Eigentlich war es nur als Scherz gedacht. Als ich den Beitrag in Münchhausens Kolumne verfasste über die neue Ausrüstung der Bundeswehr, die vor allem auf den Umbauten von zivilen Fahrzeugen/Flugzeugen basierte, habe ich noch auf den Kommentar von Anja die Trottellumme skizziert. Sie sollte auf der Fieseler Fi 103, besser bekannt als V1 basieren. Beim Durchlesen des Wikipedia Artikels kam mir der Gedanke, dass eine moderne Fi 103 sogar eine ideale Lösung für ein Problem der Bundeswehr ist. hier ein paar Fakten über die aktuellen Konflikte:
- Es ist politisch nicht erwünscht, dass die Bundeswehr Kampfeinsätze durchführt. Lange Zeit weigerten sich die Verteidigungsminister ja sogar vom „Krieg“ in Afghanistan zu sprechen
- Die Ausrüstung ist dafür nicht ausgelegt. Wenn man keine Bodeneinsätze haben will, muss man Lufteinsätze fliegen und der typische Jagdbomber der Bundeswehr die Tornado wird ausgemustert, der Eurofighter ist anders als die Tornado vor allem ein Jagdflugzeug. Ein reines Erdkampflugzeug wie die A-10 hat die Bundeswehr nicht und die Hubschrauber haben eine zu geringe Reichweite und sind nicht einsatzbereit
- Die von anderen Ländern für die Bekämpfung von Bodenzielen gedachten Kampfdrohnen hat die Bundeswehr nicht. Seit dem Fiasko mit dem Eurohawk-Projekt liegen diese Pläne auf Eis. Andere unbemannte Flugkörper wie die Tomahawk-Marschflugkörper hat die Bundeswehr ebenfalls nicht.
- Kurz: Die Bundeswehr hat derzeit das Problem, dass wenn sie zur Bekämpfung des IS oder anderer Bodentruppen Unterstützung leisten will, sie Eurofighter verlegen muss. Diese sind teuer und nicht optimal für diese Aufgebe geeignet. Ideal für die Politik wäre ein System das unbemannt ist (keine Toten, da ja heute Kriegsführung ohne Toten ablaufen muss – zumindest bei den eigenen Streitkräften).
- Bedenkt man dass man es bei den bisherigen Einsätzen der letzten Jahre, sowohl in Afghanistan als auch Libyen, Irak (Einmarsch, Kampf gegen die IS) und Syrien man es mit Gegnern nur am Boden zu tun hat (Milizen die Ausrüstung gekapert haben – Laien können offensichtlich Panzer fahren, aber keine Flugzeuge fliegen) muss ein effektives System eigentlich nicht gegen Abfangjäger geschützt sein,
- Da ist die V1 doch kein so schlechtes System:
- Es war billig zu produzieren (3500 Reichsmark, 280 Arbeitsstunden!)
- Es war einfach aufgebaut und leicht startbar, eine kleine Mannschaft könnte von dem Nato Land Türkei z. B. die Flugkörper auf den weg bringen
- Vergleichen mit dem Startgewicht von 2160 kg trug es eine hohe Last von 850 kg Sprengstoff
- Nur war die ursprüngliche Fi 103 sehr ungenau, was an den damaligen Möglichkeiten der Technik lag.
Zur Technik: Die Fi 103 ist eine fliegende Bombe mit einer einfachen Tragflächen, Höhenleitwerk, aber ohne Querruder. Antrieb ist ein Verpuffungsstrahltriebwerk (Benzin wird in ein Rohr eingespritzt, verdampft und durch einen Zündfunken entzündet. Es findet somit eine gepulste Verbrennung statt, die heiße Luft treibt durch das Strahlrohr die Maschine an). Gestartet wurde sie über ein Katapult.
Die Reichweite betrug rund 360 km, was ausreichend ist, auf Kosten der Sprengladung kann man mehr Treibstoff zuladen.
Den Hauptnachteil der Zielgenauigkeit kann man heute ausgleichen. Die V1 konnte man nur vor dem Start eine bestimmte Flugstrecke vorprogrammieren, indem man die Drehzahl eines Meßpropellers vorgab. Heute kann ein einfacher GPS-Empfänger, wie er in jedem Handy vorhanden ist, die genauen Koordinaten liefern. Ein einfacher Microcontroller kann basierend auf diesen Daten den Kurs zum Ziel berechnen und über einen Motor die Höhen- und Querruder steuern. Dort angekommen geht sie in den Sturzflug, wobei man bei der geringen Geschwindigkeit (etwa 630 km/h) gute Möglichkeiten hat mit dem Triebwerk auch hier nachzuregeln und ein Ziel mit hoher Genauigkeit zu treffen. Genau muss es bei 8409 kg Sprengstoff nicht sein, das riss bei den echten V1 einen 10-20 m großen und 3 m tiefen Krater. Vergleichen mit einem Marschflugkörper der seinen Weg basierend auf einer gespeicherten Karte mit Höhenrelief sucht und zum Schutz vor Abschuss dauernd in geringer Höhe über dem Boden fliegt ist die Konstruktion enorm einfach und daher auch preiswert.
Man kann den Flugkörper noch verbessern und die Sprengladung durch kleine Sprengbomben ersetzen die kurz vor dem Aufschlag (oder beim Überflug in geringer Höhe) ausgeworfen werden und so einen Teppich von kleinen Sprengladungen legen (sehr effektiv gegen nur wenig gepanzerte Ziele)
Sicher können auch Bodentruppen mit Flak oder Surface-Air Missiles sie leicht abschießen, aber selbst im zweiten Weltkrieg, als es um einiges mehr an Flak als heute gab, kamen über die Hälfte der V1 durch und Flugabwehrraketen sind teuer als die V1 und irgendwann auch alle aufgebraucht. Dann startet man einfach mehr Trottellummen. Gegenüber der preiswerten V1 muss man nur einen handelsüblichen GPS-Empfänger, einen Microcontroller (gibt es mit der Leistung eines Pentium-III schon von Intel als „Edison“ für 50 Euro), Querruder und einige Motoren zur Betätigung der Ruder.
Da mag der heutigen Industrie vielleicht zu poplig sein, aber für ein Einmalfluggerät sollte man es so billig und einfach bauen wie nur möglich. Selbst eine billige, wärmesuchende Rakete wie die AIM 9 SideWinder kostet 262.000 bis 320.000 Dollar. Rechnet man den Kurs der Reichsmark (nach Wikipedia 6 Euro = 1 RM) auf die 3500 Euro um, so ist eine Fi 103 ohne Modifikationen zehnmal billiger, wenn die Modifikationen den Preis verdoppeln immer noch fünfmal billiger. Das ist ein krasser Gegensatz zu den sonstigen Waffen, die unbemannt sind.
der absolut wichtigste Vorteil ist aber der, dass die Bundeswehr selbst nicht ins Krisengebiet einrücken muss. Es reicht die Trottellumme von einem Nachbarstaat aus abzufeuern. Die Reichweite betrug 250-280 km bei 580 l Tankkapazität. Versionen mit größeren Tanks wurden entwickelt, konnten aber nur von Flugzeugen aus abgeworfen werden (waren wohl für den Katapultstart zu schwer). Immerhin, rechnet man den Treibstoffverbrauch linear (nicht gegeben, da die fliegenden Bombe ja laufend leichter wird, also müsste die Reichweite eher ansteigen) so würde man bei 500 kg Sprengstoff schon 400 km Reichweite und bei 250 kg rund 510 km Reichweite erreichen. Das wäre sicher für die meisten Konflikte ausreichend. Bei einer Länge von 48 m wäre die Startrampe auch sicher noch auf einer Korvette montierbar (man könnte einen Raketenantrieb als Starthilfe montieren, doch dann verliert man den Kostenvorteil) oder man wirft sie eben vom Flugzeug aus ab, das ginge auch mit nicht militärischem Gerät (siehe Pegasus Start).
- Zuletzt die Frage die sich wohl jede gestellt hat: warum etwas aus dem zweiten Weltkrieg nachbauen und nichts neues erfinden?
- weil es dann teuer wird, wenn man erst mal die Wehrindustrie auf so was ansetzt
- weil die Materialknappheit im zweiten Weltkrieg zu einer kosteneffizienten Lösung führte (auch wenn die Waffe selbst nicht effizient war)
- weil man nicht mehr investieren muss als nötig. Bei einer Dokumentation über den Falklandkrieg und die Versenkung des Kreuzers Admiral Belgrano gab der Kommandant des U-Bootes an, er habe damals den aus dem zweiten Weltkrieg stammenden Torpedotype Mark VIII benutzt, obwohl er auch neue hatte: „Ein Schiff aus dem zweiten Weltkrieg versenkt man mit einem Torpedo aus dem zweiten Weltkrieg“. Und moderne Kriege in dem Sinne, das der Gegner technisch hochgerüstet ist, sind die Konflikte die es in den letzten Jahren gab nicht sondern vielmehr werden schnell an den Waffen geschulte Milizen in den Kampf geworfen. Warum auf die also millionenteure Ausrüstung abfeuern? Die USA haben das gemacht und der Irakkonflikt hat sie 2,2 Billionen Dollar gekostet. Ja dafür könnte man unsere gesamten Schulden tilgen und gewonnen haben sie sowieso nicht. (Ich glaube auch nicht das man mit Trottellummen die IS besiegen kann, doch wenigstens ist das in der deutschen Politik so beliebte Zeigen das man doch etwas tut, auch wenn’s nichts nützt wenigstens billiger als die bisherigen Einsätze).
Vielleicht doch überlegenswert die Idee…