchste Geschwindigkeit einer Sonde in äußere Sonnensystem.
Interessant? Das ist nur ein kleiner Ausschnitt des Buchs … Es ist aber nichts für Leute die schon „verseicht“ sind. Die sind mit dem Inhalt geistig überfordert.