Bernd Leitenbergers Blog

Mit einer Stufe in den Orbit

Da ich immer einige Leser habe, die alles auf konkrete Raketen beziehen: Dass ist ein Grundlagenartikel, bei dem ich nur eine existierende Rakete als Beispiel nehme. Es geht darum, ob man mit einer Stufe einen Orbit erreichen kann. Also keine Tricks wie Booster, oder abwerfbare Triebwerke. Als Ausgangspunkt nehme ich daher sinnvollerweise die bisher leistungsfähigste Erststufe, die EPC der Ariane 5. Sie hat folgende Kenndaten:

eine einfache Rechnung mit der Ziolkowski-Formel zeigt, dass diese Stufe so eine Endgeschwindigkeit von 11016 m/s erreicht. Deutlich mehr als für einen Orbit nötig ist. Realistischerweise benötigt eine Rakete dafür rund 9.400 m/s. Setzt man die Rechnung für diese Zielgeschwindigkeit aus, so gelangen 21,4 t mit dieser Rakete in einen Orbit, davon muss man aber 14,1 t für die leere Stufe abziehen. Bleiben 7,3 t für die Nutzlast – wobei bei der originalen Ariane 5 aber auch nochmals 0,95 t für die VEB (Vehicle Eqiupment Bay – enthältBatterien, Computer,Telemetrie, Lagerelungstriebwerke und Treibstoff) wegegehen. Deise dürfte aber deutlich leichter zu fertigen sein, da der Großteil der Masse der VEB auf Strukturteile entfällt, welche die Lasten der bis zu 20 t schweren Nutzlast aufnehmen. Eine VEB von 0,5 t Gewicht bzw. eine Integration der Elektronik in die Stufe und ein einfacher Adapter als Abschluss würde vielleicht noch 6,8 t für die Nutzlast offen lassen.

Allerdings würde die originale EPC nicht einen Orbit erreichen, da der Startschub 96 t beträgt, die Stufe aber schon ohne Nutzlast 188,6 t wiegt. Es werden also mindestens zwei, eher drei Triebwerke benötigt. Da jedes 1,9 t wiegt und dann auch noch der Schubrahmen verstärkt werden muss, reduziert sich die Nutzlast um 2,5 pro Triebwerk, d.h. mit drei Triebwerken ist man bei rund 1,8 t für eine Zielgeschwindigkeit von 9.400 m/s. Allerdings sinkt die Zielgeschwindigkeit nun auch ab, denn die Brennzeit liegt nun bei nur noch 180 s, was die Gravitationsverluste deutlich reduziert und eine Zielgeschwindigkeit von 9.200 m/s (1.400 m/s Verluste) denkbar macht – mit dann schon 4,8 t Nutzlast)

Reduktion der Leermasse

Die EPC entstand noch in der Aluminiumlegierung 2210. Die Legierung 2195 ist bei gleichen Belastungsgrenzen je nach Literatur zwischen 26 und 40% leichter. Beim Space Shuttle Wasserstofftank, wo sie eingesetzt wurde reduzierte sie die Leermasse um 29%. Setzt man dies nur beim Tank ein, so reduziert dies die Leermasse um 2,6 t. Das erhöht die Nutzlast wieder auf 7,2 t. Der Einsatz von CFK-Werkstoffen in anderen strukturell belasteten Teilen dürfte sicherlich auch nochmals rund 400 kg einbringen, zumal der obere Abschluss ohne einen Stufenadapter verkürzt werden kann.

Eine höhere Ausströmgeschwindigkeit

Das Vukcain 2 hat einen Brennkammerdruck von 118 bar und eine Flächenverhältnis von 61,8. Das ist notwendig, weil die Düse ja auch bei einem Umgebungsdruck von 1 bar arbeiten muss. Moderne Triebwerke haben Düsenverlängerungen, welche während des Fluges ausgefahren werden. Eine solche wurde auch für eine Weiterentwicklung des Vulcain 2 untersucht und es sollte eine Düsenverlängerung auf das Expansionsverhältnis 100 rund 400 kg mehr Nutzlast bringen. Nach einer Simulation mit dem NASA Programm FCEA korrespondiert dies mit einer Steigerung der Ausströmgeschwindigkeit um 80 m/s. Auf der anderen Seite fand ich bei der Recherche zu meinem Buch, dass bei der normalen Ariane 5 10 m/s mehr Geschwindigkeit mit 80 kg mehr Nutzlast korrespondieren. Dies liegt etwas unter dem FCEA Wert, der jedoch auch ein theoretischer ist. Das Vinci Triebwerk setzt sogar eine Verlängerung auf ein Flächenverhältnis von 240 ein. Nach FCEA entspricht dies einer um 200 m/s höheren Ausströmgeschwindigkeit. Wenn ich denselben Faktor wie bei der kleineren Düse annehme komme ich so auf nutzbare 150 m/s mehr. Das entspricht dann einer Nutzlast von 9,9 t.

Resümee und Ausblick

Absolut gesehen gar nicht so schlecht – 9,9 t Nutzlast bei 215,1 t Startmasse und rund 16,6 t Trockenmasse. Das ist z.b. besser als bei der Falcon 9 und Zenit. Allerdings nimmt die Nutzlast rasch ab. Schon bei einer um 400 m/s höheren Geschwindigkeit geht sie auf 7,4 t zurück. Das grundsätzliche Problem ist, dass hier zwei Dinge zusammenkommen – die leer rund 16,6 t schwere Oberstufe kommt ja auch mit in den Orbit. Sinkt die Gesamtnutzlast um 10% so muss wegen gleich schwerer EPC die Nettonutzlast um 25% kleiner werden. Dabei sinkt schon die Bruttonutzlast wegen des Logarithmus in der Ziolkowskiformel exponentiell ab.

Immerhin es ist möglich: Auf der anderen Seite: Mit einer Oberstufe mit dem Vinci Triebwerk und einem Voll/Leermasseverhältnis von 10 komme ich bei derselben Erststufe auf rund 26 t Nutzlast, also das fast dreifache. Weiß man, dass die NASA mal beim Projekt X-33/Venture Star einen einstufigen Raumgleiter untersuchte, so ist klar, dass dieser deswegen eingestellt wurde, weil er zu schwer war – er hätte nicht mal ohne Nutzlast einen Orbit erreichen können.

Eine Optimierung des Konzeptes wäre es so schnell wie möglich sich von überflüssiger Masse zu befreien. Die Triebwerke müssten sowieso abgeschaltet werden, sobald man eine Spitzenbeschleunigung von 5 g erreicht um de Belastung in Grenzen zu halten. Das heißt bei drei Triebwerken müsste das erste abgeschaltet werden, sobald die Rakete nur noch 81 t wiegt, also rund 69% des Treibstoffs verbraucht ist. Das nächste müsste dann wenn noch 14 t Treibstoff übrig sind, abgeschaltet werden, was aber schon relativ kurz vor Brennschluss ist. Trotzdem müsste zumindest das Abtrennen eines Triebwerks für etwa 1 t mehr Nutzlast gut sein.

Das Ideale, (allerdings mit der EPC technisch nicht mögliche) ist es sehr viele Treibstoffbehälter zu haben und diese nacheinander zu verbrauchen und abzutrennen sobald sie leer sind. Bei einer großen Zahl reduziert das das Gewicht das den Orbit erreicht beträchtlich. Da allerdings der Verbrauch des Treibstoffs auch mit einem geringeren Schub korrespondiert, der nun noch benötigt wird, läuft es in der Praxis auf das Abwerfen ganzer Triebwerksmodule hinaus. Ein kleiner Vorteil des Cross-Feedings, also des Betriebs aller Triebwerke aber der Schonung der Treibstoffreserven des (oder der) zentralen Triebwerke ist, dass der Schub so hoch ist, was die gravitativen Verluste durch die Hubarbeit reduziert. Doch der Vorteil ist klein. Bei der Flacon Heavy wird er von SpaceX mit 17% mehr Nutzlast angegeben. Dabei entspricht dies dort einer neu eingeführten Stufe durch die sonst gleiche Brennzeit der Stufen.

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