Bernd Leitenbergers Blog

Sollte man verschimmelte Lebensmittel wegwerfen?

Wie Niels schon feststellte, fehlt mir derzeit die Inspiration für neue Artikel, stattdessen arbeite ich an neuen Versionen meiner Programme. eine von MP3Database ist schon erschienen, eine von Randomcopy gerade in Arbeit. Aber gestern kam bei Quarks & Co das Thema Käse und dabei auch das der „Schimmel“ in Roquefort Käse auch auf Roggenbrot gedeiht und dort gifte produziert. Zeit sich also etwas genauer mit Schimmelpilzen zu beschäftigen.

Unter Schimmelpilzen versteht man eine sehr breitgefächerte Gruppe von Pilzen, die eines gemeinsam haben: sie bilden ein filamentöses Geflecht von Hyphen und haben nur kleine Fruchtkörper. Die meisten sind Saprobionten, d.h. sie bauen nicht mehr lebende organische Substanz ab. Das sind Lebensmittel aber auch Totholz, Blätter, Leder, Chitingerüste von Insekten (tote Tiere wird man in der freien Natur kaum von Pilzen zersetzt werden, dafür werden sie zu schnell von Aasfressern vertilgt). es gibt aber auch Ausnahmen, die lebende Organismen, vor allem Pflanzen befallen und dann gefürchtete Pflanzenschädlinge sind.
Der Lebenszyklus eines Schimmelpilzes ist relativ einfach: Eine Spore, die so klein und leicht ist, dass sie sehr lange in der Luft schwebt, landet auf einem Lebensmittel, keimt aus, bildet ein Geflecht von Hyphen, das Enzyme ausscheidet und damit das Lebensmittel ersetzt und einfache Bestandteile aufnimmt. Hyphen sind sehr feine Schläuche die nur unter dem Mikroskop zu sehen sind und die zusammen ein sehr verzweigtes und dichtes Geflecht, das Myzel bilden. Das Myzel wächst und am Schluss bildet der Schimmel Fruchtkörper mit neuen Sporen, die dann schon durch einen Lufthauch aufgewirbelt werden.

Schimmelpilze sind daher ubiquitär und auskeimende Sporen haben schon zur Entdeckung der Wirkung von Penicillin geführt (eine Spore eines Penicilliumpilzes keimte auf einer Agar-Agar Schale einer Bakterienkultur aus und das ausgeschiedene Penicillin tötete alle Bakterien in der Umgebung ab). es gibt aber nicht nur die positive Wirkung. So wird der „Fluch des Pharao“ (viele Tote unter den Ausgräbern des Tut-Anch-Amun auf Sporen von Schimmelpilzen zurückgeführt die beim Öffnen des Grabes eingeatmet wurden). Pilze scheiden nicht nur Enzyme ins Lebensmittel aus, sondern auch Gifte, giftig entweder für Bakterien oder für Menschen. Daneben kommen weitere Abbauprodukte, die den Geschmack des Lebensmittels beeinträchtigen können.

Unter allen Mikroorganismen, die Lebensmittel verderben können, sind Pilze die Überlebenskünstler. Pilze keimen noch aus wenn ein Lebensmittel zu trocken oder zu wenig freies Wasser (nicht durch Salz oder Zucker gebunden) enthält, sodass Bakterien dort nicht wachsen können. Dazu gehören z.B. Erdnüsse, Brot, Hartkäse oder Marmelade mit einem zu geringen Zuckergehalt. Sie tolerieren viel saurere pH-Werte als Bakterien und wachsen sogar noch in purem Essig oder Zitronensaft. Sie wachsen auch noch bei Kühlschranktemperaturen. Allgemein wachsen sie bei kühleren Temperaturen (Optimum 20-25 °C, Bakterien dagegen bei 30-40°C)  und ihre Sporen sind robuster: sie sind hitzetolerant, benötigen kein Wasser und wie der Fluch des Pharaos beweist auch noch nach Jahrtausenden keimfähig.

Nun sind nicht alle Pilze für uns gefährlich. Viele sind sogar nützlich und werden in der Lebensmittelherstellung eingesetzt: Mit Schimmelpilzen werden Salamis überzogen, sie werden für die Herstellung von Camembert, Gorgonzola und Roquefort und andere Käsesorten verwendet. Hefen (Wein-, Bier und Brotherstellung) gehören übrigens nicht zu den Schimmelpilzen, können aber auch ein Lebensmittel verderben. Die meisten Arten sind zu anaeroben wie aeroben Abbau fähig. Der Aerobe erfolgt bei Anwesenheit von Sauerstoff und wird bevorzugt, fehlt der Sauerstoff so bilden sie Gärungsprodukte wie Ethanol.

Das gefährliche an den Schimmelpilzen ist, das der Laie nicht die Schimmelarten auseinander halten kann. Alle bilden Fruchtkörper die weiß, grünlich, bläulich oder schwarz sein können. Penicillium roqueforti, der Edel-Blauschimmel in Gorgonzola und Roquefort, sieht genauso aus wie der Blauschimmel, den man auf Brot oder Orangen findet. Die Pilzgifte sind zum Teil auch hitzestabil, wirken also auch noch wenn das Lebensmittel erhitzt wurde und so auch die Geruchsstoffe die der Pilz bildete ausgetrieben wurden. Zum Teil sind sie hoch potent. Aflatoxine, die von Aspergillus Arten wie Aspergillus Flavius und Aspergillus Niger gebildet werden, haben z.B. eine LD50 (Dosis bei der 50% der Versuchstiere sterben) die auf den Menschen übertragen 1-10 mg/kg Körpergewicht beträgt. Sie sind damit so giftig wie Zyankali. In den Sechziger Jahren staben auf einer Truthahnfarm 100.000 Tiere nachdem sie mit kontaminierten Erdnüssen gefüttert wurden.

Bedeutender ist, das Aflatoxine aber auch andere Pilzgifte, krebserregend sind. Dafür reichen schon viel kleinere Mengen von 10 Mikrogramm/Kilogramm Körpergewicht. Sie zählen damit zu den am stärksten krebserregenden Stoffen die man kennt. Auch andere Pilzgifte gelten als krebserregend. Man kennt heute 300 Pilzgifte die von 250 Arten produziert werden. Manche Arten haben bevorzugte Lebensmittel, so Pencillium Expansum auf Obst (produziert das Pilzgift Patulin) oder Claviceps purpurea auf Getreide (Mutterkorn). Manche Arten sind nicht so wählerisch. So findet man Aspergillusarten auf Nüssen und Gewürzen, aber auch Getreide.

Aufgrund der Tatsache, dass die Hyphen um so langsamer vordingen können je härter und trockener ein Lebensmittel ist, gibt es den Ratschlag bei Käse nur die verschimmelte Rinde großzügig wegzuschneiden. Weiche Lebensmittel wie Früchte oder Brot sollte man dagegen ganz entsorgen. Das Problem ist, das man als Laie nicht erkennen kann wie weit der Pilz sein Myzel ausgebreitet hat, denn die Hyphen sind nur mit dem Mikroskop zu sehen. Bei einer Untersuchung war bei einem verpackten Toastbrot bei dem man die Fruchtkörper auf der zweiten und dritten Scheibe sah auch die letzte Scheibe auf der anderen Seite schon mit Hyphen durchzogen – 20 cm von der Stelle mit dem „sichtbaren“ Befall entfernt. Ein Laie hätte wohl noch einige Scheiben nach der betroffenen Stelle, aber sicher nicht das ganze Brot weggeschmissen, schließlich zeigen die anderen Scheiben keinen Befall und wären wohl auch sensorisch in Ordnung.
Ich halte es daher so, dass ich jedes verschimmelte Lebensmittel wegwerfe.

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