Das Thema ist nicht neu. Ich habe es auch schon zur Anfangszeit von SpaceX mehrmals durchgekaut. Aber die Beiträge rutschen nach hinten, selbst ich hätte heute Probleme, sie zu finden, weil selbst mit Google das Stichwort „Wiederverwendung“ sich in unzähligen Artikeln von mir irgendwo findet. Da wird es an der Zeit die Thematik nochmal aufzugreifen, auch weil SpaceX Fans mir Aussagen unterschieben wollen, die ich nie getätigt habe und natürlich völlig ignorieren, dass der rapide Anstieg der Starts seit 2020 die Situation geändert hat. Aber das Ignorieren das die Situation zum Zeitpunkt des Statements eine andere war, eine Art von Desinformation oder Fake-News was ist man ja gewohnt. Es gibt auch dieses Zitat von Thomas Watson CEO von IBM: „Es gibt meiner Einschätzung nach lediglich einen Weltmarkt für 5 Computer.“. Wird immer wieder gerne zitiert um zu zeigen, das er sich da enorm geirrt hat. Was nicht erwähnt wird: Das Zitat stammt von 1943, zwei Jahre, bevor der erste US-Computer fertiggestellt war und es war gültig bis 1950, erst dann, fünf Jahre nach dem ersten Rechner, wurde der fünfte in den USA in Betrieb genommen. Finde ich für eine Vorhersage im Bereich Computer nicht mal so schlecht. Heute würden Intel und AMD keine Vorhersage über die nächsten fünf Jahre machen, obwohl die Entwicklung heute viel weniger schnell verläuft.
Wiederverwendung ist nicht neu
Es ist ja nicht so, dass SpaceX die Wiederverwendung erfunden hat. Es gab in der Vergangenheit einige Versuche der Wiederverwendung. Den ersten bei der Redstone. Beim Mercury Programm kam das Marshall Raumfahrtzentrum der NASA auf die Idee, die Raketen doch mal wiederzuverwenden und probierte das mal aus. Man lies eine Redstone aus einer Höhe fallen, die zu einer gleichen Aufprallgeschwindigkeit auf dem Wasser wie bei einer Abbremsung mit dem Fallschirm führen würde und untersuchte sie – ein Paar Beulen und ein kleiner Riss waren die Folge, beides reparierbar, so das Ergebnis der Untersuchung. Die Space Task Group die das Projekt leitete, wollte aber nichts riskieren und nahm für jeden Start eine neue Redstone. Eine Redstone hält auch den Rekord der ersten Rakete die abhob und wieder landete. Das war mehr als 50 Jahre vor dem Grasshopper.
Später untersuchte man im selben Zentrum nun bei der Saturn die Wiederverwendung der Saturn V Erststufe S-IC. Auch diese wäre möglich, so kam man zum Schluss, aber erneut: im Apolloprogramm war Sicherheit viel wichtiger als die Einsparung von Kosten und es gab auch keine Probleme bei der Produktion der nötigen Stückzahl – alle Saturn V wurden lange vor ihrem Einsatz fertiggestellt, sodass es auch hier zu keiner Umsetzung kam.
Den letzten mir bekannten Fall bei Raketen ist bei Ariane 1. Anfangs fürchtete die europäische Industrie, sie wäre zu teuer und nicht konkurrenzfähig. In einem Windkanal des DLR untersuchte man daher das aerodynamische Verhalten der Erststufe bei einem Fall und kam zum Schluss, dass die Rakete zu hecklastig war, was bei der Öffnung der Fallschirme Probleme machen würde. Trotzdem wurde es einmal ausprobiert, bei Giotto, wo die Nutzlast weit unter der maximalen Nutzlast war. Auffinden konnte man die Stufe aber nicht mehr. Mit Ariane 2 und 3 kamen denn aber auch genügend Aufträge für Arianespace, sodass sich das Thema erledigt hatte.
Und dann ist da natürlich noch das Space Shuttle, von 1981 bis 2011 im Einsatz bei 135 Flügen mit nur zwei Ausfällen. Angesichts der bisher mageren Bilanz des Starships ist das rückblickend eine enorme Leistung. Das habe ich auch schon damals geschrieben.
Die Nachteile der Wiederverwendung
Ich bleibe mal bei dem technischen Aspekt, da er leichter errechenbar ist, als der wirtschaftliche Effekt. Wiederverwendung kostet Nutzlast, sie ist nicht umsonst. Am deutlichsten zeigt die SpaceX selbst. Zum einen zeigen dies die Starts selbst. Bei der Landung auf dem Dronenschiff muss die Rakete vorher abgebremst werden. SpaceX versuchte es bei den ersten Tests, ohne dies auszukommen. Das Ergebnis: es kamen nur Trümmerteile im Ozean an. Der grundlegende Unterschied ist, das beim Start die Rakete in den dichten Luftschichten langsam ist und dann immer schneller wird, gleichzeitig Höhe gewinnt und so eine immer dünner werdende Atmosphäre durchquert, die sie immer weniger bremst. Bei dem Rückfall auf einer Parabelbahn nähert sich die Rakete mit der Endgeschwindigkeit, die sie beim Aufstieg hatte, kaum abgebremst, den dichten Luftschichten und dann wirken aufgrund der Geschwindigkeit so hohe Kräfte auf sie ein, dass sie dies nicht überlebt.
Bei der Landung an Land beinhaltet die Drehung der Bahn, die nach dem Start Richtung Osten führt, zurück zum Startplatz also nach Westen, (bei einem Start vom CCAF aus) auch die Abbremsung. Dasselbe gilt dann auch für das Starship. Hier ist, weil man nicht nur die vertikale Geschwindigkeit egalisieren muss, sondern auch die horizontale, sogar der Treibstoffverbrauch noch höher. Der Treibstoff für diese Manöver steht nicht für das Erreichen des Orbits zur Verfügung und das hat Folgen. Die Nutzlast bei der Falc0n 9 ist geringer als sie es sein könnte. Die Website Angaben kann man als maximale Nutzlast ohne Wiederverwendung interpretieren. Die Leo-Nutzlast bei der Landung auf einem Dronenschiff beträgt nur 3/4 dieser Angabe und die GTO Nutzlast liegt nur bei 2/3. Das zeigt einen Trend: bei einem Orbit mit höherem Energiebedarf ist natürlich auch die Geschwindigkeit bei der Stufentrennung höher, entsprechend braucht man mehr Treibstoff um diese zusätzliche Geschwindigkeit zu vernichten und entsprechend sinkt die Nutzlast um so stärker ab je höher der Geschwindigkeitsbedarf ist.
Noch schwieriger wird es, wenn man auch die Oberstufe wiederverwenden will. Beim Space Shuttle hätte nach den Planungen die Nutzlast nur ein Drittel der Orbitmasse ausgemacht. In der Realität war es, weil die Fähren deutlich schwerer als geplant waren, sogar noch weniger. Das liegt an vielen Faktoren. Die Nutzlast wird von einer Hülle bei Raketen umgeben die in etwa 110 km Höhe abgetrennt wird. Sie erreicht daher keinen Orbit und ihr Gewicht schlägt nur zum Teil auf die Nutzlast durch. Zudem ist diese Hülle ziemlich leichtgewichtig. Würde man das Starship mit so einer Hülle ausstatten, sie wöge um die 5 t, die Nutzlastsektion wiegt aber, wenn man vom Space Shuttle extrapoliert rund 15 t. Diese 15 t gehen bei jedem Start von der Nutzlast weg. Das Space Shuttle hatte große Flügel, die brauchte es aber nicht zum Landen, es wäre auch mit kleinen wie das X-37b ausgekommen. Aber Flügel um ein Rollen zu vermeiden und den Auftrieb zu regulieren, müssen sein. Die wiegen auch etwas und finden sich auch beim Starship und nicht zuletzt braucht man einen Hitzeschutzschild, rechnet man den Schild vom Space Shuttle auf die Fläche des Starships hoch, so kommt man auch auf 10 bis 15 t Zusatzgewicht. Dann muss noch der Orbit verlassen werden und in der Endphase der Landung kommt eine Drehung und Abbremsung. Das zusammen benötigt Treibstoff, den eine nicht wiederverwendbare Rakete nutzen kann, beim Starship etwa 20 bis 30 t. Beim Space Shuttle als Gleiter deutlich weniger, dafür war dessen Trockenmasse durch die Flügel viel höher. Die Einbußen bei einem voll wiederverwendbaren System bei der Nutzlast sind daher enorm, viel höher als bei der Bergung nur der ersten Stufe. Für das Starship kann man sogar eine grobe Abschätzung machen: Das Starship ist genauso aufgebaut wie die SuperHeavy. Würde es dieselbe Startmasse/Trockenverhältnis (18:1) wie diese Stufe aufweisen, so läge die Leermasse beim V1 Starship bei etwa 70,5 t. Es hat aber nur sechs Triebwerke, viel weniger als die 33 der SuperHeavy bei 35 % der Treibstoffmasse, das bedeutet nochmal eine Gewichtseinsparung um 11 t. Dazu käme noch als zusätzliches Gewicht eine Nutzlasthülle, die bei gleicher Größe wie die fest montierte 5 t wiegt, wovon etwa 2,5 t auf die Nutzlast durchschlagen wurden, zusammen also ein Trockengewicht von 62 t. Zielvorgabe von SpaceX für die Trockenmasse des Starship sind aber 120 t, also doppelt so viel. Dazu käme noch der Landetreibstoff, weitere 20+ t. Insgesamt hätte ein Starship das nicht wiederverwendet wird, wohl aber die SuperHeavy, in etwa eine um 80 t höhere Nutzlast.
Derzeit, wenn ich die Starship Flüge mit meinem Programm simuliere, muss ich deren Masse sogar auf 170 bis 200 t erhöhen, damit ich auf die geringe Nutzlast komme, die sie bei den ersten neun Flügen haben. Das überrascht übrigens nicht: schon die Prototypen die Aufstiegs- und Landetests 2020/21 durchführten, wogen um die 200 t und hatten nur drei Raptoren und keinen Hitzeschutzschild.
Auch diese Erkenntnis das man die Zielvorgaben der Trockenmasse nicht erreicht, ist nicht neu. Beim Space Shuttle wurde mal für SDI erwogen auf Basis seiner Technologie ein unbemanntes Gefährt zu konstruieren, bei dem nur die beiden SRB wiederverwendet werden. Je nachdem wie viel man vom Shuttle entfernen würde, hätte das die doppelte bis dreifache Nutzlast des Space Shuttles gehabt.
Wir reden jetzt also nicht wie bei der Wiederverwendung der ersten Stufe um eine Reduktion der Nutzlast um 25 bis 33 Prozent, sondern um eine um 66 bis 75 Prozent durch eine wiederverwendete zweite Stufe. Noch schlimmer: auch das sind die Lehren aus dem Space Shuttle: steigt die Leermasse an, so sinkt die Nutzlast weiter. Das Space Shuttle sollte mal 29,5 t Nutzlast transportieren. Das erreichte es nie, obwohl die Nutzlast im Laufe der Entwicklung und des Einsatzes gesteigert wurde, waren es nie mehr als 24,5 t. Und beim Starship ist die Diskrepanz zwischen dem was die ersten neun Flüge an Nutzlast offerieren (gemessen am Resttreibstoff bzw. bei den letzten drei Flügen bei den mitgeflogen Dummymassen) noch viel größer.
Damit einher geht auch eine Reduktion des Einsatzspektrums. Durch die hohe Leermasse der wiederverwendbaren Oberstufe – ich nehme hier mal das Space Shuttle als Beispiel, weil es da belastbare Daten gibt – sinkt die Nutzlast deutlich ab. Die maximale Masse im Orbit lag bei 105 t, davon waren unter 25 t Nutzlast. Wird nun nur eine etwas höhere Geschwindigkeit benötigt, z.B. für eine höhere Bahn, so müssen 105 t beschleunigt werden und der Treibstoff geht von den 25 t Nutzlast ab. Zur ISS, die 200 km über einer niedrigen Bahn lag, sank die Nutzlast schon auf 18 t ab. Eine herkömmliche Stufe wiegt im Leo wesentlich weniger als die Nutzlast, die Falcon 9 Oberstufe schätze ich auf 6 bis 7 t bei real etwa 16 t Nutzlast. Bei anderen Trägern sieht es noch besser aus. Ariane 6 Oberstufe hat 6 t Trockenmasse bei 22 t Leo Nutzlast. Ohne Auftanken geht dann bei höheren Bahnen gar nichts mehr. Mal abgesehen davon, das diese Technik erst noch erprobt werden muss und auch noch nicht feststeht, wie schnell der Treibstoff verdampft und wie schnell ein Folgestart zum Auftanken erfolgen kann, bedeutet das in jedem Falle, dass weitere Starts nötig sind und die sind ja auch nicht umsonst. Alternativ kann man eine Oberstufe mitführen, aber die ist dann ja nicht wiederverwendbar und dann könnte man sich gleich die Wiederverwendung der zweiten Stufe sparen. Außer man verwendet einen Space-Tug, also eine im Orbit auftankbare Stufe, das war mal für den Space Shuttle geplant wurde aber nie umgesetzt.
Für eine Bergung der zweiten Stufe hätte ich einen wie ich meinen sinnvollen Vorschlag: Man führt eine dritte Stufe ein, die nicht wiederverwendbar ist, aber preiswert, z.B. ein Feststoffantrieb oder einer mit einem druckgeförderten Triebwerk. Dessen Auslegung gestaltet sich nach der wichtigsten Mission. Stufe mit Nutzlast werden in einer suborbitalen Bahn ausgesetzt. Das steigert die Nutzlast auf zweierlei Weise: der Treibstoff zum Verlassen des Orbits fällt weg und die Oberstufe muss viel weniger Geschwindigkeit aufbringen. Bei den bisherigen Teststarts 6 von 7,8 km/s. Würde dies um 2 km/s sinken, die abgesetzte Masse wurde um 77 % steigern, die reine Nutzlast (bei 120 t Trockengewicht und 100 t Nutzlast) um 185 %. Eine stufe würde aber nur einen Teil dieses Zugewinns ausmachen, bei 3 km/s Ausströmgeschwindigkeit und einem Voll-/Leermasseverhältnis von 10 würde die Nutzlast um 33 % auf 133 t steigen. Das müsste die zusätzlichen Kosten mehr als egalisieren
An dieser Stelle mache ich einen Break, beim nächsten Artikel beschäftige ich mich mit dem bedeutend schwierigeren Teil, nämlich den betriebswirtschaftlichen Aspekten.