Bernd Leitenbergers Blog

Die Heimcomputerschwemme

ORIC 1

Wer wie ich in den Achtzigern seine Jugend verbrachte kann sich noch erinnern: die vielen verschiedenen Heimcomputer die es gab, wobei (um gleich mal eine Unterscheidung zu treffen) mich auf die 8-Bitter beschränken will. Sicher fallen den meisten noch Namen wie die Amstrad CPC Serie, der legendäre C64 oder der Sinclair Spektrum ein. Doch das sind nur die bekanntesten einer ganzen Schar. Da gab es noch das Video Genie, den Dragon, den Oric, den Tatung Einstein, die ganze Serie von Spectravideo, den Adam von Colleco und dann noch die MSX Serie.

Obwohl damals es so viel mehr verschiedene Rechner gab, waren die Stückzahlen bescheiden – in den Achtzigern war der Computer noch die Ausnahme im heimischen Wohnzimmer. Wie aber ging trotzdem die Rechnung auf? Nun ich will man beleuchten, warum es so viele Rechner gab. Es gibt einen einfachen Grund: Weil es technisch so einfach war.

Fangen wir mal an was man damals unter einem Heimcomputer verstand. Es war ein Gerät, das man heute wohl unter einer zu dicken Tastatur einordnen würde. In dem Gehäuse steckte die gesamte Elektronik auf einer Platine. An der Rückseite gab es die Anschlüsse für die Peripherie. Üblich war ein Anschluss für einen Joystick, ein Druckeranschluss, ein Anschluss an ein Fernsehgerät (meist mit externem Decoder) und der Peripheribus. Letzterer war eine Kopie des Adress- und Datenbusses und erlaubte die Erweiterung des Geräts. Bessere Geräte hatten auch einen separaten Floppyanschluss.

Wer den Computer einschaltete den begrüßte ein BASIC Interpreter – kein Betriebssystem. Stattdessen dürfte man so nette Sachen wie 10 for i=1 to 100:? i,:next eintippen.

Die obligate Peripherie bestand aus einem Nadeldrucker und entweder einem Kassettenrecorder oder einer Floppy als Datenspeicher. Letztere war lange Zeit Luxus und kostete genauso viel wie das Gerät selbst.

Technisch basierten die meisten Rechner auf dem Z80 oder 6502 Prozessor, manche auch auf Varianten des 6800 wie dem 6809. Intel war mit dem 8085 Prozessor damals praktisch nicht vertreten. Warum gab es so viele verschiedene Rechner? Weil es technisch so einfach war. Nehmen wie die Zutaten eines typischen Rechners mit 32 KByte RAM und 32 KByte ROM. Man benötigt den Prozessor selbst, dann ein ROM zum Speichern des Betriebssystems und Basic Interpreters und das RAM. Das RAM gab es in Form von Standardbausteinen wie dem Typ 4164 oder 6116. Das ROM wurde bei Großserien meistens maskenprogrammiert (eine Maske entschied schon bei der Belichtung welche Kreuzungsstellen ein Bit enthalten oder nicht). Bei Kleinserien, oder den ersten Exemplaren waren auch EPROM’s üblich, wie das 2754 oder 27128. Ein EPROM wird durch eine hohe elektrische Spannung programmiert und kann auch wieder durch UV-Licht gelöscht werden. Daher wurde bei den Computern das im freien Verkauf übliche Quarzfenster (übrigens das teuerste Teil bei einem EPROM) weggelassen und durch einen Plastikprof ersetzt oder überklebt.

Was noch benötigt wurde waren einige Bausteine der 74xxx Serie. Diese Bauteile waren einfache Gatter die dazu dienten abhängig von bestimmten Signalen zwischen den Chips oder den Bussen die nach außen gingen umzuschalten. Dazu ein Beispiel: Der Rechner soll über 32 KByte RAM (Adresse 0-7FFFH) und 32 KByte ROM (Adresse 8000-FFFFH) verfügen. Wenn nun auf das ROM zugegriffen werden soll, darf sich nicht das RAM angesprochen fühlen. Das kann man erreichen indem ein Gatter das Chip-Select und das höchstwertige Bit UND Verknüpft und damit das ROM an den Adressbus schaltet und beim RAM das Chip-Select Signal nicht weiterreicht. Je mehr Chips vorhanden sind und je mehr Anschlussmöglichkeiten es gibt, desto mehr dieser Bausteine sind nötig, weshalb viele Hersteller einen eigens programmierten Baustein für diese Aufgabe hatten. Aber es geht auch ohne.

Bis dahin ist das noch ein Rechner denn jeder so machen kann – es gab in den achtziger auch zahlreiche Selbstbau-Einplatinenrechner um Computern von der Pike auf zu lernen – man programmierte das EPROM mit einem einfachen Überwachungsprogramm, dem Monitor als „Betriebssystem“ und gab Daten über 7-Segmentanzeigen aus und über eine Hexadezimaltastatur ein.

Der Unterschied beim Heimcomputer ist die Tastatur, der Bildschirm und der Basic Interpreter. Es gab damals schon Bausteine die sich vollständig um die Erzeugung eines PAL/NTSC Signals kümmerten, wie dr MC 6845 Videocontroller. Das lief üblicherweise so ab, dass man einen der Modi des VideoProzessors aktivierte und der Prozessor dann in einen dafür reservierten Speicherbereich des RAM das Bitmuster schrieb, das erscheinen sollte. Der Videoprozessor kümmerte sich dann um die Erzeugung der PAL/NTSC Signale. Oftmals gab es separate Geräte für NTSC und PAL oder getrennt Boxen nur für die Signalerzeugung.

Auch für Töne gab es schon Bausteine wie den AY-8910/8912. Dieser konnte immerhin mehrstimmige reine Sinustöne, sowie Rauschen erzeugen.  Auch hier reichte es die Parameter des Sounds zu übermitteln und das Gerät kümmerte sich um die Erzeugung. Auch für das Speichern der Daten auf die Floppy gab es eigene Bausteine wie den NEC 765 Kontroller. Trotzdem war damals fast nichts standardisiert: Fast jeder Hersteller hatte ein eigenes Format zum Speichern auf die Floppy. Wählbar waren Sektorgröße (256, 512, 1024 Bytes) Anzahl (5 bis 16) und Anzahl der Spuren (35-43). Das dies standardisiert war, machte auch tricks möglich. So konnte mein Rechner nominell nur 40 Spuren anlegen. Wenn ich jedoch die Disketten mit 43 Spuren formatierte, gingen mehr Daten drauf und das Betriebssystem erkannte dies auch, wenn man ein Byte änderte.

Andere Bausteine waren für die Standardschnittstellen Centronics und RS232 verfügbar.

Bleibt die Software: Die Computer waren noch so klein, dass wenige Personen, bei entsprechender Hingabe sogar ein einzelner. So programmierte Steven Wozniak das Apple OS und den Basic Interpreter selbst und Gary Kildall auch den Kern von CP/M. Doch selbst bei anlegen von Industriemaßstäben (pro Programmierer 10 Zeilen Code/Tag) entspricht ein 32 KByte großes Betriebssystem mit Basicinterpreter nur etwa 800 Manntagen – vier Programmierer können es in einem Jahr erledigen. Ein Dutzend in einem halben Jahr.

Damit hatte man alle Bausteine für einen Heimcomputer – schon eine kleine Firma konnte basierend auf den Standardbausteinen ein eigenes Modell kreieren und damit erfolgreich sein oder nicht. Es lag dann an der Unternehmenspolitik und den technischen Finessen – war das Gerät preisgünstig (Commodore), leistungsfähig (CPC) oder hatte einen guten Leumund (Acorn BBC Computer).

Der Rechner mit den wenigsten Chips war der Sinclair ZX81 – er bestand nur aus dem Prozessor, zwei RAM Bausteinen, einem ROM Baustein und einem eigenen Chip der die anderen Bausteine ersetzte.

Bei der Übergang zur 16 Bit Generation stieg die Rechenleistung an. Die Geräte konnten nun 1 MByte oder 16 MByte adressieren. Natürlich wäre es möglich einen Rechner so zu bauen wie einen 8 Bitter. Aber die Leute wollten dann mehr. Sinclair probierte das mit dem QL. Doch die Rechenleistung reichte aus für eine garfische Benutzeroberfläche, leistungsfähigere Programmiersprachen oder ganz einfach Anwendungssoftware aus. Damit stiegen aber auch die Anforderungen an die Geräteentwicklung und die entwicklungskosten explodierten. Es gab nur noch wenige Hersteller die neben den üblichen IBM Kompatiblen auch noch andere 16 Bitter herstellen. Und die hatten dann auch noch Probleme als mit den 32 Bittern die entwicklungskosten weiter anstiegen. Anfang der neunziger Jahren gingen die letzten beiden – Atari und Commodore beide pleite.

Heute kann man die Rechner von damals emulieren – und zwar nicht nur per Software, sondern dank FPGA sogar in Hardware und so wieder die alte Peripherie anschließen.

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