Bernd Leitenbergers Blog

Die neue Politik der NASA

Wie vielleicht schon allseits bekannt, hat Obama der NASA einen neuen Kurs verordnet. Das Constellationprogramm wird ohne Wenn und Aber eingestellt. Nun was ist davon zu halten? Wenn ich nur meine persönlichen Wunschvorstellungen betrachte könnte ich es mir ganz einfach machen: Dann würde ich wohl sagen: „Der Beschluss ist scheiße!“. Nicht weil ich so viel vom Constellationprogramm halte, sondern weil ich gerade beim ersten Korrekturlesen des kombinierten ATV/ISS Buches bin. Da steht der momentane Stand drin: Die ISS wird bis 2016 betrieben, ab 2015 soll die Orion die Mannschaften transportieren, Orion soweit Daten bekannt sind, wird auf einigen Seiten besprochen. Das alles kann ich nun umschreiben, das bedeutet sicher eine Woche Mehrarbeit.

Aber ich gehöre ja nicht zu denen die eine Lösung nur deswegen gut oder schlecht finden, weil sie den persönlichen Wünschen oder Vorlieben entspricht. Um die Entscheidung von Obama zu verstehen sollte man sich klar sein, wie es vorher aussieht. Das Constellation Programm von Bush sollte zwar zum Mond führen, aber ohne wesentliche zusätzliche Finanzmittel. Es sollte durch Einsparungen finanziert werden: Aufgabe der Space Shuttles bis 2010, der ISS bis 2016. Wer sich vergegenwärtigt, das in den 60 ern zur Zeit von Apollo das NASA Budget rund 3 % des US-Haushaltes ausmacht und heute nur noch 0,6 % dann dürfte klar sein, dass dies so nicht geht.

Die Folge war schon jetzt sichtbar: Das Programm wurde zusammengestrichen. Von einer Mondbasis ist keine Rede mehr, Frachtversion von Orion gestrichen. Altair Lander noch nicht mal im Design festgelegt andere neue Technologien wie Methan/LOX Antrieb ebenfalls. Dazu kamen Probleme bei der Entwicklung.

Die Augustinekommision stellte fest dass anstatt 2018/19 wie noch 2005 geplant nicht vor 2028 Menschen auf dem Mond landen können. Eine, Erstleistung die von Apollo bei weitgehenden Neuentwicklungen in acht Jahren erbracht wurde, braucht nun die dreifache Zeit, nämlich 24 Jahre. Und dies für eine reine Wiederholung, denn die Teile, die über Apollo rausgingen wurden ja gestrichen.

Betrachten wir einmal das neue Programm. Es umfasst folgende Teile:

Eine Forderung war ja: Die Ares/Orion wäre zu teuer und die NASA sollte kommerzielle Services für den Mannschaftstransport nutzen. Dies wurde nun umgesetzt. Doch bringt es in der Praxis etwas? Bisher war es doch so: Die NASA vergab einen Auftrag an die Industrie, wählte aus den Angeboten eines aus und die Industrie baute dann das für die NASA. Der Unterschied ist nun nur noch, dass die NASA kein Design mehr auswählt sondern nur noch für den Transport bezahlen will. Wobei die Mittel die ja schon ab nächstem Jahr fließen. Es wird so auch wieder auf eine Vorfinanzierung hinauslaufen.

Zwei Dinge erscheinen mir wichtig: Geld wird die NASA nur einsparen können, wenn es mehr als ein System gibt, also Konkurrenz. Weiterhin sollte dann auch die NASA sich vollständig aus der Konstruktion zurückziehen und nur noch spezifizieren was sie will: Was transportiert werden soll zu welchen Konditionen. Wenn ich eine Spedition engagiere dann kümmere ich mich ja auch nicht um den Aufbau des Lasters. Das ermöglicht erst die Konstruktion des Raumschiffes zu optimieren.

Das zweite: Sicherheit kommt durch Standards die eingehalten müssen und das ist der Knackpunkt: Challenger ging verloren, weil die NASA als Auftragnehmer Thiokol unter Druck setzte, damit der Shuttle bei Minustemperaturen startete obwohl dieses wussten, dass die Dichtungen dann nicht schnell genug in ihre Höhle krochen, wenn sich nach dem Start der Druck aufbaute.

Derzeit gibt es das Gegenteil: Die Sicherheitsanforderungen werden so hochgeschraubt, dass es unnötig teuer wird. Siehe Diskussion Ares/Atlas/Delta. Ob dann kommerzielle Transporte billiger werden? Vor allem sehe ich bei hohen Sicherheitsanforderungen keine Chance für Newcomer. Elon Musk von SpaceX meint ja, dass er einfach einen Fluchtturm auf seine Dragon/Falcon 9 setzt und das war es dann. So einfach wird es nicht gehen und das ASAP sieht das auch so.

Ich denke ich werde den Abschnitt über die Orion nicht aus dem Buch werfen: Lockheed Martin hat einige Milliarden für die Entwicklung bekommen und wäre ziemlich blöd, wenn es nicht eine abgewandelte Orionkapsel als kommerziellen Raumtransporter der NASA vorschlagen würde…. Meine Prognose: Kommerzielle Transporte werden nichts fundamentales ändern zumindest nicht finanziell. Vor allem wenn die NASA wieder für einen Anbieter die Entwicklung zahlt. Sinnvoll wäre sicher eine andere Vorgehensweise: Die NASA überlegt sich wie viele Kapseln sie bis 2020 so braucht. Addiert die geschätzten Kosten für Orion zu den Flugkosten und offeriert diese Summe jährlich für Flüge – wer das beste Angebot macht gewinnt den Zuschlag. Aber das wäre für die NASA wohl etwas zu viel „commercial“….

Für die NASA könnte es aber eine Folge haben: Sie wäre dann nicht mehr verantwortlich für Unfälle oder Fehlschläge, denn sie ist ja nur noch Kunde (zumindest wenn sie sich auch nur als Kunde verhält). Man denke mal an die Kritik der NASA nach Challenger und Columbia. Das wäre sicher für die NASA kein schlechter Aspekt. Dann könnte es so kommen wie bei Apollo 1, als North American im Kreuzfeuer der Kritik stand, obgleich natürlich die NASA die Kapseln vorher so abgenommen hat wie sie waren. Immerhin: Die komplette Umkonstruktion des Kapselinneren dauerte damals rund 17 Monate. Nach Columbia und Challenger erforderten weitaus kleinere Änderungen im NASA Beamtenapparat 31 bzw. 29 Monate.

Die mobile Version verlassen