Rückschau auf das letzte Jahrzehnt
Nun hat es also angefangen, das zweite Jahrzehnt des dritten Jahrtausends. Gestern kam im Radio wie man das letzte Jahrzehnt wohl bezeichnen soll. Die befragten Germanisten waren sich nicht einig „die nuller Jahre“ und „das erste Jahrzehnt des 21.sten Jahrhunderts“ waren die Antworten. Ich habe mich gefragt was in dem letzten Jahrzehnt so aufregend war. Ich bin auf recht wenig gekommen. Es fing an mit dem „Y2K Bug“ – kann sich noch jemand an die Hysterie um alte COBOL Programme erinnern, die Zahlen im BCD Format speicherten und dabei zwei Ziffern einsparten? Wer erinnert sich noch daran, dass es schon 8 Jahre her ist dass die D-Mark dem Euro gewichen ist?
Also herausragend war sicher der Anschlag auf das WTC und der daraus entstehende Krieg in Afghanistan und vor allem dem Irak. Er zeigte vor allem wie dümmlich die Politik darauf reagiert. Seitdem gibt es eine Reihe von Gesetzen die Anschläge verhindern sollten: Angefangen von dem Abgeben jeder Flüssigkeit vor dem Flug bis hin zur Totalüberwachung der Internetdaten jedes Bundesbürgers. Mal abgesehen davon, dass dies immer mehr in Richtung Überwachungsstaat geht und vor allem wohl der Schallplatten- und Filmindustrie nützt und nicht der Terrorismusbekämpfung zeigt das wie hilflos die Politik ist, denn so werden sicherlich keine Terroristen aufgespürt werden.
Es gibt zwei Dinge die mich dran stören: Das eine ist das die Ursache nicht bekämpft wird. Man wird sicher nichts gegen die Irren machen können, aber den Zulauf austrocknen. Der Zulauf kommt durch eine Politik die nicht nur in arabischen Ländern als eine neue Art des Imperialismus angesehen wird. Hauptursache ist sicher die Politik der USA gegenüber Israel aber auch wie allgemein mal dieses und jenes Land unterstützt wird wenn die Regierung einem passt und dann mal wieder nicht. Vor allem zeigt es die inzwischen so gang und gäbe gewordene Politik des Aktionismus. Denn die Gesetze die es seitdem gibt sind weder sinnvoll, noch sind sie verhältnismäßig.
Wie ich das meine? Nun es gab im letzten Jahrzehnt weltweit rund 4000 Tote durch Terrorismus, davon zwei Drittel beim WTC. Bedroht sind rund 300 Millionen Amerikaner, 450 Millionen Europäer und dazu noch einige asiatische Länder und Australien. Zusammen vielleicht 1 Milliarde Menschen. Das Risiko jedes einzelnen durch einen Terroranschlag getötet zu werden beträgt also rund 1:2.500.000 pro Jahr. Im Jahre 2008 starben in Deutschland (82 Millionen Einwohner) 4447 Personen im Straßenverkehr, das ist ein Risiko von 1:18.300 also rund 100 mal größer. Trotzdem kommt keiner auf die Idee für den Straßenverkehr Maßnahmen einzuführen die die Freiheit des einzelnen so weit einschränken wie beim Flugverkehr und bei der Totalüberwachung des Internets. Wenn man das überträgt – die Begrenzung der Flüssigkeitsmenge (egal ob Limonade oder Sprengstoff) soll ja Anschläge präventiv verhüten indem die Menge nicht ausreicht das Flugzeug zu gefährden und die Totalüberwachung soll neben Zig Millionen Unschuldiger auch einige wenige Terroristen aufspüren – würde man beim Straßenverkehr wohl folgendes machen:
- Begrenzung der Höchstgeschwindigkeit auf Tempo 20 – damit gibt es keine tödlichen Unfälle mehr
- Lückenlose Überwachung der Verkehrsteilnehmer über TOLLCOLLECT, GPS, Handyortung – damit werden alle erwischt die schneller als Tempo 20 fahren.
Überzogen? Genauso wie die Anti-Terrorgesetze. Trotzdem wette ich, dass nach dem vereitelten Anschlag neue Gesetze kommen werden. Ganz einfach deswegen weil sich die Regierung damit profilieren kann anstatt Terrorismus als das zu sehen was er ist: ein neues Altagsrisiko, das es eben vorher nicht gab. Dafür nehmen andere Alltagsrisiken ab. Als ich nachschaute wie hoch die Zahl der Verkehrstoten war, stellte ich fest dass es 1970 noch über 19000 waren – viermal so viele und das bei weniger Einwohner (nur Westdeutschland) und weniger Autos.
Das ganze sieht man auch auf anderen Gebieten, so die Hysterie wegen der Schweinegrippe und die Bevorratung von Impfdosen für ein Viertel der Bevölkerung – und dies obwohl an der weitaus weniger Personen gestorben sind als an der normalen Grippe: Die wirklichen Probleme: Staatsverschuldung, Arbeitslosigkeit, Sicherung des Rentensystems werden nicht angegangen.
Doch was hat sich in Deutschland in den letzten 10 Jahren getan? erstaunlich wenig und das über Regierungen hinweg. Das ist das traurige. Und es sieht auch nicht so aus als würde sich was ändern. Auch die Terrorismusgesetze sind da symptomatisch dafür: Anstatt ein Problem einzugehen wird aktionistisch gehandelt. Zuletzt werden ja Wahlen mit Rekordergebnissen gewonnen, wenn man bei einer Wirtschaftskrise die Automobilindustrie subventioniert und Steuergeschenke verspricht. Passend dazu ein Lied, das vielleicht synonym zu dem letzten Jahrzehnt steht:
Nun seien Sie mal exakt, Herr Leitenberger! Das 201. Jahrzehnt christlicher Zeitrechnung dauert bekanntlich noch 365 Tage, heute mitgerechnet. Die Zeit für Rückschau ist also definitiv noch nicht gekommen.
Für mich wurde das letzte Jahrzehnt vor allem durch blaue LEDs definiert. Die sind ÜBERALL und eine lästige Modeerscheinung.