Bernd Leitenbergers Blog

Analogkäse und Schwarzwälder Schinken

Gestern konnte ich bei einer Talkshow eine Auseinandersetzung zwischen einem Autor von „Verbrauchraufklärungsbüchern“ und einem Vorsitzenden der Lebensmittelindustrie sehen. (Fragen sie mich nicht nach dem Namen, kam gestern im Anschluss an Abenteuer Forschung, sonst hätte ich es wahrscheinlich gar nicht mitbekommen). Es ging anfangs um Analogkäse , Formschinken und Pesto mit wenig Olivenöl und ohne Pistazien. Aber schwenkte dann ziemlich schnell in Unterstellungen an die Firma des Vorsitzenden um, wahrscheinlich weil sich alle beim Thema Analogkäse einig waren.

Also: Diese Firma stellt offenbar Wurstwaren her und hat auch eine Räucherei im Schwarzwald. Dort wird dann Schinken nach traditioneller Art geräuchert und von der Firma als „Schwarzwälder Schinken“ verkauft. Die Schweine selbst stammen aus Nordrhein-Westfalen. Nun sei dies Betrug am Verbraucher und er sollte schreiben „geräuchert im Schwarzwald“, anstatt „Schwarzwälder Schinken“. Auch wenn ein Koch noch schlichten wollte indem er sagte, die Fronten wären inzwischen so verhärtet, dass es nur noch „Schwarz und Weis“ gäbe. hörte der angebliche Verbraucherschützer nicht auf weiter auf, seinem Gegenspieler bzw. seinem Produkt herumzuhacken und muss den Moderator angesteckt haben, der nun auch Gratinkäse als Betrug empfand, weil dieser aus geriebenem Edamer und Tilsiter bestand, anstatt aus Mozzarella wie er meinte. Nur Mozzarella gehört auf eine Pizza.

Das war wieder mal eine Gelegenheit wo man aufklären könnte und die man vertan hat. Zuerst einmal wie sieht es um das Verbot von Analogkäse und Co aus? Unser Lebensmittelrecht hat zwei wichtige Dinge: Das eine ist der Schutz von gesundheitlichen Schäden und das zweite ist der Schutz von Täuschung. So sind Lebensmittel die verdorben sind, oder ekelerregend, nicht verkehrsfähig. Hackfleisch darf nur einen Tag lang verkauft werden und aufgetaute Ware nicht mehr eingefroren werden. Das alles sind Gebote für den Gesundheitsschutz. Doch darum geht es nicht bei Analogkäse: Sojaeiweiß ist verkehrsfähig. Daraus wird Tofu gemacht und Pflanzenöle sind es auch, damit braten und kochen Millionen von Menschen, also ist der aus beiden Teilen bestehende Analogkäse verkehrsfähig. Das zweite ist der Schutz vor Täuschung und das wird sehr oft verletzt. Weniger von den Herstellern. Die verwenden das Wort „Käse“ bewusst nicht auf den Produkten. Das ist wegen der möglichen Täuschung verboten. Das ganze heißt nun „Pizza-Mix“ oder „Gastromix“. Die Täuschung fängt da an, wo dieses anstatt Käse eingesetzt wird und der Verbraucher dies nicht weis. Wer eine Pizza in einer Pizzeria kauft, geht davon aus, das darauf Käse ist und kein Käseimitat. Doch das ist ein Täuschungsversuch wie er schon bisher oft möglich war und begangen wurde. Als ich LM-Chemie studierte, wurden die meisten Kebab Buden abgemahnt. Einige wegen Verstößen gegen den damaligen 8 LMBG (das Hackfleisch war nicht frisch, teilweise waren die Spiese innen grün) meistens aber wegen Verstoß gegen den damaligen §17 also Täuschung, weil die Spieße nur aus Hackfleisch bestanden oder der Mindestgehalt an stückigem Fleisch unterschritten war. Man kann Wurst mit geringem Gehalt an Muskelfelsich herstellen, Trüffelleberwurst ohne Trüffel, etc. Wo immer Zutaten teuer sind und es billigen Ersatz gibt, wird es Leute geben, die das ausnützen. Aber es kann nicht Aufgabe der Politik sein, deswegen den billigen Ersatz zu verbieten. Nun könnte man bei Formfleisch darauf kommen, dass eine schnittfeste Stärkemischung mit Eiweiß ekelerregend ist und es deswegen verbieten. Doch wo ist da die Grenze? Ich finde Weinbergschnecken ekelerregend und fermentierte asiatische Soßen sind für mich verdorben – werden die dann auch verboten?

Das nächste wäre es festzulegen, woraus bestimmte Lebensmittel bestehen. Doch abgesehen dass dies eine riesige Aufgabe wäre – was wäre dann mit neuartigen Lebensmitteln? Für mein Buch hatte ich einen Waldfruchtriegel besprochen, bei dem die Obstfüllung fast ausschließlich aus Äpfeln und Datteln bestand. Waldfrüchte machten 2,9 % des Riegels aus, 72 % der Gesamtfurchtanteil, Das halte ich für eine Unverschämtheit. Natürlich kann man dies vor dem Kauf durch Lesen des Zutatenverzeichnisses herausfinden können. Doch es sollte nicht möglich sein. Es sollte eine Regelung geben, dass wenn etwas heraus beworben wird, es in größerer Menge – verglichen mit analogen Produkten enthalten ist. Der Vergleich mit dem Markt ist wichtig, denn natürlich werden Fruchtbonbons nicht zu 50 % aus Fruchtsaftkonzentrat bestehen – das geht technologisch nicht, dann sind es keine Bonbons mehr sondern Sirup.

Man sollte sich eines aber immer im Klaren sein: Es ist nicht möglich jedes Lebensmittel zu definieren. So ist die Anwandlung des Moderators, dass auf eine Pizza nur Mozzarella gehört seine persönliche Meinung, Vielleicht ist das so bei echt italientischen Pizzas in den Edelrestaurants in denen er speist. Aber alle Pizzas die ich kenne, sowohl Tiefkühlpizza wie auch vom Italiener, nehmen normalen Schnittkäse dafür. Wenn Mozzarella drauf ist dann heißt die Pizza auch „Pizza Mozzarella“ oder „mit Mozzarella“ – und das ist gut so, denn ich kann Mozzarella nicht ausstehen. Das gleiche ist die Sache mit dem Pesto: Diese Pestosoße soll nur wenig Olivenöl und sonst Sonnenblumenöl enthalten und Cashewkerne anstatt Pistazien. Ich bin mir nicht sicher, ob jede italienische Pestosoße nur aus Olivenöl und Pistazien besteht. Bei Produkten die variiert werden können gibt es eben solche Möglichkeiten. Nach Wikipedia ist das zumindest der Normalfall. Wenn es nach dem Moderator ginge gäbe es wahrscheinlich nur noch Produkte nach „Original“ Rezepturen – wenn es diese bei einem Gericht mit so, vielen Variationen wie Pizza z.B. gibt.

Zurück zum Schwarzwälder Schinken. Mich wundert dass hier zwei Fragen nicht gestellt wurden:

Selbst meine Mutter wusste sofort, das bei Schwarzwälder Schinken die Räuchermethode das entscheidende ist. Natürlich spielt auch noch die Fleischqualität eine Rolle, doch über die entscheiden die Haltungsbedingungen und nicht die geographische Region, in der ein Schwein aufgewachsen ist. Daher ist die Kennzeichnung in Ordnung und eine andere ist auch nicht möglich: Denn „Schwarzwälder Schinken“ ist eine geschützte geographische Angabe. Sie steht für ein bestimmtes Verfahren und für ein bestimmtes Produkt. „Schinken im Schwarzwald geräuchert“, hat diesen Bezug nicht. Er sagt auch nichts übers Produkt aus. Das spezifische ist z.b. das Räuchern mit Nadelholz, Wacholder, dass einen besonders kräftiges, rauchiges Aroma ergibt. Der Vorstoß dieses „Verbraucherschützers“ wäre daher nicht mehr Aufklärung sondern weniger.

Natürlich könnte man nun fordern, dass bei Schwarzwälder Schinken die gesamte Produktionskette im Schwarzwald liegen muss, also auch die Schweinezucht. Das kann man fordern. Aber dann muss man auch mit den Konsequenzen leben. Im Schwarzwald gibt es nur wenig Schweinezucht und der Schinken wäre dann wahrscheinlich genauso selten im Kühlregal wie Kaviar. Im Übrigen kauften auch schon früher die Schwarzwälder Metzger ihre Schweine aus Frankreich oder dem Rest von Baden Württemberg, so dass dies nicht mal die früheren Zustände abdeckt. Das ganze gilt dann auch für zahlreiche andere regionale Spezialitäten wie Parmaschinken, Serraner Schinken oder Frankfurter Würstchen.

In jedem Falle tun solche „Verbraucherschützer“ sich keinen Gefallen und auch der Moderator war keine Glanzleistung. Aufgeklärt hat diese Sendung rein gar nichts – aber dafür gibt es ja diesen Blog.

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