Bernd Leitenbergers Blog

Nicht ganz so optimal…

Nach der Ukrainekrise im Frühjahr (bzw. sie dauert ja noch an) hat man sich ja in den USA Gedanken um die Abhängigkeit von Russland gemacht. Das ging los mit Äußerungen von Politikern, man werde keine RD-180 liefern. Nun würde ich das nicht auf die Goldwaage legen. Denn Putin hat auch zig andere Embargos ausgesprochen, die nicht kamen, wobei das RD-180 Embargo nur von einer „unteren Charge“ kam. Zu der Zeit hat Russland auch angekündigt, man werde aus der ISS aussteigen, davon ist heute auch keine Rede mehr.

Meiner Ansicht nach sollte man solche Äußerungen nicht auf die Goldwaage legen. So ein Säbelrasseln gibt es andauernd. Vor allem geht es ja um ein Geschäft und wenn man eines in den letzten Jahrzehnten gelernt hat ist das die Wirtschaft weder Moral noch Politik kennt und wo es was zu verdienen gibt werden Geschäfte gemacht.

Doch bei den USA, die egal wie sie sparen müssen, gleich ein Crashprogramm ins Leben rufen wenn es um die Nationale Sicherheit geht (sprich Satelliten des Militärs nicht gestartet werden können) fiel das auf fruchtbaren Boden. Da schaltet man dort erst mal die Logik ab. Weder wären die USA am Boden, wenn mal einige Jahre keine Satelliten starten würden, denn sie sind nur ein Baustein in einer Verteidigungs- (heute eher: Angriffs-)Strategie noch wäre es gleichbedeutend mit einem Grounding, denn es gibt immer noch die Delta 4, es würde zwar nach Boeings Angaben einige Jahre dauernd die Produktion zu steigern, aber sie könnte die Starts der Atlas mitübernehmen.

Nun hat sich die Politik entschieden, einen Ersatz für das RD-180 zu entwickeln. Vor einigen Tagen hat ULA mit Blue Origin einen Abschluss gemacht: Man wird das BE-4 Triebwerk einsetzen, das gerade entwickelt wird. Zeit das mal zu untersuchen.

Was wäre der „ideale“ RD-180 Ersatz? Es wäre ein Triebwerk mit demselben Schub und denselben Treibstoffen. Es sollte zwei Brennkammern haben. Das ergibt sich aus der Auslegung der Atlas, sonst bräuchte man Verniertriebwerke in der ersten Stufe. Als Nebeneffekt könnte man es bei zwei Brennkammern oder zwei Triebwerken auch in der Antares einsetzen, die derzeit zwei Triebwerke mit etwa dem halben Schub einsetzt. So gesehen ist die Auslegung des BE-4 als Einkammertriebwerk und die Nutzung von zwei Triebwerken eine Möglichkeit.

Ansonsten passt es aber nicht. Da ist zum einen der Schub: Das RD-180 hat einen Schub von 3.830 kN, das BE-4 einen von 2.400 kN, zwei Triebwerke also einen von 4.800 kN, leider nicht spezifiziert ob Sea Level oder Vakuum. Aber selbst wenn es Vakuum ist (RD-180: 4.152 kN) ist er deutlich höher als beim RD-180. Ist zu großer Schub ein Nachteil? Ja wenn die Umstände gegen einen hohen Schub sprechen. Auf der Atlas V Grundstufe sitzt eine relativ kleine Centaur Stufe von 23 t Masse und eine Nutzlast von maximal 12 t. Das bedeutet, kurz vor Brennschluss der ersten Stufe wiegt die Rakete weniger als 60 t. Bei 4152 kN Schub ergäbe das eine Spitzenbeschleunigung von über 7 g. Daher wird das RD-180 im Schub reduziert. Das BE-4 müsste noch stärker im Schub heruntergefahren werden, wenn man das 5,5 g Level nicht überschreiten will auf 50%. Das BE-4 muss also die Fähigkeit zur Schubreduktion besitzen.

Der zweite Nachteil ist die Wahl des Treibstoffs: Das BE-4 arbeitet mit LOX/Methan. Methan ist zwar ein Kohlenwasserstoff, aber die Dichte ist weniger als halb so groß und es ist kryogen. Das bedeutet, dass Lockheed die Atlas umbauen muss. Der Methantank wird doppelt so groß wie der Kerosintank werden und er muss isoliert werden. Da das Triebwerk schubstärker ist, bietet es sich auch an, die Stufe gleich zu verlängern. Eventuell setzt man die seit einem Jahrzehnt geplante „gemeinsame“ Oberstufe für Atlas und Delta auch um, wenn man schon dabei ist. Es läuft aber mit neuem Triebwerk, neun Tanks auf einer neue Grundstufe raus. Besser wäre ein einfacher Ersatz gewesen.

So scheidet sie auch als Ersatz für die NK-33 bei der Antares aus. Hier wird noch etwas weniger Schub benötigt (3630 kN im Vakuum), es ist also noch überdimensionierter. Daher sucht Orbital/ATK nun ja auch nach einem russischen Ersatz – offenbar hat man dort noch nicht die Abhängigkeitsparanoia.

Mich würde ja nicht wundern. wenn man dann noch auf die Idee kommt, auch eine Atlas-Version mit einem Triebwerk zu bauen. Mit 2.400 kN hätte das Triebwerk in etwa den Schub der alten Atlas G/H. Einer Überschlagrechnung nach würde die Nutzlast fast auf Atlas 401 Niveau liegen (durch den höheren Spezifischen Impuls, etwa 9800 kg in LEO und 4000 kg in GTO bei einer 146,6 / 11 t schweren Erststufe mit einem spezifischen Impuls von 3700. (das ist etwas weniger als von SpaceX für das Raptor reklamiert, bei konventionelleren 3600 m/s wären es immer noch 9.300 / 3.800 kg.

Insgesamt finde ich die Wahl als nicht so glücklich. Man spart vielleicht bei der Entwicklung bei Blue Origin das Triebwerk schon entwickelt, muss dafür an zahlreichen anderen Stellen investieren und verzichtet auf eine Synergie mit der Antares. Wichtig scheint vor allem zu sein, dass man das Triebwerk möglichst rasch hat, egal was das an Folgekosten verursacht. Ein Erststart ist derzeit für 2019 geplant. Die Air Force hat auch bestätigt das ein Deplacement „as soon as practiable“ sein sollte. Dem musste sich alles unterordnen.

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