Bernd Leitenbergers Blog

Ich verstehe es nicht

… und zwar die ESA-Kalkulation bei der Ariane 6. Zur Erinnerung: Die „neue“ Ariane 6 ist ist nichts anderes als eine Rakete mit einer kryogenen Zentralstufe (mit Vulcain 2), einer kryogenen Oberstufe (mit Vinci) und zwei oder vier P135 Booster (halbe Treibstoffmenge und Länge wie die EPS Booster der Ariane 5.

Gebaut wird sie ja um Geld zu sparen. Ein Ariane 5 Start kostet 165 Millionen Euro. Die Ariane 6 war in der alten Konzeption auf 70 Millionen Euro Startkosten bei 7 t Nutzlast ausgelegt. Bei der neuen Konzeption ist nach einer Drucksache des Bundestags die Nutzlast 5,8 bzw.. 10,6 t bei 80 bzw. 90 Millionen Euro.

Was aber offen bleibt ist: wie soll die Rakete billiger werden? Was ich an Unterschieden zur Ariane 5 ME sehe sind nur die Boostergehäuse und eine kleinere Zentralstufe. An dem Hauptkostenträger, dem Vulcain 2 hat man nichts geändert, dabei hat die ESA selbst für die Ariane 5 Weiterentwicklung ein einfacheres und kostengünstigeres Triebwerk vorgeschlagen. Ich kann mir nicht vorstellen, das einige neue Tanks die Rakete so verbilligen. Auch bei den Boostern dürften die FW-Gehäuse wohl billiger sein, aber sicher auch kein großer Schritt. Sicherlich kommt man so nicht zu Kosteneinsparungen in Höhe von 89 Millionen Euro.

Was auch angesprochen wurde und wohl mehr ausmacht, ist die Neustrukturierung der Produktion. Es wurde ja schon gefordert die Ariane 6 nur an zwei bis drei Standorten zu bauen, anstatt wie bisher quer durch Europa verstreut. Das leuchtet mir ein, doch leuchtet mir nicht ein, warum man dazu eine neue Rakete braucht. Im Prinzip könnte man die EPC komplett in Frankreich bauen, Italien könnte den Auftrag für neue Booster bekommen und diese komplett fertigen. Im Gegenzug würde man in Bremen das Vinci in Lizenz fertigen und die Oberstufe samt VEB bauen. Das erfordert auch Investitionen, aber sich nicht so viele wie eine neue Rakete. Zudem könnte man da ja auch gleich die zwei Booster durch mehrere kleine ersetzen. Idealerweise ein 6-er System wie hier auch schon vorgeschlagen (erlaubt 2,3,4 und 4+2 Booster und damit eine bessere Anpassung an die Nutzlast und Steigerungsmöglichkeit).

Meiner Ansicht nach wird aber die Ariane 6 nicht so billig sein. Ich kann mir nicht vorstellen wie man bei gleicher technischer Auslegung die Rakete im Preis halbieren kann. Man darf nicht vergessen, dass die ESA zwischen 2005 und 2010 insgesamt 960 Millionen Euro an die Industrie zahlte nicht nur um Verluste bei der Vermarktung aufzufangen, sondern auch um die Fertigung umzustrukturieren. Offensichtlich ist das nicht gelungen oder das Geld ist versandet. Wer sagt dass es bei der Ariane 6 nicht anders ist.

Derzeit wird ja SpaceX als Grund angeführt. Wie immer passen aber Fakten nicht so richtig zusammen: Die Starts dieses Jahr waren alle subventioniert mit 21 bis 50 Millionen Dollar pro Start (regulärer Preis 61,2 Millionen Dollar).

Dieses Jahr gewann die Firma gerade mal drei Kontrakte (nun wird wohl der normale Preis verlangt und neue Kunden müssen sich auch hinten ins Startmanifest einreihen), während es bei Arianespace 14 war. Bei der letzten Ausschreibung hat man gar nicht mehr mitgemacht, weil man keine Startkapazitäten frei hat. Also irgendwie passt das nicht zur Bedrohung

Die Ariane 5 ME soll nach der Schriftsache im Bundestag 170 Millionen Euro pro Start kosten. Sie wird 12 t im Einzelstart transportieren. SpaceX verlangt 61,2 Millionen Dollar für eine Falcon 9 und 85 Millionen für einen 6,4 t Satelliten auf der Falcon heavy. Da die angaben von SpaceX für den 28 Grad Orbit sind, aber der von Ariane erreichte 5 Grad Orbit die Referenz ist nimmt die Nutzlast ab. Bei der Falcon 9 nach SpaceX angaben auf 3,5 t. Bei einer entsprechenden Reduktion bei der Falcon Heavy wären es dort 4,62 t. Mit zwei Sylda-5 könnte eine Ariane 5 ME netto 11 t im Triplestart transportieren, das wären z.B. 3 x 3,5 t. Bei etwas leichteren Satelliten wäre auch eine Kombination von 1 x 4,6 und zweimal 3,2 t möglich. Das würde bei SpaceX Preisen 183,6 und 207,4 Millionen Dollar oder 147 bzw. 167 Millionen Euro bei dem heutigen Wechselkurs entsprechen. Ich sehe also nicht den großen Preisunterschied. (Zumal SpaceX bei NASA und DoD auch kräftig zulangt: 83 Millionen Dollar für Jason-3 bei der NASA und 96 Millionen Dollar für DSCOVR bei dem Dod. Das entspricht 10% bzw. 30% Aufschlag wegen Bürokratie. Hier sieht man zum einen Sparpotential in Europa und zum anderen entsprechen 83-10% 75 Millionen Dollar und 96-30% 74 Millionen Dollar, also gar nicht den angekündigten Preisen ….)

Das einzige ws Ariane 5 derzeit nicht kann, was aber auch bei der Ariane 6 nicht gegeben ist, ist die Rakete zu verbilligen wenn die Nutzlast nicht gefordert wird.

Was wäre mein Vorschlag, wenn man sich zu einer neuen Rakete durchringt (wovon ich immer noch nicht überzeugt bin). Nun es ist der nächste Schritt. Wenn SpaceX mit der Bergung Erfolg hat wird selbst eine Ariane 6 unter Preisdruck kommen, dann wird man erneut nach einer neuen Rakete schreien. Warum nicht gleich zu einer Wiederverwendung übergehen? Ich fand das vom DLR SA/RT Institut ausgearbeitete LFBB Konzept überzeugend. Das sind zwei EPC mit einfacheren, aber schubstärkeren Vulcain 3R. Die Booster haben Flügel und einen Turbofanantrieb der den restlichen Wasserstoff im Treibstofftank verbrennt. Sie fliegen nach einer ballistischen Phase angetrieben zurück zum Startplatz. Das klingt nach einem Konzept das konventioneller ist als das von SpaceX, aber auch weniger riskant. Man muss nicht die Bahn umdrehen und mit Treibstoff zum Startplatz zurückfliegen und hat dort nur eine Chance zu landen, sondern man setzt eine Technologie ein, welche die Luftfahrt seit rund 100 Jahren nutzt., Der Haken: Es werden nur die Feststoffbooster ersetzt, die sind das billigste an der Rakete. Ideal wäre es die Zentralstufe zu bergen, doch die wird bei höherer Geschwindigkeit abgetrennt (viel höhere Belastung beim Wiedereintritt) und zum Startplatz kann sie auch nicht zurückfliegen, denn sie hat schon einige Tausend Kilometer zurückgelegt, aber vielleicht auf Ascension Island oder an der Westküste Afrikas könnte sie landen.

Edit: Italien die wohl auch viel an der Rakete (und Vega) machen wollen haben Probleme ihre Finanzierung des ESA-Programmes hinzubekommen. Sie befürchten zudem, dass die Ariane 6 auf die Satelliten von Airbus zurecht geschnitten wird. Link.

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