Bernd Leitenbergers Blog

Der vergessene Planet

Das ist nicht Pluto, das ist mit Fug und Recht die Venus. Dabei gingen die ersten Raumsonden zur Venus. Bei der NASA gab es dann eine Wende, als man nach Mariner 5 wusste, dass es am Boden sehr heiß ist und wahrscheinlich auch ein hoher Druck herrschte. Seitdem gab es von US-Seite nur noch zwei Missionen die Venus als Primärziel hatten: Pionier Venus mit einem einfachen Orbiter und mehreren einfachen Atmosphärenkapseln und Magellan, eine Sonde mit einem Radargerät als einzigen Instrument. Auch sie zur Kostenersparnis vor allem aus anderen Sonden zusammengebaut. Im Westen wäre dann noch Venus Express zu nennen, der neun Jahre lang die Venus untersuchte und Akatsuki, die das einschwenken in den Orbit verpasste und nun eine zweite Chance hat. (Am 7.12.2015 soll der zweite Versuch stattfinden)

Auf russischer Seite sind es erheblich mehr Sonden. Wenn wir nur die erfolgreich gestarteten nehmen 18 Stück (Venera 1-16 und Vega 1+2). Bis auf Venera 15+16 standen vor allem Landesonden auf dem Programm. Das verwundert nicht. Denn bei einer kurzen Betriebszeit von maximal 127 Minuten auf der Oberfläche war Russland mit seinem technischen Ansatz im Vorteil: Die Sonden waren nie besonders ausgeklügelt, dagegen robust, das bewährte sich bei so hohen Temperaturen und Drücken. Es kam auch nicht auf eine ausgeklügelte Computersteuerung an, vielmehr mussten in kurzer Zeit die Instrumente automatisch nacheinander arbeiten, das konnte man auch mit einem Zeitschaltwerk erreichen.

Technisch gesehen ist die Venus ein genauso attraktives Ziel wie der Mars. Das Δv von der Erde aus ist etwas kleiner (etwa 200 m/s), dafür braucht man um in einen ersten Orbit einzuschwenken etwa 200 m/s mehr. In der Summe gleicht es sich aus. Auch bei der Landung hat man es einfacher. Bei der dicken Atmosphäre braucht man nicht mal einen Fallschirm (es bürgerte sich nachdem man von ihr wusste ein, den Fallschirm in 20-30 km Höhe abzuwerfen, selbst dann noch kommt eine Kapsel nicht langsamer auf dem Boden an als eine mit Fallschirm auf der Erde. Man braucht keine ausgeklügelte Sequenz beim Mars und Airbags oder Landetriebwerken. Noch nie ist eine Raumsonde auf der Venus gecrasht — anders als beim Mars. (Mars 6, Beagle 2, Mars Polar Lander)

Warum also gibt es nicht mehr Missionen zur Venus? Nun man kann nicht aus dem Orbit heraus die Oberfläche erfassen. Zumindest nicht im sichtbaren Licht (Venus Express entdeckte „Fenster“ im infraroten, doch die veröffentlichten Abbildungen sind sehr undeutlich. Ich halte angesichts der Atmosphäre von 90 Bar Druck es nicht für möglich ein scharfes Bild der Oberfläche zu bekommen. Wie wenn man durch Wasser den Meeresboden sehen will, wird das Bild verschwommen sein. Mit Radar kann man die Oberfläche erfassen und man hat mit Magellan diese auch auf 30 m genau kartiert. Aus dem Orbit kann man die Atmosphäre erkunden, allerdings auch nur die oberste Schicht. In 70 km Höhe beginnt eine Wolkenschicht die den Blick auf die tiefere Atmosphäre verwehrt. Bei den Bedingungen am Boden (etwa 90 bar Druck und 480 Grad Celsius) ist es wahrscheinlich auch in Zukunft ausgeschlossen, dass man länger als einige Stunden eine Sonde dort betrieben kann. Die USA haben bewusst nur einfache Sonden landen lassen, mit wenigen Experimenten, ohne Kamera. Die Überlegung war wahrscheinlich: „Warum 100 Millionen Dollar in eine Sonde stecken die nur wenige Stunden lebt?“.

Was viel wichtiger ist: Mit der Venus kann man kein Geld loseisen. Die NASA hat ja seit 1997 fast jedes Startfenster genutzt und 10 Sondern zum Mars gestartet. Das alles lief unter dem Motto „The Search for Water“, so nach dem Motto: Wo Wasser ist da könnte es Leben geben oder zumindest mal gegeben haben. Leben das es mal auf dem Mars gegeben haben könnte, damit bekommt man Gelder. Nicht aber mit einem Planeten gegen den Ein Backofen eine Kältekammer ist. Mit dieser Argumentation versucht man es auch bei Europa. Da gibt es unter der Kruste einen Ozean. Na und wenn da nicht auch Leben ist …

Meiner Ansicht nach ist die Venus trotzdem interessant. Zum einen wäre einmal die Frage zu klären wie diese Bedingungen zustande gekommen sind. Ein Treibhauseffekt ist ja sicher bei allen Uratmosphären gegeben, doch er muss nicht nur außer Kontrolle geraten sein sondern andere Prozesse angeschoben haben, denn eine Atmosphäre mit 90 Bar Druck und zu 95+% aus Kohlendioxyd ist einiges. Das wiegt 4,8 x 10^20 kg – zum Vergleich der gesamte Kohlenstoff auf der Erde, der zu 99,95% in Gesteinen sitzt macht nur 7,5 x 10^19 kg aus. Selbst wenn die Erde ihre gesamten Carbonatgesteine verloren hätte, sie hätte niemals eine so dichte Atmosphäre aufbauen können.

Die Oberfläche ist relativ jung, das weiß man von den Radaraufnahmen für wirklich große Asteroiden ist auch die Atmosphäre kein Hindernis und es gibt sehr wenige Einschlagskrater. Die Schätzungen gehen von einem Alter zwischen 500 und 800 Millionen Jahren aus. Wir kennen das von der Erde, doch alle anderen Himmelskörper haben sich seit Milliarden nicht verändert.

Offen ist ob es tätige Vulkane gibt. Aus dem Orbit kann man das schwer nachweisen, bis Gase in die hohe Schicht gekommen sind, haben sie sich stark verdünnt und thermische Hotspots kann man durch die Wolken auch schwer nachweisen. Es gibt von Pionier Venus und Venus Express Hinweise auf schwankende Schwefeldioxydkonzentrationen und heißere Gebiete am Boden, aber auch nicht mehr. Kurzum: es gäbe einiges zu erforschen.

Was könnte man machen? Nun natürlich viel, so wurde jüngst ein Flugzeug vorgeschlagen das aber Jahre von der technischen Möglichkeit entfernt ist. Bisher gibt es vom Flügel z.B. nur einen Prototyp mit 2 m Länge – sie müssten 55 m lang sein und die bisher verwendeten Materialen würden auf der Venus zerfallen.

Meiner Ansicht nach kann man die Venus weiter erforschen ohne Milliarden umzusetzen. Erste Raumsonde wäre ein Radarorbiter wie Magellan, nur mit einem höher auflösenden Radar. relativ kleine Radarsatelliten wie SAR Lupe schaffen eine Auflösung von 1 m. So viel braucht man nicht mal. Bedenkt man dass man bisher 30 m erreicht hat wären schon einige Meter ausreichend. Er würde in einer elliptischen Umlaufbahn bleiben. Das hat einen Grund – er dient auch noch als Relais.

Er könnte als weitere Instrumente Fernerkundungsinstrumente mitführen wie dies auch Venus Express und Akatsuki tun.

Die Erforschung der Atmosphäre und der Oberfläche würde dagegen mit „Gelegenheitsmissionen“ stattfinden. Damit ist folgendes Gemeint: Die Venus ist ein attraktives Sprungbrett. Sie ist in 4-5 Monaten erreichbar und kann eine Raumsonde um 3-4 km/s abbremsen und beschleunigen. So passierten seit 1989 die Raumsonden Galileo, Cassini und Messenger die Venus um Schwung zu holen. Einige sogar mehrmals. Theoretisch hätten andere Raumsonden sie auch nutzen können so Near, Juno, Stardust, welche die Erde als Sprungbrett nutzten. Würde jede dieser Sonde eine Atmosphärensonde mitführen so könnte man alle paar Jahre eine absetzen. Dabei denke ich nicht an die großen Kapseln die Russland absetzte, sondern eher die kleinen von Pionier Venus. Jede Sonde würde bei dem Anstieg die Atmosphäre untersuchen. Dazu reichen Thermometer, Barometer, Gaschromatograph/Massenspektrometer, ein Photometer zur Helligkeitsmessung. Eine Kamera könnte in den letzten Kilometern und an der Oberfläche Aufnahmen machen – schon wegen der begrenzten Zeit und der Sicht durch ein dickes Fenster braucht man da kein ausgeklügeltes Exemplar. Die Daten werden über den Orbiter geleitet, das erlaubt relativ hohe Datenraten, höhere als direkt zur Erde oder über die Vorbeiflugsonde.

Vor der Landung setzt die Sonde in der oberen Wolkenschicht einen Ballon ab. Ballone führten schon Vega 1+2 mit sich. Es gibt eine Zone die ist nicht zu heiß und der Luftdruck ist hoch genug. In 49,5 km Höhe herrscht der gleiche Luftdruck wie auf der erde am Boden und eine Temperatur von 66°C. In 52,5 km Höhe sind es 0,6 Bar und 37°C. Das bedeutet ein Ballon der auf der Erde schwebt würde auch dort schweben. Er würde sogar mehr tragen können, da die Venusatmosphäre aus Kohlendioxid besteht mit einer Atommasse von 44 hat es 50% mehr Auftrieb als unsere Atmosphäre. Ein Ballon könnte mit Solarzellen längere Zeit arbeiten, wenn auch nicht ewig (die Ballon von Vega platzten als sie auf der Tagseite ankamen und sich aufheizten, zudem waren die Hüllen nicht resistent gegen UV-Licht. Eine solche Sonde könne in Situ die Atmosphäre analysieren, die Verfolgung ihrer Bewegung gibt uns Hinweise über die Atmosphärenzirkulation.

Es gäbe viel zu tun – doch keiner packt es an.

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