Bernd Leitenbergers Blog

Afghanistan

Der Tod von sieben Soldaten hat das Thema Afghanistan wieder (mal) in die Schlagzeilen gebracht. Das Thema ist ziemlich vielschichtig, weshalb fast jeder in einer politischen Diskussion gute Argumente für seine Position bringen kann. Die Diskussion trieb seltsame Blüten. Da gab Gutti zuerst an, dass er einen Leopard Panzer nicht für sinnvoll in Afghanistan hält, weil bei dessen Gewicht die erste Brücke nach Kundus zusammenbrechen würde, aber orderte später zwei Panzerhaubitzen auf dem Leopard Fahrgestell dorthin.

Für mich war neu, dass die Bundeswehr offenbar schlecht ausgerüstet ist für den Einsatz. Neben den Panzerhaubitzen sollen auch Kampfhubschrauber fehlen. Da frage ich mich wie das möglich ist. Fehlen der Bundeswehr offenbar notwendige Ausrüstung generell, während sie viel Geld für neue Kampfflugzeuge ausgibt, die ihr in den Typen von Einsätzen die sie nun absolvieren muss nichts nützen? Oder hat sie die Ausrüstung, und bringt sie nicht zu den Soldaten die sie benötigen? Warum erwartet man von der Bundeswehr Kampfeinsätze und gibt ihr nicht die bestmöglichste Ausrüstung? Wofür haben wir eigentlich die Waffen? Damit sie in Depots rumstehen?

Das Hauptproblem ist aber kein deutsches. Es ist der Einsatz an sich. Seit 2001 kämpft man gegen die Taliban. Seit nun über acht Jahren. Der Grundfehler war es, dass die Amerikaner nachdem sie recht schnell die Kontrolle über den Großteil des Landes gewonnen haben einfach die Truppen abgezogen haben um sie für den Irakkrieg frei zu bekommen. Es ging damals Bush nicht um Afghanistan noch gab es einen Plan für den Einsatz nach dem von der Öffentlichkeit geforderten Rachefeldzug für „911“. Seitdem gibt es Kämpfe. Wie soll man ein Land aufbauen, neue Regierungs- und Verwaltungsstrukturen aufbauen, wenn noch gekämpft wird.

Das zweite ist das nun die Offensive mit afghanischen Regierungstruppen durchgeführt wird, die danach die alleinige Verantwortung erhalten sollen. Auch hier die Frage: Warum erst jetzt? Es dauert doch keine acht Jahre Truppen auszubilden, erst recht nicht in einem Land, in dem seit 1979 mit kurzen Unterbrechungen Krieg herrscht. Da sollte man doch eigentlich schon ausgebildete Truppen vorfinden.

Das Hauptproblem ist aber etwas komplett anderes: Zu glauben, das Afghanistan eine Demokratie im westlichen Muster etabliert werden kann. Weder die Russen schafften dies im Afghanistan Krieg, noch die Briten vor Hundert Jahren. Afghanistan ist kein Land in unserem Sinn sondern eine Mischung von Stämmen, die sich seit ewigen Zeiten gegenseitig bekriegen oder zumindest das Leben schwer machen. Wenn es so was wie einen Staat im eigentlichen Sinn gibt, dann wohl eher wie in Jugoslawien oder der UdSSR: Ein Gebilde von kleinen Ländern mit jeweils eigenen Völkern, die sobald eine zentrale Gewalt wegfällt in seine Einzelteile zerfällt.

Sollte man deswegen abziehen? Natürlich sind das Gründe für das Abziehen. Aber dann hätte man auch 2002 abziehen können. Ich halte das Ziel das nun verfolgt wird für konsequent: Den Afghanen die Verantwortung zu übertragen und dabei sukzessive die Truppen abzuziehen. Nur: Auch dabei bleiben. Wenn man nun sagt bis Ende 2011 ist die Bundeswehr abgezogen, dann sollte dieser Termin auch feststehen. Zehn Jahre sind genug und wenn bis dahin die Afghanen es nicht hinbekommen, dann bestimmt auch nicht in zwanzig Jahren.

Zumal das was erreicht wurde nicht gerade etwas ist, auf das man stolz sein kann: Eine korrupte Regierung, die alles tut um an der Macht zu bleiben. Wie man in einem Video sehen konnte, macht Kahsai sogar zusagen an die Taliban nahestehenden Stammesführern Zusagen nur um an der Macht zu bleiben. Die Wirtschaft von Afghanistan besteht heute im Mohnanbau und dagegen wagt keiner vorzugehen, eben weil weder Regierung noch Truppen die Kontrolle über die Landesgebiete haben sondern Warlords.

Nur denke ich wird es anders kommen: Wahrscheinlich wird in einem Jahr die Situation immer noch nicht besser sein und wieder wird nicht abgezogen. Aber eines wird Afghanistan nicht werden: ein friedliches, demokratisches Land. Irgendwann werden auch die Menschen in Afghanistan „reif“ für demokratische Werte in unserem Sinn sein. Vergessen wir nicht: Das ist heute noch die Ausnahme. Wir haben echte Demokratien in Europa, Nordamerika und einer Handvoll anderer Länder. Dann gibt es „instabile“ oder Semidemokratien in vielen Ländern. Bei vielen Ländern in denen der Islam die Hauptreligion ist fehlt da noch einiges wie man selbst am Beispiel der Türkei sieht die ja in die EU will. Demokratien entstehen meiner Vorstellung her von Innen heraus: Das Volk revoltiert entweder gegen Diktaturen (Umbruch in Osteuropa 1989) oder gegen ausländische Okuupatoren (USA, Indien, große Teile Südamerikas). Eine Demokratie von Außen zu verordnen geht nicht.

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