Bernd Leitenbergers Blog

Staatsfirma oder private Raumfahrt?

Den heutigen Blog mache ich primär für mich, um Daten zusammenzutragen, die man als SpaceX-Kritiker braucht. Der Unterschied zum SpaceX-Fan ist ja der, dass man nicht das nachplappert was andere sagen, irgendwelche Spekulationen anstellt, sondern auf Basis von Zahlen argumentiert.

Seit Jahren nervt mich eines: Das die Firma immer von der „privaten Raumfahrt“ spricht. Das haben inzwischen ja auch die deutschen Medien übernommen, wo das noch bizarrer ist, weil „privat“ bei uns noch einen etwas anderen Klang hat als in den USA.

Auf der Webseite selbst wirbt sie von sich als dem „wourld fastest growing Launch Service Provider“, als wäre die Ausrichtung von SpaceX vor allem auf kommerzielle Starts, die frei ausgeschrieben werden ausgerichtet, nicht auf Regierungsaufträge. Da dieser Markt klein ist, es gibt pro Jahr ungefähr 15 bis 20 Satelliten pro Jahr deren Starts frei ausgeschrieben wird, wäre es dumm sich auf diesen zu beschränken. Kein einziger LSP kommt ohne irgendwelche Regierungsaufträge aus. Bei den meisten machen sie mehr als 50% aus. Einzige Ausnahme davon ist Arianespace wo sie deutlich unter 50% liegen. Das verwundert nicht, denn den 15 bis 20 kommerziellen Satelliten stehen viel mehr Starts seitens der Regierung gegenüber, jährlich gab es in den letzten 10 Jahren zwischen 80 und 90 Starts, also vier bis sechs mal so viel.

Privat kann man sehr unterschiedlich sehen. Als Firma die ohne Staatsaufträge auskommt, also sich nur auf kommerzielle Starts konzentriert oder eine Firma die privat Raumfahrt betreibt, also gar nicht auf irgendwelche Aufträge von existierenden Geschäftsfeldern oder der Regierung baut sondern jedem Privatmann Weltraumfahrt in irgendeiner Form ermöglicht. Das trifft wohl eher auf Virgin Galactics und Kopenhagen Suborbitals zu. Noch näher an dem Begriff der privaten Raumfahrt sind reiche Leute die sich als Luxus ein Raumfahrtprojekt leisten ohne Gewinnerzielungsabsicht. Das muss nicht nur Weltraum Tourismus sein, das könnte auch ein eigener Cubesat sein.

SpaceX hat von Anfang an auf Staatsaufträge gesetzt. Man hat gegen den Start von LADEE auf einer Minotaur protestiert, weil diese nach Ansicht von SpaceX den Commercial Space Act verletzt. Man hat Jünger aufgerufen gegen den Block-Buy an Kongressabgeordnete zu schreiben und man hat immer mehr in Lobbyismus investiert, letztes Jahr haben sie ULA in den Ausgaben deutlich geschlagen. SpaceX unterscheidet sich von ULA meiner Ansicht nach eigentlich nur darin dass sie neu sind.

Die Frage die ich mir stelle ist die – wie abhängig sind sie vom Staat. Ich kam drauf, weil SpaceX nach Angaben der NASA der teuerste der drei CRS-2 Gewinner ist. Bei CRS 1 waren sie noch deutlich billiger als Orbital. Daneben gab es ja schon einige Abschlüsse. Ich will einfach mal Zahlenmaterial zusammentragen und vergleichen. Bei kommerziellen Starts gibt es nur wenige Daten über Abschlüsse hier nehme ich die auf der Webseite angekündigten Preise.

US-Regierung Summe Kommerziell Summe
USAF erste zwei Falcon 1 Starts 11 Rakhsat 7,9
COTS 278 Orbcomm 42
COTS Add-On 128 Casiope ~ 10
CRS-Gelder bis Juni 2014 1400 SES-8 50
CCDev 1 75 Asiasat 8 54
CCicap 460 Thaicomm 6 59
CPC 9,9 Asiasat 8 59
CCdev Entwicklung 50% von 1750 875 Asiasat 6 59
DSCOVR 96 ABS 3A/Eutelsat 59
Jason 3 83 Turmensat 59
Summe: 3415,9 Summe 458,9

Die Firma ist daher zu 458,9 / (458,9+3415,9) * 100 = 11,8 % privat finanziert. Wahnsinn. Ja so sieht private Raumfahrt aus. Doch wie sieht es in der Zukunft aus? Einige Aufträge der Regierung stehen noch aus und da gibt es noch ihr Launchmanifest. Für CRS-2 rechnet Orbital mit 1,2 bis 1,5 Milliarden Dollar für die ersten 6 Flüge. SpaceX ist „notable Higher“. Ich setze mal 1,5 Milliarden an. Für jeden zukünftigen Start die angegebenen Preise auf der Webseite (61,2 Millionen Falcon 9, 90 für die Heavy). Ich habe alle Starts genommen, obwohl bei einigen Fragezeichen sind so beiden Dragonlabmissionen, die es seit ewigen Zeiten auf dem Manifest gibt oder dem Start von Bigelow. Die acht zusätzlichen CRS-1 Starts hatte ich mit je 150 Millionen Dollar angesetzt. Das gab Gwen Shotwell als Abschlussumme an.

US-Regierung Summe Kommerziell Summe
CRS-1 Rest 200 Iridium 492
TESS 86 24 x Falcon 9 1468,8
CCdev Entwicklung 50% von 1750 875 3 x Falcon Heavy 270
CCDEV Testflüge 850
STP-2 162
CRS-1 8 weitere Flüge (13-20) 1200
CRS-2 erste 4 Jahre 1500
Summe 4873 Summe 2530,8

Es ist also Besserung in Sicht es nähert sich 65% Regierungsanteil.

Aus Verdienstsicht sind die Regierungsgeschäfte viel profitabler. Zum einen sind die Erlöse höher (83-96 Millionen für eine Falcon 9, 162 Millionen für eine Falcon Heavy). Zum anderen sind die meisten Starts mit der Dragon. So stehen insgesamt 12 Regierungsstarts für 2648 Millionen Dollar 34 kommerzielle Starts für 2530,8 Millionen Dollar gegenüber. Jeder Start für die Regierung bringt auch den dreifachen Umsatz und sicher auch den dreifachen Gewinn. Insgesamt überwiegt aber auch in der Zukunft der Regierungsmarkt obwohl nur zwei Satellitenmissionen gebucht wurden, also der Großteil der Starts für NASA und DoD noch fest in den Händen von ULA ist.

Wie die Tatsache zeigt, das SpaceX nun der teuerste CRS-Anbieter ist, wird damit zu rechnen sein, dass SpaceX teurer wird. Sobald eine Abhängigkeit da, ist wie bei CRS, wird der Preis kräftig erhöht und gibt es noch Konkurrenz wie bei den Starts so bleibt man wahrscheinlich knapp unter dem Preis von ULA. Bei kommerziellen Starts sieht man das schon. Die Falcon 9 kostete 2013 noch 54 Millionen, nun ist sie bei 61,2 Millionen, also 13,3% teurer in drei Jahren. Angekündigt wurde sie mal für 27 bis 35 Millionen …. Ich wage zu prognostizieren, dass wenn SpaceX es mal hinkriegt auch so viele Starts abzuwickeln wie sie buchen (2015: neun neue kommerzielle Aufträge aber nur drei kommerzielle Starts) sie mit dem Preis auch deutlich höher gehen werden. Derzeit müssen sie noch Kunden locken, denen es nichts ausmacht einige Jahre ihre Satelliten einzulagern. Derzeit stehen 47 Starts im Manifest, bei 12 Starts pro Jahr also genug bis Ende 2019.

Manchmal habe ich aber auch meine Zweifel ob SpaceX überhaupt kommerziell denkt. Ich bin ja freier Programmierer und ich richte mich nach den Wünschen des Kunden. Ich komme wann er es will, Ich meine so was ist im Dienstleistungsgewerbe üblich und Satelliten starten ist eine Dienstleistung. Nun hat Elon Musk den nächsten Start erst für Ende März angekündigt. Man hätte in der geborgenen Stufe was gefunden was das nötig macht. Nun hat SES protestiert und plötzlich ist der Start am 24.2 möglich. Wie dann bei den Nachrichten rauskommt, war der Grund assoziiert mit der Wiederverwendung und die wollte man erneut angehen. Hallo? ihr habt einen Nutzlaststau die Leute haben einen Startvertrag abgeschlossen und wahrscheinlich den Start längst bezahlt (üblich ist Vorkasse) und zwar unabhängig davon ob ihr nach Abtrennung der Stufe Experimente durchführt. Dafür gab es aber sicher definierte Termine. 2014 stand der Start zumindest noch für 2015 in dem Launch Manifest gelistet und anstatt das ihr hurtig mal die Satelliten startet, ist die Bergung der Stufe wichtiger? Nicht gerade professionell. So sieht es auch SES:

“Maybe in the future we will say, ‘Elon, we need to forget [stage recovery] for a certain mission because for me the opportunity cost will be too much – either for BIU [bringing-into-use regulatory deadlines] or contractual agreements,” Sabbagh said. “This is good for the industry.”

Beim Nachschauen über die Wayback Maschine in das Launch Manifest von 2014 (inzwischen ist es ja ohne Jahresangaben) zeigte sich auch das etliche Kunden von damals inzwischen abgesprungen sind. Ja auch so was kann passieren, wenn man nicht startet sondern experimentiert. Wenn man da nicht aufpasst kommt man bald in die Situation von ILS: sie hat das Vertrauen der Kunden verloren. Bei ILS durch Fehlstarts, bei SpaceX könnte es dazu kommen, wenn der Stau anhält. Ein Satellit der am Boden steht kostet Geld, Geld das er einbringen kann wenn er im Orbit ist und das kann sich eine Firma nur so lange leisten wie sie die Summe bei den Startkosten einspart. SES scheint zumindest am Ende der Geduld zu sein.

[Edit:] Just um meine Aussage zu belegen gab Arianespace den Abschluss des Starts von Viasat 2 und 3 bekannt. In der Wikipedia steht er (noch) als Falcon Heavy start und auch bei der SpaceX Seite. Die Kunden warten eben nicht ewig.

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