Bernd Leitenbergers Blog

Warum ist bemannte Raumfahrt so teuer und hat nicht die unbemannte Raumfahrt verdrängt?

Diese Frage scheint zuerst nicht so sinnvoll zu sein, wo wie wenn man fragt „Warum unterschlägt ein Präsident von Bayern München 28,5 Millionen Euro?“. Aber vom Prinzip her müsste bemannte Raumfahrt viel billiger als die unbemannte sein. Warum?

Nun Raumfahrt ist aus einigen Gründen teuer. Wenn wir mal vom Start selbst absehen, der ja schon teuer ist sind auch die Nutzlasten ziemlich teuer und hier liegt es an den Umständen:

Die Satelliten und alle Experimente, Untersysteme bis hin zum Level einer Schraube oder eines Transistors müssen über lange Zeit störungsfrei funktionieren oder wenn sie ausfallen muss für Redundanz gesorgt sein, denn eine Reparatur oder nur ein Austausch ist nicht möglich.

Dazu ist die Hardware hohen Temperaturschwankungen, Schwerelosigkeit, einem Vakuum und kosmischer Strahlung ausgesetzt. Das führt dazu, dass man oft neue Lösungen braucht, weil Bauteile die auf der Erde eingesetzt wird unter diesen Bedingungen viel schneller ausfallen. Man denkt daran an Elektronik, aber auch normale Solarzellen verlieren im Weltraum in 6 Monaten die Hälfte ihrer Leistung. Man braucht spezielle für Satelliten.

Wie sieht es nun aus wenn wir Experimente nicht in einen Satelliten einbauen sondern in eine Raumstation? Es vereinfacht sich vieles, denn nun ist man in einem druckdichten Zylinder. Die Hülle absorbiert die meisten kosmischen Strahlen, denn die Astronauten müssen auch vor ihnen geschützt werden. Die Atmosphäre sorgt dafür das kein Vakuum herrscht und weil Menschen drin leben sind die Temperaturen geregelt und liegen um Zimmertemperatur. Nur die Schwerelosigkeit bleibt, könnte aber durch Rotation der Sonde auch abgestellt werden.

Wenn etwas ausfällt, dann ist nun jemand da der das reparieren kann und Ersatzteile kann man mit einem Transporter hochschicken. Vor allem eben braucht man keine teure weltraumqualifizierte Hardware. Das ist nicht nur in der Theorie so, sondern auch in der Praxis. Vor vielen Jahren habe ich mal einen Artikel über die Computer auf der ISS gelesen. Nicht das zentrale Computersystem der Station, sondern die Rechner die die Astronauten nutzten. Das waren „normale“ Thinkpads von IBM (damals noch nicht an Lebovo verkauft). Man hatte nur Nicht benutzte Anschlüsse versiegelt und elektrisch auf Masse geschlossen. er einzige Nachteil ist dass man nicht nur den Satelliten in den Orbit bringen muss, sondern auch die Besatzung bzw. eine Raumstation. Allerdings ist zumindest bei wissenschaftlichen Nutzlasten der Start das preiswerteste.

Also im Prinzip müssten sich die Erforschung von der unbemannten auf die bemannte Raumfahrt verschoben haben und Forscher müssten sich reißen auf der ISS Experimente durchzuführen. Doch das genaue Gegenteil ist der Fall. Warum?

In der Tat gab es ja nicht wenige Versuche bemannte Missionen für die Wissenschaft zu nutzen. Schon die ersten Mercury Missionen hatten kleine wissenschaftliche Experimente. Das wurde auch bei den Gemini Missionen beibehalten. Doch es waren wenige und die Mission stand im Vordergrund. Bei Apollo war die Hauptaufgabe aber die Experimente auf dem Mond zu installieren, die dann länger funktionierten als die Apollomissionen. Die ALSEP Experimente wurden erst 1977 abgeschaltet, um Kosten zu sparen. Die Astronauten waren nur Gepäckträger und Installateure.

Die erste wirkliche Mission in der die Wissenschaft im Vordergrund stand war Skylab. Die Astronauten arbeiteten pro Tag rund 8 Stunden an den Experimenten. Fast 100 gab es an Bord der Station. Das Arbeitspensum erstaunt, sind dies doch bei drei Astronauten 120 Stunden pro Woche. Der Rekord bei der ISS beträgt bei 6 Astronauten dagegen derzeit 37,5 Stunden. Auch hinsichtlich der Untersuchungen kann Skylab mithalten. Die NASA nennt 100 pro Jahr bei 6 Personen. Skylab hatte 82 Experimente mit 270 Untersuchungen (die NASA spricht bei der ISS leider nur von >100 Investigations, was keinen Rückschluss erlaubt) und war nur ein halbes Jahr in Betrieb.

Die Space Shuttles hatten dann die Möglichkeit erstmals die Experimente zu wechseln und verschiedene Spacelabflüge durchzuführen. Doch da die Fähren nur für Kurzzeitmissionen ausgelegt hat war dies relativ unwirtschaftlich. Doch auch bei den Shuttles war man effizient. Von 6-7 Mann Besatzung waren vier für die Experimente zuständig die im Schichtbetrieb jeweils 12 Stunden daran arbeiteten.

Nicht vergessen sollte man noch das Militär, das schon immer die bemannte Raumfahrt nutzen wollte. In den USA gab es Pläne die Gemini Kapseln für Aufklärungsmissionen zu nutzen wobei man im verwegendsten Konzept den zweiten Sitz durch eine Kameraausrüstung ersetzt hätte die der dann noch einzige Astronaut bedient hätte. Später kam dann noch die Idee einer eigenen Raumstation für diesen Zweck. Immerhin in Russland hat man dies auch durchgezogen. Drei der Saljut Stationen (Saljut 2,3 und 5) waren rein militärischer Natur. In den damaligen Zeiten als man Aufnahmen auf Film machte war der Vorteil offensichtlich: Die Besatzung konnte hochauflösende Kameras dann bedienen wenn man auch was fotografieren konnte. Sie konnte Film auswechseln und eingreifen wenn Film hängen blieb oder es andere Probleme gab.

Bei der ISS gibt es dagegen keinen Run auf die Station. Nach dem letzten Bericht sind von den US-Möglichkeiten nur 75% intern und 40% extern genutzt. Und das vier Jahre nach Fertigstellung der Station. Also viel Platz noch übrig. Ich denke nicht das es an Crewzeit fehlt auch wenn ein Report amn das GAO von der NASA vorrechnet, dass die Besatzung derzeit so mit Routineaufgaben zugekleistert ist, das ein siebter Mann das Kontingent für die Forschung nicht um ein Siebtel, sondern satte 94% erhöhen würde. Bei mehr Experimenten müsste man dann eben die Prioritäten richtig setzen. Warum gibt es dann nicht den großen Run? Bisher ist die Forschung eher unspektakulär an Bord der ISS. Eher gibt es Promotionsaktionen wie das Aussetzen von Cubesats oder die (zweimal gescheiterte) Installation von übers Internet bedienbaren Kameras an der Außenseite. Das Problem der ISS ist, das sie in einer Umlaufbahn ist die niemanden nützt und nur die Nutzlast maximiert. Erdbeobachtungssatelliten sind in sonnensynchronen Umlaufbahnen die höher sind (600 bis 800 km), vor allem aber über 90 Grad geneigt. astronomische Satelliten kommen noch mit der Umlaufbahn zurecht, auch wenn für bestimmte Typen es besser ist, wenn sie weit weg von der Erde sind. Doch hier stören die durch die Besatzung induzierten Schwingungen der Station. Außer der Erforschung des Menschen oder Tieren/Pflanzen die ja nur wegen der bemannten Raumfahrt möglich ist, bleibet dann nur noch die Werkstoffforschung als sinnvoller Einsatz übrig.

Nun es gab ja mal den Versuch die Vorteile eines bemannten Systems zu nutzen. Anfang der Achtziger konzipierte man Satelliten zum Teil so, dass man sie im Orbit reparieren konnte, was bei Solar Max und Hubble auch geschah. Doch weil diese Einsätze von Space Shuttles teuer waren beließ man es bei diesen beiden. Dazu kommt, dass die heutige ISS in einem Orbit ist, das selbst wenn man Satelliten auf diese Weise warten könnte, die meisten unerreichbar sind (s.o.). Eventuell wäre es sinnvoll, wenn man einen billigen bemannten Zugang bekommt. So könnte man eine Ministation (gerade groß genug um die Besatzung für einige Tage unterzubringen im SSO und GEO starten und wenn ein Satellit ausfällt dann mit einer Dragon Ersatzteile. Wenn der Satellit so ausgelegt ist, dass man ihn reparieren kann, dann könnte sich das lohnen. Ein CRS-Start wird derzeit mit 133 Millionen Dollar bezahlt, wenn man für denselben Preis bemannt starten könnte, dann würde es sich lohnen auf diese Weise einen oder zwei Satelliten pro Mission zu reparieren, mit neuen Instrumenten versehen und aufzutanken. Beim GEO Orbit ist der Aufwand größer (Geschwindigkeit) während Telekommunikationssatelliten preiswerter (bezogen auf dei Startmasse) als Beobachtungssatelliten sind. Hier müsste man die Wirtschaftlichkeit genau ausrechnen.

Gegen die ISS selbst spricht neben ihrer Bahn auch der bürokratische aufwand. Zwar hat die ISS den Vorteil dass die Forschung dort billiger ist – man muss nicht erst einen Satellit Drumherum bauen und den genehmigt bekommen, aber der Etat für Forschung ist klein (225 Millionen Dollar, der 3 Milliarden Dollar Kosten nur auf NASA Seite) und bedingt durch die Größe der Station die vielen beteiligten Partner und Zentren dauert es ziemlich lange bis man ein Experiment oben hat und selbst dann ist nicht garantiert wie lange es dort bleibt oder ob es die Betreuung bekommt die man braucht. Auch dies müsste man bei einer reinen Reparaturstation verändern. Eher wird es aber anders laufen, dass der letzte Punkt, der heute noch bemannt durchgeführt wird, die Werkstoffforschung auch unbemannt durchgeführt wird und die Menschen nur noch zu Stippvisiten kommen um Proben zu bergen und tauschen. So wird es wohl auch in Zukunft nix mit der Synergie von bemannter Raumfahrt und Forschung.

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