Bernd Leitenbergers Blog

Ohne Entdeckerbonus geht es nicht

Nebenbei lese ich gerade ein Buch über Gemini, um in der zweiten Auflage nicht nur den Stil zu verbessern, sondern auch mehr Informationen in mein Buch reinzupacken. Irgendwie kam ich (mal wieder) auf den Gedanken, warum damals die viel teureren Raumfahrtprogramme nicht so kritisiert wurden wie heute. Es gibt dafür viele Gründe. Einer, vielleicht nicht damals der wichtigste, aber sicher heute nicht unbedeutend, ist sportlicher Natur: Es ging bei Gemini und Apollo darum mit jeder Mission mehr zu erreichen, Rekorde aufzustellen, Erstleistungen zu bringen. Gerade bei Apollo zeigt sich ja auch ein Abfall des Interesses als die erste Mondlandung absolviert war – nun erschienen die folgenden nur noch als „Wiederholung“.

Ähnlich gelagert ist das Argument, bemannte Raumfahrt müsste gemacht werden, weil Menschen immer neue Herausforderungen suchen, Entdecker sind. Ich bestreite nicht, dass einige Menschen so veranlagt sind, so wie einige Forscher mit Leib und Leben sind, andere gerne Bücher schreiben und Lehren. Aber der Großteil ist es nicht. Gerne zitiert wird dann der Ausspruch eines Bergsteigers, als ihn ein Reporter fragte, warum er denn nun gerade diesen Berg besteigen will: „Weil er da ist“. Das soll die Antriebsfeder der ganzen Menschheit sein.

Das ist Blödsinn. Die meisten Expeditionen die es in der Vergangenheit vor dem Raumfahrtzeitalter gab, waren wirtschaftlicher Natur: Finden neuer Handelswege, Zugang zu Rohstoffen oder nur die Hoffnung das dem so sein könnte. Später kamen Expeditionen dazu, die diese neuen Handelswege sicherer machen sollten, indem sie die Route kartierten. Erst sehr jung sind die finanzierten Forschungsreisen, ohne jeden konkreten wirtschaftlichen Zwecke, wie die von Darwin oder Humboldt. Sie sind mit unseren heutigen Raumflügen vergleichbar: Finanziert nicht von einem Einzelnen, und sei es ein König, sondern vom Kollektiv, das begonnen hatte Wissenschaft als Kulturgut zu begreifen. (Wobei natürlich jede Wissenschaft irgendwann auch Ergebnisse fördert die praktisch genutzt werden können).

Vor allem gibt es genügend Gegenbeweise, dass Menschen etwas nicht erforscht haben, obwohl es vor ihrer Haustür liegt, weil es offensichtlich kein wirtschaftliches Interesse daran gab. Als kleines Gegenargument zu dem Spruch „Weil er einfach da ist“ – Die Alpen liegen mitten in Europa. Über sie marschierte schon Ötzi oder Hannibal. Trotzdem kam während der ganzen Jahrtausende kein Schwein auf die Idee auf die höheren Gipfel zu klettern. Wächst dort was was man ernten könnte? Gibt es dort Erzvorkommen? Das setzte erst im neunzehnten Jahrhundert ein, als die ersten Touristen in die Alpen kamen. Die Zugspitze wurde erstmals 1820 bestiegen.

Nun was hat das mit der Raumfahrt zu tun. Ich glaube nicht, dass es diesen Trieb gibt permanent etwas neues zu entdecken ohne das man konkrete wirtschaftliche Vorteile sich erhofft. Wenn die da sind, dann bewegen sich ganze Völkerschaften auf zu etwas neues. Es mag einzelne geben, die so veranlagt sind, aber nicht die breite Masse. Daher wird man sich schwer tun, wenn die breite Masse dann Marsexpeditionen oder ähnliches finanzieren soll dies mit diesem Argument zu begründen.

Eher glaube ich zieht das sportliche Argument: Wir wollen erster sein, Rekorde aufstellen oder besser sein als andere. Nun das letzte scheidet aus, wenn man schon international eine Raumstation betreibt. Erster sein können wir höchstens noch beim Mars. Und mit Rekorden aufstellen hapert es auch. Jetzt kann die NASA noch jeden Shuttle Flug als kleinen Rekord feiern, weil jedesmal die ISS etwas größer wird. Doch wenn sie mal fertig ist? Wer hat sich noch für Skylab interessiert, als die erste Mission zurückkam und die Station repariert hatte?

Auch aus der Geschichte des Space Shuttles kann man lernen – als dieser nach dem Challenger Unglück wieder flog, es keine Probleme mehr gab, interessierte sich kein Schwein mehr für das Space Shuttle. Ich wage zu prognostizieren, dass es schon vor 10-15 Jahren außer Dienst gestellt worden wäre, wenn nicht die russische Wirtschaft zusammengebrochen wäre und es so zu den Shuttle-Mir Flügen gekommen wäre, bei denen die NASA die Mir mitfinanzierte und dafür US-Astronauten dort Langzeiteinsätze absolvieren dürften.

Das Konstellation Programm hat nun ein ziemliches Problem: Es hat schon nicht den Anspruch einen Entdeckerbonus einzuheimsen. Zuerst mal geht es zum Mond und zwar in Apollo -Style. Vielleicht kommt mal später so was sie eine Mondstation und noch viel später eine Marsexpedition. Aber erst mal soll ein dreistelliger Milliardenbetrag für die Wiederholung eines Programmes aufgewandt werden, das vor nahezu 40 Jahren abgeschlossen wurde.

Leute, schaut mal Nachrichten. Wenn da Sportnews kommen, dann hört man nicht „Läufer XY ist bei der Olympiade genauso schnell gelaufen wie vor 40 Jahren Läufer Z, er wurde vorletzter“. Es interessiert keinen Schwein, wenn man etwas erreicht was schon mal einer erreicht. Es interessieren nur Rekorde und Erstleistungen.

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