Bernd Leitenbergers Blog

Aktionismus

Auf das heutige Thema kommt man ganz schnell, wenn man oder zumindest ich, an die Terrorismuspolitik denkt. Seit dem 11.9.2001 gab es zahllose Gesetze, die uns vor Terrorismus schützen sollen, besonders nachdem es in den Nachbarländern Anschläge gab. Vor allem wenn es einen solchen direkten zeitlichen Bezug gibt, liegt der Bezug zu Aktionismus nahe. Bei de Maizière habe ich noch dazu den Verdacht, dass er in einem Denken verhaftet ist, das vielleicht vor 40 Jahren gegen die RAF half, aber nicht heute. Anders kann ich mir Medienauftritte wie diesen nicht erklären, in dem er den IS „verbietet“. Als ob der sich darum scheren würde. Wahrscheinlich muss man so was aus Gesetzesgründen machen, um gegen Sympathisanten die eine IS-Fahne im Zimmer hängen haben vorgehen zu können (auch wenn ich nicht denke, dass dies dann das einzige Gesetz ist, wogegen der Sympathisant verstößt). Doch würde ich das still und leise in einem normalen Erlass machen, anstatt das vor laufender Kamera auf einer Pressekonferenz zu verkünden. So wirkt das irgendwie lächerlich.

Was mich vor allem besorgt, ist das de Maizière, er steht aber nur stellvertretend für die Bundesregierung, die ihn ja nicht ausbremst, in einem Denken verharrt die nichts an Sicherheit bringt und die Maßnahmen vielleicht früher erfolgreich waren, doch nicht heute.

Zur Zeiten der RAF führte man erstmals Methoden ein, wie die Datenauswertung mittels Computern nutzten, um die Mitglieder der RAF inmitten der Bundesbevölkerung zu finden. Sie wollten ja unerkannt im „Untergrund“ arbeiten. Das war damals die Rasterfahndung. Sie führte Daten verschiedener Behörden zusammen. Was man wusste, war das RAF Mitglieder kein Konto besitzen konnten, weil sie bei der Eröffnung einen Personalausweis vorlegen mussten. Also bezahlten sie alles Bar oder durch Postüberweisung. Mittels der Rasterfahndung durchsuchte man dann den Datenbestand auf Personen, auf die dies zutraf und die nicht gemeldet waren. Das war erfolgreich. Der Schlag am 1.6.1972 bei dem Meins, Baader und Raspe verhaftet wurden, beruhte auf Eingrenzung der Zahl der Verdächtigen mit der Rasterfahndung.

Nun haben sich die Zeiten aber geändert. In den Siebzigern hätte man vielleicht alle Telefone abhören können und auch so zu der RAF kommen können. (Wenn man geenügend Personal gehabt hätte). Heute geht das nicht mehr. Sicher Telefongespräche wird man noch abhören können, doch wenn der Sympathisant ein Prepaid Handy benutzt, das einmal benutzt nützt das nichts. Man kennt dann immer noch nicht den Anschlussinhaber.

Noch idiotischer ist die Totalüberwachung mittels gesetzlich verordneter Vorratsdatenspeicherung. Es gibt seit Jahren zuverlässige und einfach einsetzbare Verschlüsselungsmethoden für Inhalte. Warum sollten die Terroristen nicht einsetzen? Schon die Verschlüsselung alleine reicht, das man den Inhalt nicht einfach durch einfache Überprüfung auf „Buzzwords“ durchsuchen kann, um ihn aus dem Riesenberg an Daten die täglich durch das Internet rauschen heraus zuholen. Also erst mal festzustellen, ob er überhaupt relevant ist. Stattdessen setzt man die gesamte Bevölkerung unter Generalverdacht. Würde man das Gleiche woanders machen, würde die Bevölkerung aufschreien. Im Prinzip ist es ja so: Wir überwachen alle, um einige schwarze Schafe zu erwischen. Nehmen wir mal an, wir machen das beim Straßenverkehr. Dot gibt es viel mehr Verstöße als durch Terroristen. Dazu braucht man heute nicht mal überall „Blitzer“. Wenn in jedem Auto ein Navi steckt und die neuen Autos auch alle Internet haben, dann muss man nur gesetzlich verordnen, das das Auto alle Geschwindigkeitsüberschreitungen meldet. Die Daten über die Geschwindigkeit liefert das Auto selbst, die Daten über Einschränkungen das Navi. Das kann man auch erweitern um das Ignorieren von Verbotsschildern, wie „Einbahnstraße“ oder „Parken verboten“. Was wäre los, wenn viele Autofahrer mehrmals im Monat automatisch einen Strafzettel bekommen würden? Auch hier kann man argumentieren: Wenn ich mich an SVO halte, dann kann mir nichts passieren. Das sagen ja oft unbedarfte, wenn man sie zum Thema Vorratsspeicherung befragt.

Das Gleiche zeigt sich bei der Totalüberwachung. In England gab es ja schon eine gute Überwachung von öffentlichen Plätzen und belebten Straßen durch Kameras. Trotzdem konnte man die Anschläge dort nicht verhindern. Nachher entdeckte man die Terroristen auf den Aufnahmen. Zwei wesentliche Argumente gibt es gegen die Totalüberwachung. Das erste ist, dass jemand nur auffällt, wenn er auch sich auffällig bewegt oder was macht, also vielleicht eine Waffe aus einem Rucksack herausholt. Wer mit einem Sprengstoffgürtel unter der Jacke herumspaziert ist gar nicht auffällig. Das ganze ist auch eine zweischneidige Sache. Zum einen kann natürlich jemand mehr Monitore parallel kontrollieren, als jemand der auf dem Gelände ist. Allerdings glaube ich nicht das mehr als zwei bis drei Monitore wirklich aufmerksam konzentriert werden können, zumindest wenn dort viele Leute sind. Aber egal wie: man braucht in jedem Fall Leute, die dann schnell vor Ort sind und dann wäre es besser gleich mehr Personal an Brennpunkten oder belebten Orten zu haben. Aber das kostet viel mehr Geld. Die Polizei hat man ja in den letzten Jahren abgebaut. Dabei würde das auch andere Straftaten vor Ort, wie Taschendiebstahl, Schlägereien etc. eher bekämpfen von denen mehr Gefahr für die Allgemeinheit als von Terroristen ausgeht. Wenn ich dann noch die Bilder sehe, die bei bisherigen Anschlägen von Überwachungskameras geschossen werden, dann frage ich mich was die Leute da überhaupt erkennen können. Deren Qualität ist oft sehr bescheiden. Dabei kosten wetterfeste, Full-HD fähige Netzwerkkameras heute nun wirklich nicht mehr viel Geld. Ich würde also erst mal die vorhandene Ausrüstung modernisieren, bevor ich noch mehr aus der Ferne überwachen lassen würde. Doch das klingt eben nicht so gut. Mehr Überwachung = mehr Sicherheit.

Und wenn mal Sommerloch ist und unser Minister sich langweilt, kommt er mit weiteren Vorschlägen wie der 10 Tagesvorratsidee. Ich komme ohne Probleme mit dem was ich zu Hause habe 10 Tage aus, nur soll das ja als Absicherung für einen Stromausfall sein und weder Konservendosen noch Fertiggerichte (Spaghetti Miraculi etc.) kann man ohne Strom zubereiten oder zumindest schmeckt es nicht besonders. Das Gleiche gilt für eigenes Brot, das man ja aus Mehl (gut lagerbar) machen kann und Tiefgefrorenes verdirbt, auch wenn die Gefriertruhe keinen Strom hat. In der Praxis würde das drauf hinauslaufen, dass man von den nicht so lange haltbaren Waren, die aber 10 Tage noch ohne Kühlung überstehen und nicht erhitzt werden müssen, dauernd einen Vorrat hat der 10 Tage reicht, z.B. Vollkornbrot, Wurst etc. Ich möchte aber nicht wissen wie viele dann nach einigen Tagen trotzdem das Brot und die Wurst wegschmeißen, weil es dann nicht mehr so gut schmeckt. Dabei wird doch schon beklagt, dass die Deutschen zu viel wegwerfen.

Ich glaube dieser Aktionismus hat eher den gegenteiligen Effekt: das die dauernden Nachrichten über Maßnahmen, die man durchführen sollte oder die Diskussion darüber das Thema im Gespräch hält und man daher eher eine Gefahr vermutet, auch wenn es keine gibt.

Mal ein ketzerischer Gedanke: Es sterben 3,7 Personen/100 Millionen im Jahr durch Blitze. Beim Untersuchen der Liste der Terroranschlägen seit 2000, also 15 Jahren fand ich nur einen Anschlag bei dem es zwei Tote (außer dem Attentäter) gab. Bei 82 Millionen Einwohnern müsste es statistisch in den 16 Jahren 48 Tote durch Blitze geben. Blitze sind also 24-mal gefährlicher als Terrorismus. Tut man was dagegen? z.B. Ausgehverbote bei Gewittern? Nein! Dabei ist dieses Risiko wie Terrorismus nicht eines das man durch eigenes Verhalten verhindern könnte (die Liste führt z.B. Bergsteigen auf, das Sterben kann man vermeiden, wenn man gar nicht erst auf Berge kraxelt).

Ich halte es im Gegenteil für sehr gefährlich Leute mit einer Bedrohung zu verunsichern, die von de Faktenlage her gar nicht existiert. Mal von den psychischen Folgen ganz abgesehen tut das auch nicht der Reputation von de Maizière und der Regierung gut. Vor allem ist es ja auch nicht ohne Risko: Ich möchte nicht wissen, wie viele daran schon an den Folgen der Aufregung über die Terrorgefahr gestorben sind …

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