Bernd Leitenbergers Blog

Die Misere ist hausgemacht: CCDev

Heute will ich meine Aufmerksamkeit mal einem Programm widmen, bei dem so ziemlich alles schiefläuft was schieflaufen kann: CCDev.

Zuerst mal zur Vorgeschichte. Nach dem Verlust der Columbia gab es den Beschluss die Shuttles nach Fertigstellung der ISS außer Dienst zu stellen. Endgültig angekündigt wurde dies erst 2006, doch der Beschluss musste früher fallen, denn Anfang 2004 wurde das Constellation Programm von Bush angekündigt, ohne das es zusätzliche Mittel bekam. Es sollte durch Einsparungen finanziert werden, wozu auch die Kosten die die Shuttles verursachten gehörten.

Da die NASA nach wie vor die ISS betreibt, braucht sie aber einen Ersatz. Relativ zeitnah wurde das COTS Programm verabschiedet. Relativ, weil man damals auch schon ein Jahr verstreichen lies. Es ist seit Ende letztem Jahres beendet – mit drei Jahren Verzögerung, doch der ursprüngliche Zeitplan war auch irreal. BeideFirmen brauchten 6 Jahre für die Entwicklung einer Trägerrakete mit Raumschiff, das in nur drei Jahn zu schaffen wäre nicht möglich gewesen. Schon vor dem ersten Flug wurde das CRS Programm verabschiedet das den Frachttransport zur ISS sichert.

Damit ist die Frachtversorgung gesichert. Derzeit läuft die Ausschreibung für CRS 2. Bleibt aber noch der Mannschaftstransport. Der erfolgt derzeit mit den Sojuskapseln und das könnte sicher nach Ansicht von Roskosmos so weitergehen. Die Kosten sind rapide angestiegen von 25 auf über 60 Millionen Dollar pro Astronaut/Start („Sitz“ genannt). Da nun die US-Transporter die Versorgung übernehmen und Russland weniger Progress Transporter herstellt (die viele Teile mit der Sojus teilen) gäbe es auch kein Problem.

Natürlich wollen die USA ihre Astronauten selbst befördern, das ist schon wegen dem nationalen Stoltz ein Ziel. Doch irgendwie scheint man das nicht so ernst zu nehmen. Als erstes gibt es ja schon die Orion – obwohl Constellation eingestellt wurde, wird an ihr weiter entwickelt, allerdings nicht gerade im Hochtempo. Trotzdem ist für diesen Jahr der erste unbemannte Testflug vorgesehen. Orion sollte auch mal die ISS anfliegen, ja bis die NASA beschloss die Beförderung auch zu privatisieren. Inzwischen hat Boulden klargestellt, dass die Orion nicht die ISS anfliegen wird und die NASA auch keine Backuppläne zu CCDev schmiedet.

Anstatt einem Programm setzt die NASA also auf zwei – eines für den Flug außerhalb der Erdumlaufbahn und eines für die ISS. Nicht sehr logisch, vielleicht wäre Orion schwerer als die Kapseln, die man im Rahmen des CCDev entwickelt, (höhere Startkosten) aber sie wäre schneller verfügbar – wenn man sie zielstrebig entwickeln würde.

Nun soll es CCDev richten. Begonnen wurde mit der Entwicklung 2010 – sieben Jahre nach dem Verlust der Columbia, vier nach COTS. Anstatt zeitnah zu reagieren wie bei COTS lässt man sich vier Jahre Zeit. Da die Vehikel nur für die Versorgung der ISS gedacht sind bedeutet das vier Jahre weniger Einsatzzeit oder wenn man die Entwicklungskosten auf die Flüge umlegt, höhere Kosten pro Flug.

Als nächstes fördert man nicht zwei Projekte, sondern verteilt in jeder Runde Gelder an Firmen, die damit etwas finanzieren was irgendwie mit einem bemannten Programm zu tun hat – nur so entwickelt man nicht zielstrebig ein Gefährt und es dauert auch länger als geplant. Runde 3 wird dieses Jahr nach vier Jahren abgeschlossen. In vier Jahren ist man bei Boeing und SpaceX, die beide bisher den Löwenanteil der Gelder bekommen hat bis zur Phase B vorgestoßen, das ist der Abschluss der Konzeption. Doch danach wird es erst richtig teuer.

Noch problematischer: Bisher hat die NASA noch in keinem Fall die Gelder bekommen, die sie beantragt hat, teilweise nur 60%, weshalb auch die Phasen verlängert wurden. Die dritte Runde sollte nach einem Jahr beendet sein, läuft nun aber bis 2014. Entsprechend rutschen auch die Termine für die Jungfernflüge immer weiter nach hinten, inzwischen ist von 2018 die Rede,

Nun kann ich verstehen, das man Konkurrenz haben will. Das verhindert das ein Anbieter die Preise anhebt weil es keine Alternative gibt. Wie ULA zeigt ist es nicht immer erfolgreich, aber die Wahrscheinlichkeit ist wohl bei den Konkurrenten SpaceX, Boeing und Sierra Nevada sehr gering, dass sie ein Monopol bilden. Eher schluckt Boeing einen der kleineren Konkurrenten. Bei CRS macht es auch Sinn, zwei Versorger zu haben, denn bei rund 2 t Nutzlast pro Transporter wird man nach Wegfall des ATV sechs bis sieben Transporte pro Jahr geben, Genügend für zwei Anbieter. Doch beim bemannten Transport kann eines der Vehikel – jedes für maximal sieben Astronauten ausgelegt – die gesamte Stammbesatzung befördern, ersetzt also zwei Sojus. Selbst wenn man von den 180 Tagen Aufenthalten wieder zurück auf 90 geht braucht man so maximal vier pro Jahr – das wären bei zwei Anbietern nur zwei Flüge pro Jahr. Dafür kostet die Entwicklung doppelt so viel.

Was bleibt? Die NASA wird nach derzeitigen Planungen nicht vor 2018 ein einsatzbereites System haben. Bis 2020 soll die ISS derzeit betrieben werden. Das wären maximal drei Jahre Einsatzzeit. Man hat Zeit verspielt und man hat Geld in Paralellentwicklungen ausgegeben. Was bleibt, ist die Hoffnung dass man die ISS noch länger betreibt. Doch auch hier gibt es offene Fragen. Man kann zwar die Inneneinrichtung austauschen, nicht jedoch die Module. Ebenso nicht die Solarpaneele, die laufend an Leistung verlieren. Pläne für einen Ersatz gibt es nicht. Selbst wenn man nicht austauschen muss, so ist die Frage wer die ISS nach 2020 noch betreiben will. Roskosmos hat angekündigt lieber aussteigen zu wollen weil man die Gelder für ein eigenes bemanntes Programm braucht das seit langem angekündigt ist – vielleicht auch nur eine Ausrede, denn nun fallen ja auch die bezahlten Flüge weg, die das eigene Engagement bisher mitfinanzierten. Bei der ESA ist es so, das schon beim letzten Konzil Frankreich, Spanien und Italien ihr Engagement um 270 Millionen Euro reduziert. Deutschland musste erhöhen, trotzdem blieb eine Lücke von 18% in der ISS Finanzierung. Ab 2020 will Frankreich ganz aussteigen. Wahrscheinlich werden Spanien und Italien folgen und das Deutschland dann die ISS alleine finanziert? Wohl unwahrscheinlich, zumal man nun das Orionservicemodul entwickelt und das kostet auch Geld,

Das bedeutet ab 2020 kann aus der ISS eine US-Japan Station werden – mit erheblich höheren Kosten für die beiden Nationen. Alleine die wegfallenden Progresstransporte werden die USA mindestens 900 Millionen Dollar pro Jahr für weitere US-Transporte kosten (und das auch nur wenn die Transportkosten seit 2008 nicht angestiegen sind). Da allerdings dann auch der komplette Treibstofftransport wegfällt wird das nicht reichen. Die USA werden eine Möglichkeit finden müssen am russischen teil der Station anzukoppeln (nur dort ist eine Anhebung möglich) und einen Tanker oder ein Reboostgefährt entwickeln (wahrscheinlich doch noch ein sinnvoller Einsatz der Orion, die das mit ihrem Servicemodul das ja auch den Treibstoff für Mond Missionen aufnehmen wird problemlos könnte).

Eventuell wird dann auch die NASA die ISS aufgeben, zumal ab 2021 ja die ersten bemannten Flüge zum Mond anstehen. Die werden Mittel erfordern und viel öffentlichkeitswirksamer sein als eine dreißig Jahre alte Raumstation.

CCDev kommt also zu spät, ist im Zeitplan verzögert und fördert zwei Anbieter obwohl einer reichen würden. Viel Murks für ein Programm, das eigentlich ein Kernelement des ISS-Betriebs sein müsste.

Die mobile Version verlassen