Bernd Leitenbergers Blog

Die Super Heavy und ihre Tanks

Auf meinen heutigen Blog kam ich weil ich routinemäßig bevor ich einen Artikel schreibe, alles an Zahlenangaben noch mal nachprüfe was von SpaceX oder Elon Musk kommt und eine der Seltsamkeiten war die Höhenangabe der Super Heavy und ihre Treibstoffzuladung.

Die Fakten

Aber zuerst mal die Fakten, so wie man sie in der Wikipedia aber auch anderen Quellen durchlesen kann:

Daraus habe ich für den Artikel einfach mal die Tanklänge berechnet unter der Annahme die Tanks wären ideale Zylinder und kam drauf, das 3.600 t zwar in einen Zylinder von 69 m Höhe reingehen, aber dann fehlt der Platz für die Triebwerke.

Heute will ich es nochmals genauer rechnen und wir brauchen noch einige Daten und Formeln. Zuerst mal die spezifische Dichte von flüssigem Sauerstoff: 1,141 g/cm³ und flüssigem Methan: 0,4228 g/cm³.

Daneben brauchen wir die Formel für den Zylinderhinhalt:

V = h * r² * π

und die Formel für das Volumen eines Kugelsegments:

V = π / 6 * h * (3a² + h²).

Wobei h die Höhe der Kugel und a der Radius des Tanks, also 4,5 m ist.

Nun braucht man noch für die genaue Berechnung einen Hinweis wie die Tankdome geformt sind. Ich habe ihn in beiliegendem Foto gefunden. Er zeigt die Tankdome von Methan und Sauerstofftank. Die Löcher sind wohl Auslässe für den Treibstoff. Auf einem anderen Foto erkennt man auch Leitungen an dem flacheren Dom der sich hier als abgeflacht herauspuppt. Diesen kleinen Fehler – er macht bei dem Volumen wirklich nur Zentimeter in der Zylinderlänge aus – ignoriere ich mal.

Unstrittig ist das der flachere Dom der untere ist, wo die Triebwerke sind. Beim zweiten Dom kann es sich um den oberen Teil des Tanks (Abschluss zum Starship hin) aber auch um einen Teil des Zwischentanks handeln (ich gehe davon aus das die Super Heavy einen Integraltank verwendet also einen Tank durch einen Zwischenboden in Sauerstoff- und Methanteil geteilt ist. Die zweite Lösung, in der Produktion billiger, verwendet zwei getrennte Tanks, dann hat man in der Mitte der Rakete aber ein Volumen das nicht genutzt wird. Dafür kann man die Tankdome identisch bauen, das macht sie billiger.

Ich gehe im folgenden von dem Best-Case, im Sinne einer möglichst kurzen Stufe und damit dem Sparen von Gewicht aus, nämlich der das der obere Abschluss ebenso geformt ist, wie der mit 28 Löchern und es ein Integraltank ist.

Berechnung

Berechnen wir zuerst mal das Tankvolumen

Das geht nach der Formel V = Masse / spezifische Dichte

(ich spare mir bei trivialen Formeln einen Internetlink und hoffe das die meisten Leser nicht alles aus der Schule vergessen haben).

Also Masse:

Sauerstoff = 3600 t * 78 % = 2.808 t

Methan = 3600 t * 22 % = 792 t

Volumen:

Sauerstoff = 2.808 t / 1,141 g/cm³ ~ 2465 m³ (auf 1 m³ nach oben gerundet)

Methan = 792 t / 0,4228 g/cm³ ~1.874 m³ (ebenso nach oben gerundet)

Gesamtvolumen: 4.339 m³

Zuerst mal die Höhe eines Zylinders, wenn dieser Treibstoff in einen Zylinder mit 9 m Durchmesser gefüllt wird – wenn man es genau nimmt, müsste man ja die Wanddicke noch abziehen, da die 9 m sicher der Außendurchmesser sind.

Dadurch formulieren wir die Formel über den Zylinderinhalt so um, das die Höhe h berechnet wird:

h = V / π / r²

mit r= 4,5 m und V = 4339 m³ erhält man 68,21 m Höhe

Das ist nun etwas Dumm, wenn die Stufe nur 69 oder 70 m hoch ist, denn die Triebwerke kommen ja unten auch noch dazu. Oben ist es noch komplexer weil in der Raketentechnik nicht festgelegt ist wo man die Trennebene ansetzt. Elon Musk rechnet in diesem Artikel den Interstage also die Verbindung zum Starship noch bei der Masse hinzu. Ich denke aber nicht in der Höhe, denn das sind nach Abbildungen wenn die Trennebene wie bei anderen Raketen bei der Zylinder-Tankunterseite des Starships liegt weitere 6,5 m und dann kann man sich jegliche Weiterrechnung schenken, denn dann stehen nur noch 60 m für den Treibstoff zur Verfügung.

Nun sind aber Tanks nicht rein zylinderförmig, ein planer Boden wäre hohen Belastungen ausgesetzt, was ihn schwer macht. Sie werden durch Kugelschnitte abgeschlossen. Die haben auch den Vorteil das man an der Tiefsten Stelle die Leitungen für die Triebwerke und an der höchsten Stelle die Zuführleitungen für das Betanken positionieren kann und so die Tanks richtig voll befüllen bzw. weitestgehend komplett entleeren kann.

Wenn ich den niedrigeren Kugelschnitt nehme, weil er weniger Höhe beansprucht, also wiederum den „best Case“ so kann ich dessen Volumen berechnen, wenn ich seine Höhe kenne. Die habe ich durch Ausmessen mit dem Bildschirmlineal zu 25 % des Durchmessers also 9 m * 0,25 = 2,25 m bestimmt.

V = π / 6 * h * (3a² + h²)

V = π / 6 * 2,25 * (3*4,5² + 2,25²)

V = 77,6 m³ oder 1,22 m eines Zylinders mit gleichem Durchmesser

Ziehen wir die 1,22 m zweimal ab, für den oberen und unteren Tankdom, so bleiben noch

von der Zylinderlänge von 68,21 m:

h = 68,21 m – 2 * 1,22 m = 65,77 m

Das ist die zylindrische Länge des Zentraltanks bei 100 Prozent Füllung. Die gesamte Tanklänge ist um die Höhe der Dome (2,25 m) x 2 höher also 65,77 m + 2 x 2,25 m = 70,27 m

Und das ist höher als die Super Heavy sein soll. Dabei fehlen da ja noch unten die Triebwerke, die wenn sie direkt am Tank angebracht sind, was bei so vielen Triebwerken unwahrscheinlich ist, da verwendet man unterhalb des Tanks eine Spinne, in die die Treibstoffleitungen von oben kommen und die dann mit 33 Leitungen jedes Triebwerk darunter mit der gleichen Treibstoffmenge versorgen. Aber selbst dann haben wir noch weitere 3,1 m für die Höhe eines Raptors, zusammen also 73,37 m. Und das ist auch höher als die 2,25 m Höhe des Tankdoms, falls SpaceX die Höhe so definiert das die Super Heavy am oberen Abschlussring des Zylinderteils des Tanks endet.

Alle anderen denkbaren Fälle – also Tankabschlüsse mit Kugelschnitten größerer Höhe wie den Tank im Bild daneben, oder getrennte Tanks die dann jeweils durch Kugelschnitte abgeschlossen, oder ein echtes Schubgerüst wie bei anderen Trägern, sind benötigen noch mehr Platz und verlängern die Stufe weiter.

Erklärungsmöglichkeiten

Es gibt eine Reihe von Erklärungen. Die einfachste Erklärung ist, das alles nur zirka Angaben sind. Also 9 m Durchmesser auch für 9,20 m stehen können und 70 m Höhe auch für 70,4 m. Man muss nur leicht den Durchmesser erhöhen und die Länge sinkt schnell um einige Meter. Das wundert mich aber deswegen, weil sonst Elon Musk jede kleine Änderung in der Leistung heraus posaunt und eine gewissen Zahlenfetischismus hat. Im obigen Artikel erwähnt er das ein Raptor 298 Bar Brennkammerdruck hat und push die Leute das sie genau 300 bar erreichen, obwohl das in der Performance nun wirklich nicht viel ausmacht. Also wenn er 9 m Durchmesser haben will, dann nehme ich an, sind es 9,00 m und nicht 9,10 m.

Die zweite Lösung ist es die Dichte zu erhöhen. Die verflüssigten Gase die in der Raketentechnik eingesetzt werden, werden durch physikalische Verflüssigungsmethoden aus reinen Gasen gewonnen, solche Anlagen stehen auch bei jedem Startplatz, alleine um das dauernd verdampfende Gas wieder zu verflüssigen, sonst wäre es ja weg. Die Flüssigkeiten haben dann eine Temperatur knapp unter ihrem Siedepunkt, vergleichbar Wasser das nahe 100 Grad heiß ist. Jeder der mal eine Tasse Wasser in der Mikrowelle aufwärmte weiß, das Wasser sich dann ausdehnt, also mehr Volumen einnimmt. Es hilft aber meist nichts den Ausdehnungskoeffizienten zu kennen, denn der ist Temperaturabhängig. Bei Wasser liegt der Raumausdehnungskoeffizient z.B. bei 20 Grad bei 0,204 und bei 100 Grad bei 0,782.

Auch innerhalb der Wikipedia ist dies durchaus nicht systematisch. Da SpaceX „unterkühlte“ Flüssigkeiten schon bei der Falcon 9 einsetzt, (wahrscheinlich nur den Sauerstoff, bei Kerosin macht es weil die normale Temperatur weit vom Siedepunkt entfenrt ist wenig Sinn) gibt es eine Angabe das dies die Dichte um 2,5 bis 4 Prozent steigert.

Beim Artikel über flüssigem Sauerstoff wird aber als höchste Dichte 1,25 g/cm³ genannt, was 9,5 Prozent höher ist. Doch selbst dann ist offen, ob diese höchste Dichte in diesem konkreten Fall auch erreicht wird und für Methan gibt es überhaupt keine Angabe.

Vermutlich – so meine persönliche Meinung – will SpaceX mal 3.600 t unterkühlte Flüssigkeiten in den Tank bringen, nicht unterkühlt sind es 3.400 t. Die 200 t mehr würden mit einer Dichteerhöhung um 5,9 Prozent rein gehen, erscheint möglich, man muss bei dem niedrigen Wert für die Falcon ja bedenken das nur die Dichte des Sauerstoffs gesteigert wird, hier diese Technik aber auch beim Methan geht und das braucht wegen seiner geringen Dichte einen im Verhältnis viel größeren Tank als das Kerosin bei der Falcon 9.

Das wäre so nebenbei auch eine Erklärung, warum die Raptors beim Start am 20.4.2023 nur mit 90 Prozent Schub arbeiteten. Denn die Turbopumpen fördern ja Volumina und hat ein Volumenanteil mehr Masse so erhöht das den Treibstoffdurchsatz und weil von dem der Schub abhängt auch den Schub. 10 oder korrekterweise 11,1 Prozent mehr Schub erscheinen aber so nicht möglich. So tendiere ich eher zur einfacheren Erklärung: man hat den Schub begrenzt, weil die Triebwerke nicht ausgereift sind, wofür auch sechs Ausfälle sprechen.

Die Frage ist aber eher die: wenn man 3.600 t Treibstoff braucht, warum legt man die Tanks nicht von vorneherein auf diese Menge aus? Meine Vermutung: es sollten wirklich mal 3.400 t sein, zumindest war diese Zahl lange Zeit aktuell. Dann ist es in der physikalischen Wirklichkeit eben so, das Wunschwerte von Musk nicht eingehalten werden. Sie Super Heavy soll mal 160 t wiegen, ist nun aber trocken bei 200 t, das Starship 100 t, ist aber bei 120 t und bei einem Gefährt wie diesem mit so eklatanten Nutzlastunterschied zwischen Wiederverwendbar und Nicht-Wiederverwendbar (250 zu 150 t Zielwert) sinkt die Nutzlast dann rasch ab. Die Lösung ist wie bei der Falcon 9, die ja auch die Zielwerte nicht erreichte, der Trick mit unterkühltem Treibstoff. Bei vielen Triebwerken mit Gasgeneratorprinzip hat man durch die Erhöhung des Brennkammerdrucks durch eine leichte Veränderung des Gasgenerators den Schub gesteigert, so auch beim Merlin.

Nur hat das bei einem Hauptstromtriebwerk mit Preburner eine andere Auswirkung als bei einem Nebenstromtriebwerk wie dem Merlin. Da steigen etliche Engineparameter wie Brennkammerdruck mit an und bei Triebwerken, die jetzt schon bei 90 Prozent Schub ausfallen dürfte die Ausfallquote rasch ansteigen. Eine Wiederverwendungsrate von 1000-mal erreicht man eher, wenn man die Parameter konservativ wählt. Auch hier gibt es ein prominentes Beispiel: Die SSME waren für 100 Einsätze bei 100 Prozent Schub spezifiziert. Als das Space Shuttle immer schwerer wurde und so wie beim Starship die Nutzlast rapide absank, testete man sie erst bei 102 Prozent dann 105 Prozent, 107 und schließlich 109 Prozent Schub. Sie liefen noch, aber die Schuberhöhung um 9 Prozent reduzierte die Lebensdauer auf 55 Einsätze also um 45 Prozent. Praktisch hat man sie während der Space Shuttle Ära nie mit 109 Prozent Schub betrieben, 107 Prozent waren das Maximum, dazu kommt es erst jetzt bei der SLS wo sie nicht wieder verwendet werden.

Es wird wirklich spannend werden welche Nutzlast denn ein Starship mal transportiert, gerade das Space Shuttle Programm zeigt ja welche Überraschungen es da geben kann.

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