Bernd Leitenbergers Blog

Proliferation von Raketentechnik oder Selbstbau?

Zu meinem heutigen Beitrag kam ich durch das aktuelle Buch und Nordkoreas Atomtest fällt auch ein bisschen in die Kategorie. zuerst mal zum Buch. Da mache ich heute mal Pause bei der Korrektur. Ich konnte Norbert Brügge gewinnen wieder einige Grafiken beizusteuern, die das Buch deutlich aufwerten und nun auch Seiten füllend präsentiert werden (er war ja schon bei den US-Trägerraketen beteiligt, nur hatte ich bei dem Buch das Platzproblem, dass es unter 700 Seiten liegen musste und das habe ich nur durch Zusammenfassen von Abbildungen geschafft). Der Umfang wird so um die 570 bis 580 Seiten werden, 564 habe ich derzeit schon. Leider kann ich das Preisziel von 29,90, also so viel wie die alte Ausgabe, nicht halten. Es wird 34,90 € kosten, das sind 15% mehr für 50% mehr Inhalt.

Mein Thema ergibt sich zwangsläufig, wenn man die Träger von Iran und Nordkorea beschrieben will. Von denen gibt es wenige Informationen. Eigentlich nur Videos aus Nachrichtensendungen, bei der Unha auch einige Fotos, da vor dem vierten Start eine Handvoll auserlesener westlicher Reporter eingeladen waren, darunter James Oberg. Was es an gesicherten Informationen gibt, ist überschaubar:

Nun bin ich nicht der Experte im Rekonstruieren solcher Rakete, so übernehme ich das, was andere mit viel Arbeit rekonstruiert haben. Doch auch das kann fehlerhaft sein. Dazu ein Beispiel:

Bei der letzten Auflage habe ich die damals gängige Theorie wiedergegeben, dass die erste Stufe der Unha der Nachbau einer Langen Marsch 1 wäre. Auf die Idee kam man, weil die Stufe denselben Durchmesser wie die LM-1 hatte (damals auf 2,25 m geschätzt), Dazu passte, das von den Nationen mit Raketen Nord Korea noch die besten Beziehungen zu China hat. Auch bei einem Vorstoß für ein Embargo jetzt gilt es ja China ins Boot zu holen. Was allerdings ein verschärftes Embargo leisten soll, wenn dort die Bevölkerung jetzt schon hungert, entzieht sich meiner Erkenntnis. Ich muss nur an das Embargo nach dem zweiten Golfkrieg denken, als im Irak durch den Mangel an Medikamenten über 100.000 Menschen starben, Hussein blieb aber Diktator.

Heute weiß man, dass die Unha 2,40 m Durchmesser hat, nicht von der Langer Marsch 1 abstammt und vier Triebwerke in der ersten Stufe einsetzt. Da kam man dann auf die bisher immer naheliegende Erklärung: dass sind weiter entwickelte Scud. Die Scud basiert auf der deutschen Wasserfall-Rakete, die vor Kriegsende als Luftabwehrrakete entwickelt wurde. In der Technologie des Triebwerks, seiner Leistungsdaten und dem verwendeten Treibstoff ist sie nicht viel weiter entwickelt als die A-4, anders als die größeren damals produzierten sowjetischen Mittelstrecken und Interkontinentalraketen. Kein Wunder, dass man diese in großer Zahl exportiert, sodass auch Nord Korea auch zu welchen kam.

Gängige Theorie ist, dass alle Nordkoreanischen Waffen von der Scud abstammen. Das hat nur einen kleinen Nachteil: Die Scud hat 101 kN Schub, die Unha und Safir setzen Triebwerke von etwa 300 kN Schub. Man kann nicht einfach Triebwerke um den Faktor 3 hochskalieren, wenn dem so wäöre, könnte man auf Triebwerksentwicklungen verzichten. Dann brauchen wir kein Vinci, wir skalieren einfach das HM-7 um den Faktor 3 hoch. Die USA brauchen kein neues Triebwerk für die Atlas/Vulcan – sie skalieren einfach das RS-27 hoch. Warum macht das keiner?

Vielleicht deswegen, weil es nicht geht: anderer Schub andere Geometrie – anderes Triebwerk. Was geht,ist meistens das ein Triebwerk auf einen bestimmten konservativen Verbrennungsdruck ausgelegt wird und man später Reserven nutzt, um es im Schub zu steigern. So bei den Triebwerken der Thor, Atlas und Ariane 1. Doch das geht nicht um den Faktor 3: 10-20% sind so meist drin.

Glaubt man den Experten, so beherrscht der Iran gerade mal das Herausfräsen von Kühlrippen aus einer massiven Brennkammer, Nord Korea immerhin die doppelwandige Brennkammerwand durch das Verschweißen von Wellblechen. Auf der anderen Seite ist man sich „sicher“, dass die zweite Stufe der iranischen Safir die Verniertriebwerke der russischen R-27 (SS-N-6) SLBM einsetzt, einer U-Boot Mittelstreckenrakete die Mitte der Sechziger Jahre stationiert wurde und damit in etwa dem technischen Stand, den auch die Zyklon aufweist. Die Frage die sich mir stellt, ist die: wenn der Iran auf diese Rakete Zugriff hat, warum setzt er sie nicht ein? um eine weitere Stufe ergänzt, würde die 15 t schwere Rakete eine höhere Nutzlast als die Safir ins All transportieren. Warum nutzt er nur die Verniertriebwerke, aber nicht das Haupttriebwerk?

Sicher sind moderne Raketentriebwerke komplex, erfordern viel Erfahrung und auch finanziellen Aufwand. Doch davon redet ja auch keiner. Die Unha und Safir haben gemessen an ihrer Startmasse eine kleine Nutzlast, etwa um den Faktor 10 kleiner als bei einer modernen westlichen Rakete. Die Safir wiegt in etwa so viel, wie eine Falcon 1 transportierst aber 52 anstatt 450 kg in den Orbit. Ich glaube das es nicht so viel braucht eine solche Rakete zu entwickeln. Man arbeitet dann eben mit höheren Strukturfaktoren. Kopenhagen Suborbitals arbeitet an einem Triebwerk das auf V-2 Technologie basiert und das sind Amateure. Warum soll der Iran oder Nord Korea nicht dasselbe erreichen? Zumindest bei der Oberstufe halte ich ein einfaches druckgefördertes Triebwerk für technologisch erreichbar. Dann entfällt der anfälligste Teil des Raketentriebwerks der wegen seiner Mechanik oft Ursache von Fehlern ist: die Turbopumpe. Ein minimalistisches druckgefördertes Triebwerk entwickelte die OTRAG innerhalb von wenigen Jahren mit wenigen Personen und 4 Millionen DM vom BMFT. Warum sollten dies Iran und Nord Korea nicht hinbekommen.

Nord Korea hat Atombomben entwickelt. Diese haben einen erheblich höheren technischen Aufwand: Bei den Atombomben, die Uran verwenden ist, verwenden ist die Zündung relativ einfach, es riecht zwei unterkritische Massen aufeinander zu bringen, bei der Hiroshima-Atombombe z. B. mit einer umgebauten Kanone. Dafür ist die Anreicherung extrem aufwendig weil man geringe Dichteunterschiede ausnutzen muss. Bei Plutonium als Spaltmaterial ist die Zündung aufwendiger, hier müssen mehrere unterkritische Masse genau getimt komprimiert werden, dagegen die Gewinnung einfach, wenn man einen Kernreaktor hat. Plutonium entsteht bei der Uranspaltung. Der Reaktortyp muss nur einen leichten Zugang zu den Brennstäben erlauben. Plutonium kann man wegen der unterschiedlichen chemischen Eigenschaften dann vom Uran abtrennen. Daher verwenden heute fast alle Atombomben Plutonium als Spaltmaterial.

Kurzum: Warum sollten die Staaten so viel Arbeit in eine Atombombe stecken und dann bei dem Transportmittel (eine Atombombe die nicht zum Gegner kommt, ist weitgehend wertlos) anfangen russischen Artellerieraketen oder Bauteile von SLBM zu verwenden anstatt ihre eigene Technik zu entwickeln? Die kann ja inspiriert sein von der Scud, aber es ist eben nicht die Scud oder R-27 als Nachbau.

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