Nach längerer Pause, auch weil anscheinend nun doch der Jungfernflug des Starship näher rückt, nun ein Blog über das Starship und seine Performance. Ich habe mir überlegt, ob ich die Problematik quantitativ ausführen soll (exakte Berechnungen) oder nur qualitativ, also konkrete Angaben machen soll oder nur die Probleme aufzeigen und eine Abschätzung abzugeben.
Ich habe mich für letztes entschieden aus einigen Gründen. Der wichtigste ist, dass alle Daten über das Starship auf kurzen Twitter Posts von Musk beruhen und die stimmten schon bei der Falcon nicht, dazu noch später mehr. Die Angaben sind zudem fließend, verändern sich also dauernd. Nur als Beispiel: Nun soll die erste Stufe 33 Triebwerke haben, früher war auch mal von 26 oder 29 Raptors die Rede. Der dritte Grund ist das SpaceX Fans, wie sage ich es einigermaßen nett, nicht gerade die Raumfahrtexperten sind. Die ziehen nach Jahren einen Blog hervor der uralt ist, um zu „beweisen“ das ich unrecht habe, völlig ignorierend das die damals beschriebene Falcon nicht die ist die heute fliegt. Wahrscheinlich wissen sie das nicht mal. Anders als bei der Wikipedia, wo es nur eine Seite zum Starship gibt, die man ändern kann, gibt es bei mir eben (fast) jeden Tag einen neuen Blog und der kann eben nur auf den aktuell geltenden Werten beruhen.
Ich denke in Zukunft wird dann auch noch ein Blog über Musks Vision einer „multiplanetaren“ Spezies kommen. Damit der Artikel nicht zu lang ist habe ich ihn in zwei Teile aufgeteilt, den zweiten Teil gibt es dann morgen. Ich bitte bis dahin sich mit Kommentaren zurückzuhalten.
Das Grundproblem
Das Grundproblem heißt Elon Musk. Er postet viel, nur stimmt vieles nicht. Nimmt man die Angaben von Elon Musk für die Falcon 9, hinsichtlich Strukturfaktor und spezifischem Impuls und dazu noch die Angaben auf der Website (das da etwas nicht stimmen kann, merkt man schon wenn man aus diesen Angaben die Brennzeiten berechnet, denn die stimmen nicht mit den Webseite Angaben für die Masse überein wenn man die Stufenmassen addiert) dann würde eine Falcon 9 ohne Bergung sogar die Nutzlastangaben der SpaceX Website übertreffen.
Das liegt daran, das Musk Strukturfaktoren in früheren Posts reklamiert die sonst niemand erreicht und spezifische Impulse des Merlin 1D Vacuum, die sogar theoretisch unmöglich sind. Warum er das macht ist ein Rätsel, denn es fällt ja auf wenn Satelliten in einen Sub-GTO gelangen, die theoretisch problemlos nach den Website Angaben in einen GTO befördert werden können. Meine persönliche Meinung ist wohl, dass er die Falcon 9 für militärische Starts anbieten wollte und ein Teil der Starts hat höhere Anforderungen als zivile Satelliten für die auch eine Falcon 9 mit den realen Angaben ausreicht. Bisher startet die Falcon Heavy denn auch nur militärische Nutzlasten für die die Falcon 9 nicht ausreicht.
Eine zweite Erklärung wohl passend zu Musks Ego ist, das er voreilig Angaben gepostet hat die als (sein persönliches?) Ziel galten und die man eben nicht erreicht hat. Alleine die Wiederverwendung zeigte, dass die Rakete nachgebessert werden musste. Die ersten Exemplare kamen in Bruchstücken an, die Strukturelle Integrität reichte für den Start aus, aber nicht den Wiedereintritt der ersten Stufe und so wurde diese schwerer. Daneben waren alle Angaben von Musk – teilweise wie beim Schub/Gewichtsverhältnis des Merlins finden sich diese bis heute in der Wikipedia, so viel „besser“ als die der Konkurrenz, dass ich Zweifel habe das man sie erreichen kann. Ich weiß bei SpaceX Fans gibt es die Grundüberzeugung das alle anderen Raketenbauer blöd sind. Aber an der Physik kann man nichts ändern und ich bin überzeugt das sie ähnliche Entwicklungssprünge im täglichen Leben sehr kritisch sehen würde. Wenn z.B. ein Automobilhersteller behauptet das er mit der gleichen Motorisierung doppelt so schnelle Fahrzeuge bauen kann, dann würden wohl auch bei SpaceX Fans die Alarmsirenen schrillen. Ein Elon Musk Beispiel neueren Datums ist das Superbooster/Starship 1 Million Dollar pro Flug kosten werden. Beides ist zehnmal schwerer als eine Falcon 9, die schon zu 80 % der Masse wiederverwendet wird und 67 Millionen Dollar kostet. Das ist höhere Musk-Mathematik.
Beispiel Falcon 9
Nicht auf der SpaceX Website, aber vor Fachpublikum beim IAC18 gab es einen Vortrag über die reale Performance der Falcons. Natürlich damit es keine Beweismittel gibt, ohne digitalen oder papieren Handout, aber jemand hat ein Foto gemacht. Da wird folgende Performance genannt:
Falcon 9 | Falcon Heavy | |
Rakete geht verloren | 6.500 kg | 15.000 kg+ |
Seelandung Dronenschiff | 5.500 kg | 10.000 kg |
Landlandung | 3.500 kg | |
Landlandung Booster, Seelandung Zentralstufe | 8.000 kg |
SpaceX weiß durchaus, welche Performance ihre Rakete hat, denn auf der Seite „Pricing“ werden zwar als theoretische Performance Musks Traumzahlen genannt, aber für den Preis wird dann die Nutzlast einer Falcon 9 auf 5,5 t in den GTO gesetzt und 8 t bei der Falcon Heavy – genau die maximalen Nutzlasten nach dem Foto bei einer Bergung der Stufen.
Modelliert man eine Falcon 9 mit Strukturfaktoren, wie sie andere Raketen haben und einem real erreichbaren spezifischen Impuls für das Merlin 1D Vakuum (348 s sind mehr als Tools wie FCEA2 für die Triebwerksangaben für den theoretischen Fall berechnen) so kommt sie auch auf genau diese Werte für die Angabe ohne Bergung. Ähnliches gilt auch für die LEO Nutzlast die nach der SpaceX Website 22,8 t betragen soll. Letztes Jahr reklamierte SpaceX einen neuen LEO Rekord von 16,7 t Nutzlast erreicht zu haben – natürlich bei ihren eigenen Starlink Satelliten. Man darf davon ausgehen, dass hier die maximale Performance der Falcon 9 genutzt wird um das Netz möglichst schnell aufzubauen. Man kann bei den Starlinks zur Anpassung an die Orbithöhe und Bahnneigung auch einfach Satelliten weglassen und so die Nutzlast an die Geschwindigkeitsanforderung anpassen, dass war nötig, als einige Starlink-Satelliten in einem zu niedrigen Orbit durch einen Sonnensturm nicht schnell genug an Höhe gewannen und verglühten. Auch bei 16,7 t Maximalnutzlast gibt es eine Diskrepanz von 6 t oder einem Viertel der Nutzlastangabe zu den reklamierten 22,8 t auf der Website.
Vergleich Starship und Falcon 9
Viel spricht dafür das Elon Musk bei dem Starship hinzugelernt hat und die Angaben näher an der Realität sind. So hat das Raptor ein niedrigeres Schub- zu Gewichtsverhältnis als das Merlin. Warum ist das erstaunlich? Zum einen weil diese Kenngröße für Triebwerke umso besser wird, je schubstärker sie sind und das Raptor hat mehr als den doppelten Schub des Merlins. Zum anderen ist es ein Triebwerk mit dem „staged Combustion cycle“ (eine vernünftige deutsche Übersetzung dafür gibt es nicht). Triebwerke dieser Art haben keinen Gasgenerator, dafür einen Vorbrenner. Derr Vorbrenner erzeugt aus dem Treibstoff viel mehr Gas als ein Gasgenerator, wodurch das Triebwerk mit höherem Brennkammerdruck (beim Raptor 300 bar zu 97 bar beim Merlin) arbeitet und dieser hohe Brennkammerdruck sorgt für eine kürzere Düse und macht das Triebwerk leichter. Daneben erzeugt auch das Gas für die Turbopumpenförderung Schub, dass beim Merlin als Gasgeneratortriebwerk unnütz entweicht.
Anders als beim Merlin 1vac weiß man auch, dass die postulierten 380 s spezifischer Impuls des Raptors in der Vakuumversion eine Zielgröße ist und noch nicht erreicht wurde (365 bis 370 s bei der ersten Version, 375 s sollen bei den ersten Flugexemplaren erreicht werden). Ebenso spricht die Änderung der Triebwerkszahl für die erste Stufe dafür, dass man wohl den geplanten Schub des Triebwerks noch nicht erreicht hat.
Der Realismus zeigt sich auch beim Super-Booster der bei 3.500 t Treibstoff leer 160 t (Zielgröße) wiegen soll. Das ist ein Strukturfaktor von 1:23,5, deutlich geringer als die 1:30 die SpaceX/Musk für die viel kleinere Falcon 9 Erststufe angegeben haben und das obwohl auch hier gilt, dass eine rund achtmal größere Stufe eigentlich bessere Strukturfaktoren haben sollte.
Vieles spricht also dafür, dass selbst Musk in der Realität angekommen ist, in der man nicht einfach irreale Vorgaben machen kann, die technisch dann nicht umsetzbar sind.
Ein wichtiger Unterschied zwischen beiden Vehikeln ist, die Leermasse der letzten Stufe, also des Starships und der Falcon 9 Zweitstufe. Da beide einen Orbit erreichen, beträgt die reale Nutzlast für einen Orbit eigentlich: Leermasse der Oberstufe + Nutzlast. Ein Großteil des Nutzlastverlusts der Falcon 9 gegenüber den Wunschgrößen geht darauf zurück, das Musk für eine Oberstufe einen irrealen Strukturfaktor von 25 angab. Reduziert auf eine umsetzbare Masse steigert das die Leermasse von 4,7 auf 6,5 t und alleine das sind die 1,8 t Differenz zur realen GTO-Performance.
Für die LEO Nutzlast spielt dies eine kleinere Rolle. Da diese bei 16,7 t real liegt, da machen 1,8 t Mehrmasse nur etwa 10 Prozent der Nutzlast aus. Anders ist dies beim Starship das leer 120 t bei nur 100 t Nutzlast wiegt. Die „Oberstufe“ Starship ist also bedeutend schwerer als die Nutzlast selbst. Und selbst diese 120 t sind wenig bedenkt man das es nicht nur ein Orbiter ist, sondern eine stufe mit 1.200 t Treibstoff. Jedes Kilo das das Starship mehr wiegt senkt die Nutzlast um ein Kilogramm ab. Bei höheren Bahnen oder höheren Bahnneigungen sind es sogar mehr als 1 Kilogramm. Der Autor wird an das Space Shuttle erinnert. Auch dieses sollte mal 68 t trocken wiegen, wie andere jedes bemannte Raumfahrzeug der USA wurde es schwerer und wog dann 78 t. Das klingt nach wenig, aber die Nutzlast lag schon projektiert unter 30 t und die nahm nun auch um 10 t ab auf unter 20 t und das war dann schon drastisch, eine Nutzlasteinbuße von einem Drittel! Beim Space Shuttle gelang es in der 30-jährigen Einsatzgeschichte durch Schubsteigerungen beim RS-27 (SSME) Triebwerk und Gewichtseinsparungen beim Tank zuletzt sogar fast die Sollnutzlast (28,7 t) wieder zu erreichen. Aber der Raumgleiter zeigt das prinzipielle Problem auf. Wenn die 100 t Nutzlast nur erreichbar sind wenn das Starship die Zielvorgaben an Masse erreicht und die Raptors ihren spezifischen Impuls, dann sinkt die reale Nutzlast, wenn dies nicht der Fall ist. viel stärker ab als bei der Falcon 9.
Soviel für heute, morgen geht es weiter mit dem zweiten Teil.