Bernd Leitenbergers Blog

Hintergründe der Haverie der MV Rena

Heute ein Gastbeitrag von Johan:

Mittlerweile ist die Havarie der Rena ein bisschen aus dem Fokus der Öffentlichkeit gerückt, weshalb ich den aktuellen Stand der Bergungsarbeiten darstelle: Bis zum 31.10.2011 gelang es 1000t Schweröl abzupumpen, damit verbleibt ein Rest von 350t. Angesichts der Schwierigkeiten halte ich dies für einen großen Erfolg. Anlass für meinen Gastbeitrag war die Frage, warum sich das Bergen des Treibstoffes als so schwierig gestaltet. Meiner Meinung spielen mehrere Faktoren eine wichtige Rolle. Immer wieder mussten die Bergungsarbeiten wegen schlechten Wetter mit hohem Wellengang unterbrochen werden, außerdem verursachen Ebbe und Flut zusätzliche Bewegungen des Schiffskörpers. Auf Bildern ist zu sehen, wie außenbords insgesamt vier Plattformen angebracht wurden. Auf diesen Plattformen sind die Pumpen angebracht, sowie Lüftungsanlagen, die die Arbeitsumgebung der Bergungsleute gasfrei, sprich frei von giftigen gasförmigen Substanzen halten sollen. Die Erhaltung der Arbeitssicherheit der Arbeiter ist sicher mit ein Grund für manche Verzögerungen. Durch die Krängung des Schiffes sind mittlerweile 88 Container über Bord gegangen, was die Arbeit nicht ungefährlicher macht.

Ein weiterer Faktor ist der schwierige Zugang zu den Tanks. Sie befinden sich unterhalb der Wasserlinie, so dass in Zusammenarbeit mit Tauchern erst einmal ein geeigneter Ansetzpunkt errichtet werden musste. Einen nicht zu verachtender Faktor bildet der Bunkertreibstoff selber. Schweröl besitzt bei Raumtemperatur eine zu hohe Viskosität um überhaupt gefördert werden zu können. Auf einem Schiff ist deshalb ein gewisser technischer Einsatz notwendig, um den Treibstoff so aufzubereiten, dass er in die Zylinder eingespritzt werden kann. Eines der wichtigsten Nebenaggregate an Bord ist der Dampfboiler. Der Dampf wird vielseitig eingesetzt. Unter anderen dient es zum Erhitzen des Gebrauchswassers, z.b. für die Duschen der Crew. Während der Hafenaufenthalte wird das Kühlwasser vorgewärmt um die Hauptmaschine nicht auskühlen zu lassen. Die Schweröltanks sind nicht einfache kubische Räume wo Schweröl gelagert wird. Im unteren Drittel des Tanks verlaufen spiralförmig Dampfleitungen. Durch das Erhitzen des Bunkers wird er erst pumpfähig. Umgangssprachlich ist Schweröl eigentlich ein Rückstandsöl aus der Erdölproduktion. Entsprechend ist es mit Fremdstoffen wie Partikeln und Wasser kontaminiert. Aus diesen sogenannten storage tanks gelangt der Treibstoff zu settling tanks. Dies ist die erste Reinigungsstufe. Bei diesen Schwerkrafttanks sammelt sich wegen der unterschiedlichen Dichten der gröbste Schmutz ab und wird zur Zwischenlagerung in sludge tanks geschafft, wo sie bis zur Landübergabe verbleiben. Der Sludge ist übrigens ein beliebter Nebenerwerb der Maschinencrew, da er gewinnbringend verkauft werden kann. Wird das Geld nicht in die eigene Tasche gesteckt, fließt es in eine Kasse von der besondere Ausgaben getätigt werden können. Danach wird der Treibstoff in Separatoren von flüssigen Fremdstoffen getrennt. Separatoren arbeiten wie große Zentrifugen und wiederum durch Dichteunterschiede der Flüssigkeiten, wird das Wasser entfernt. So aufbereitet gelangt es in den Tagestank. Dort wird die täglich gebrauchte Menge an Schweröl gelagert, und weiter aufgeheizt. Je nach Leistung der Hauptmaschine können das 200t sein. Das Ziel ist es eine bestimmte Viskosität herzustellen. Dieser Wert ist vom Hersteller der Hauptmaschine vorgeschrieben, und wird technisch überwacht. Ist die Viskosität zu hoch, so kann das Einspritzsystem beschädigt werden. Letztendlich gelangt der Treibstoff mit etwa 160°C in die Hauptmaschine. Auf See wird der Boiler über einen sog. Economiser betrieben. Im Grunde ein einfacher Wärmetauscher, der die Abgastemperatur nutzt. Im Hafen übernimmt ein Ölbrenner die Erhitzung des Speisewassers. Meinen Recherchen nach sind an Bord alle Systeme mittlerweile außer Betrieb, das Öl wird also mittlerweile kalt sein. Die hohe Viskosität wird also ein weiteres Problem sein. Zurzeit wird das Schweröl über einen 150m langen Schlauch mit einem Durchmesser von legedlich 8 Zentimetern abgepumpt. Angesichts der Durchflussmenge kann man sich ausrechnen wie lange die Operation selbst bei gutem Wetter hinziehen wird. Zum Pumpen selbst wurden Schraubenpumpen in die Tanks hinein gebracht. Soweit zur meiner Einschätzung aus der Ferne. Desweiteren möchte ich einige rechtliche Aspekte zu Verschmutzungsunfällen hinzufügen.

Als Folge von Tankerunglücken mit massiven Umweltverschmutzungen durch ausgelaufenes Rohöl beschloss die IMO (International Maritime Organisation; Sonderorganisation der UN) das int. Übereinkommen von 1973 zur Verhütung der Meeresverschmutzung durch Schiffe (MARPOL). Das Übereinkommen enthält Regelungen zum Bau und zur Ausrüstung von Schiffen. Betriebsvorschriften für die Schiffsleitung bezüglich der Einleitung bzw. Einleitungsverbote sollen einen umweltfreundlichen Schiffsbetrieb garantieren. Darüber hinaus gibt es ein internationales Übereinkommen über die zivilrechtliche Haftung für Bunkerölverschmutzungsschäden. In Kraft seit 21.11.2008; Gemäß des Übereinkommens müssen alle Schiffe > 1000BRZ ( Rena 37209BRZ) eine Bescheinigung über die Versicherung oder sonstige finanzielle Sicherheit für die zivilrechtliche Haftung von Bunkerölverschmutzungsschäden mit sich führen. Für die Ausstellung muss eine Versicherungsbestätigung oder eine andere finanzielle Sicherheit nachgewiesen werden.

Ich möchte hier nur auf die Regel 37 MARPOL Anlage 1 eingehen. Sie besagt das jedes Schiff >400BRZ und jedes Tankschiff > 150BRZ einen nach den Richtlinien der IMO erstellten und vom Flaggenstaat genehmigten Notfallplan für Ölverschmutzungen mit sich führen. Im Englischen wird er SOPEP genannt (Shipboard Oil Pollution Emergency Plan). Es sind jährlich mehrere SOPEP-Übungen vorgeschrieben, wo Unfälle simuliert werden. Das Ziel ist es die Besatzung zu befähigen die an Bord vorgeschrieben vorhandenen Gerätschaften wie Ölbindemittel, mobile Pumpen etc. effizient einsetzen zu können, und die Organisationsstruktur mit deren vorgeschriebenen Abläufen zu verinnerlichen.

In der Praxis sind diese Übungen wie alle anderen eher ungeliebt. Sie finden meist am Wochenende auf See statt, wenn die Decksbesatzung normalerweise nur halbtags arbeitet. Die Qualität der Durchführung steht und fällt mit der Einstellung der Schiffsführung zu diesem Thema. Da gibt es je nach Mentalität, sprich also auch Nationalität des Kapitäns leider Unterschiede. Ich will und kann die Effizienz des Notfallmanagements der Schiffsführung nicht beurteilen. Unwiderruflich steht aber fest, dass alle Besatzungsmitglieder das Unglück überlebt haben, ein völliges Versagen kann also ausgeschlossen werden. Durch die Verhöre der Offiziere ist durchgesickert, dass der Kapitän eine Abkürzung fahren wollte. Er ist dabei vom der geplanten Route abgewichen, und durch hat den Kurvenradius scheinbar unterschätzt, so dass das Schiff letztendlich aufs Riff gefahren ist. Die ausgefeilsten Gesetze und Maßnahmen helfen natürlich nicht, wenn an Bord nicht nach guter Seemannschaft gehandelt wird.

Wer wie für die an Bord vorhandene Ladung haftet ist in den jeweiligen Seefrachtverträgen festgehalten. Um die Im Fall der Rena ist von einer sog. Haverie-Grosse auszugehen. Sie regelt im Grundsatz die Verteilung von außergewöhnlichen Kosten zwischen Schiff und Ladung, die durch Rettung aus gemeinsamer Gefahr anfallen. Damit diese Regeln wirksam werden können, müssen u.a. folgende Bedingungen erfüllt sein:

Die den Notfall auslösenden Ursachen spielen übrigens keine Rolle, also auch nicht, wenn die Ursache wie in dem Fall der Rena in einem Verschulden Beteiligter lag.

Liegen alle Voraussetzungen vor, müssen die durch Aufopferung entstandenen Schäden ermittelt und auf die Beteiligten im Verhältnis ihrer geretteten Werte aufgeteilt werden. Fachleute, die Dispacheure erstellen den Verteilungsplan, die sog. Dispache. Dieser komplexe Vorgang dauert aufgrund der Vielzahl von Ladungseigentümern in der Regel mehrere Jahre.

Die Haftung durch die Ölverschmutzung regelt das Internationalen Übereinkommen von 2001 über die zivilrechtliche Haftung für Bunkerölverschmutzungsschäden (Bunkeröl-Übereinkommen). Der Schiffseigentümer haftet im Zeitpunkt des Ereignisses für Verschmutzungsschäden, die durch an Bord befindliches oder von dem Schiff stammendes Bunkeröl verursacht werden; besteht ein Ereignis aus einer Reihe von Vorfällen gleichen Ursprungs, so haftet der Schiffseigentümer im Zeitpunkt des ersten Vorfalls. Weist der Schiffseigentümer nach, dass die Verschmutzungsschäden ganz oder teilweise entweder auf eine in Schädigungsabsicht begangene Handlung oder Unterlassung der geschädigten Person oder auf deren Fahrlässigkeit zurückzuführen sind, so kann er von seiner Haftung gegenüber dieser Person ganz oder teilweise befreit werden. [Bundesgesetzblatt Jahrgang 2006 Teil II Nr. 18, ausgegeben zu Bonn am 12. Juli 2006]

Wie bereits beschrieben, muss der Schiffseigentümer eine Bescheinigung über eine Versicherung oder eine andere finanzielle Sicherheit nachweisen können, die auch an Bord mitgeführt werden muss. Der Staat wird also durch die Auszahlung der Versicherungssumme entschädigt.

Ein weiterer interessanter Aspekt ist, dass das Schiff am 21.7.2011 in Freemantle nach einer Haafenstaatskontrolle für einen Tag Auslaufverbot aufgrund von technischen Mängeln erhielt. Als Hauptmangel wurden schadhafte und korrodierte Lukendeckel, sowie eine regelwidrige Stauung der Container festgestellt. Der Satz „Vessel has not been maintained between surveys.“ sagt diplomatisch aus, dass kein Geld und Aufwand in die Wartung des Schiffes gesteckt wurde. Das Schiff durfte nach Auflagen über Reparaturfristen wieder auslaufen. Ein typisches Beispiel wie ein an sich solides Schiff kaputt gefahren wird. Es ist längst abbezahlt, und soll so viel Geld wie möglich verdienen, anstatt auch in eine gute Crew und einem Minimum an Instandhaltung zu investieren.

Ich hoffe, dass ich einen kleinen Einblick in die rechtlichen und technischen Gegebenheiten dieses Unglücksfalles geben konnte. Für Kritik und Anregungen bin ich natürlich stets offen, und freue mich auf die Diskussionen.

Johan

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