Bernd Leitenbergers Blog

Quarks (und Co) – der Verfall geht weiter

Ich hatte es bei meinem letzten Blog schon erwähnt, seit Quarks und Co eine neue Moderatorin hat, hat das Niveau deutlich nachgelassen und es schleichen sich Fehler ein. Nun hat das auch die Sendungen erreicht die Ranga Yogeshwar moderiert, das fiel mir bei den Sendungen „Wie Apollo 8 die Welt veränderte“ und „“Wir schalten ins All – Alexander Gerst und seine Mission“ erreicht.

Schon nach wenigen Minuten bei Sendung über Apollo 8 geht es los „Die NASA schätzt ihre Überlebenschance auf 50 Prozent“. Kommt euch das bekannt vor? Klar so was hört man immer wieder, vor allem aber bei der Landung von Apollo 11. Mit „der NASA“ ist man auch frei raus, das kann auch die Einschätzung von jemanden sein, der das VAFB ausfegte.

Tatsache ist: es gibt keine solche offizielle Einschätzung, auch nicht bei Apollo 11. Ich habe die Biografien von Chris Kraft, Gene Kranz und Michael Collins (Backupmannschaft) gelesen und in keiner findet sich eine solche Aussage. Im Gegenteil: Man sah das Raumschiff nach mehreren unbemannten Tests als so erprobt an, dass man gleich einen Mondflug anging. Es gab ja zwei Gründe für das Unternehmen. Der Wichtigere war, dass der Mondlander, der nach dem ursprünglichen Plan im Erdorbit getestet werden sollte, bevor man zum Mond ging noch nicht fertig war. Der Zweite war, dass man nach der erfolgreichen Wasserung von Zond 5 befürchtete, das Russland als Nächstes eine bemannte Mondumrundung, wenn auch keine Umkreisung versuchen würde.

Aber für die Mission war alles qualifiziert. Ich kenne keine Gesamtabschätzungen für das Risiko der ganzen Mission,, aber für die Saturn V war bis zum TLI (Translunar Injektion) gefordert, das das LOC-Risiko 1:100 betrug. Wenn man von ähnlichen Größen beim CSM und den Operationen (die ja auch scheitern können) ausgeht dann kommt man auf ein Risiko von etwa 1:33 oder 3 Prozent. Woher diese ominöse Zahl „50 %“ kommt, weiß ich nicht. Ich tippe auf eine Verwechslung. Man hat wohl angenommen, dass die Chance das Apollo 11 die Landung beim ersten Versuch schafft, wohl 50 Prozent sei. Der Crew wurde vom NASA-Chef bei einer letzten Besprechung versichert, dass sie, wenn die Landung scheitert, den nächsten Flug bekäme, um es noch mal zu versuchen. Wohl auch, damit sie keine unnötigen Risiken eingeht und dann wirklich ihr Leben aufs Spiel setzt. Ebenso hatte die NASA drei Missionen in der Pipeline. Wäre Apollo 11 nicht gelandet, so wäre Apollo 12 schon im September gefolgt, und wenn auch diese nicht landet, Apollo 13 im November/Dezember. Man hat also aus einer 50 Prozent-Chance für eine geglückte Landung eine 50-Prozent-Überlebenschance gemacht, was nicht dasselbe ist. Die NASA hätte nie Astronauten auf eine Mission mit 50 Prozentüberlebenschance geschickt. Wenn sie gestorben wären, das Programm wäre erledigt gewesen – ein Unglück gab es ja schon und dann das nächste so kurz vor der Deadline, das wäre das Aus für Apollo gewesen.

Beim Start geht es dann mit den falschen Bildern weiter. Die Abtrennung des Stufenadapters zwischen S-IC und S-II wird mit „Abtrennung der ersten Stufe“ moderiert. Der Clip stammt aber von Apollo 4 und der Stufenadapter ist nicht die S-IC. Ebenso die Zündung der S-IVB, deren Aufnahme von AS-207 einem Saturn IB Start stammt. Leicht zu erkennen an der unterschiedlichen Anzahl von Trennraketen bei der S-IVB der Saturn IB und V.

Schon eine Minute später in der Sendung soll Houston alarmiert sein, weil Frank Borman eventuell an einer Virusinfektion erkrankt ist. Wie sich herausstellt, ist es die Weltraumkrankheit. Falsch. Zwar erkrankte Borman an dem Space Sickness Syndrome, übrigens auch Anders, was Quarks nicht erwähnt, doch die Astronauten sprachen darüber nicht mit Houston. Es wurde erst lange nach der Mission bekannt. Die Astronauten tat das, weil sie ja noch in Erinnerung hatten, was Scott Carpenter passierte, als dieser seine Mission fast versemmelte und wie zur Bestätigung bekam Rusty Schweickhart, als er bei Apollo 9 ebenfalls an Weltraumkrankheit erkrankte und sich „nur“ der Zeitplan verschob auch keinen Flug mehr. Die Spekulation, ob der Flug zum Mond abgebrochen werden soll, die Quarks daraufhin aufwirft ist daher reines Hirngespinst. Besonders, wenn im nächsten Satz es heißt, „Gut 20 Stunden nach dem Start droht die Mission zu scheitern“. Hallo? Wie geht es im Land der recherchefaulen Dummköpfe? 20 Stunden nach dem Start ist eine Apollomission zu weit entfernt von der Erde, als das man die Flugbahn umkehren und zurückfliegen kann. Man muss in jedem Falle um den Mond herum und kann nicht mehr abbrechen.

Dann blamiert sich Yogeshwar selbst. Er verdeutlicht an einem Diagramm wie weit Astronauten bis dahin ins All gestoßen waren – seiner Angabe nach 180 bis 250 km. Stimmt schon mal nicht. Gemini 11 hielt bis dahin den Rekord für die größte Erdentfernung: 1.390 km. Dann aufpassen: kommt der Mond ins Blickfeld, der 384.400 km von der Erde entfernt sein soll. Ist er auch im Mittel, aber vom Erdmittelpunkt und alle bisherigen Höhen, hat man ja von der Erdoberfläche aus gemessen, also wäre die Distanz um einen Erdradius, 6.378 km zu verkleinern. Yogeshwar ist Physiker. Peinlich wenn man dann nicht mal den Unterschied zwischen Distanz vom Erdmittelpunkt aus und der Erdoberfläche kennt.

Später kommt es noch dicker. Den zu hohen Umrechnungsfaktor von 24 Mrd. US-$ damals in 180 Mrd. US-$ heute geschenkt (Nach dem Augustine Report S.20 waren es 2011 noch 129,8 Mrd. Dollar und so hoch war die Inflation in den letzten sieben Jahren nicht). Er meint, dass 1,5 Milliarden Leute das Ereignis im Fernsehen gesehen haben. Schade, vorher hat er selbst gesagt das zu dem Ereignis bei ihnen ein Fernseher angeschafft wurde. Damit hat er eine Situation beschrieben, die realistisch war: 1968 hatte noch nicht jeder Haushalt einen Fernseher und wenn dann waren die in wenigen Industrienationen der westlichen Welt weit verbreitet. In den Entwicklungsländern, wo damals schon die meisten Leute wohnten aber nicht. Bei Apollo 11, dem viel wichtigeren Ereignis werden die Zuschauerzahlen auf 530 Millionen (Wikipedia) bis 600 Millionen (Daily Telegraph) geschätzt. John Glenns Flug sahen auch nur 100 Millionen im Fernsehen. Die Zahl ist viel zu hoch und angesichts der damaligen Weltbevölkerung von 3 Mrd. Menschen kaum glaubhaft.

Auch im folgenden geschichtlichen Beitrag wieder falsche Darstellungen. Wenn der Sprecher von „der Mondlander ist noch nicht ausgereift“ spricht, wird ein Aufschlag des fliegenden Bettgestells gezeigt – hat nur nichts mit dem Mondlander zu tun. Dann: „der Plan ist riskant, die Technik noch nicht ausgereift.“. Gerade das Gegenteil ist der Fall es wurde das eingesetzt, was am erprobtesten war, auch durch eine bemannte Erdorbitmission vorher ,die problemlos war. Ein riskanter Plan wäre sicher nicht innerhalb eines Wochenendes durch die ganze NASA-Hierarchie gegangen und genehmigt worden, da hätten sich viele mit Bedenken gemeldet. Erst recht wenn die Überlebenschance nur 50 Prozent beträgt ….

Dann wird es megapeinlich. Es kommt ein ganzer Beitrag über Frauen in der NASA. Muss wohl heute sein, um politisch korrekt zu sein. Schon in der Anmoderation blamiert sich Yogeshwar. Es geht darum um für das TLI die richtigen Koordinaten zu haben man wissen muss, wo der Mond ist, wenn nach drei Tagen die Kapsel ihn erreicht „Nun heute könnte man dies mit Computern berechnen, aber die gab es damals so noch nicht. Die Berechnungen wurden stattdessen von Frauen durchgeführt“. Ich weiß das sich Yogeshwar mit Computern auskennt. Quarks hat in den frühen Neunzigern schon eine Sendung über das Internet gemacht, da war schon der Begriff „Internet“ in Deutschland unbekannt, geschweige denn das jemand Zugang hatte. Er muss wissen das ohne Rechner die Mission unmöglich war. Es gab auch zwei Stockwerke mit IBM System 360 Rechnern, die nur für die Missionsplanung zuständig waren. Chris Kraft und Gene Kranz beschrieben das in ihren Memoiren als Kraft gefragt wird, ob diese Mission zum Wunschtermin möglich ist, ist das Erste was er macht seinen Mann anzurufen, der für die Planung zuständig ist und der sagt ihm das er beide RTCC (real Time Computer complex) benötigt um die Bahnen auszurechnen und den idealen Starttermin zu finden. Was zeitraubend war, ist nicht die Berechnung der Position – die streckt in meinem Pascalprogramm in einem Unterprogramm, dass etwa eine Bildschirmseite einnimmt. Es gab etliche Nebenbedingungen so das die Bahn eine freie Rückkehrbahn sein musste, das die Kapsel im gewünschten Zielgebiet bei Tag niedergeht und den engen Korridor für den Atmosphäreneintritt einhält. Wo der Mond 3 Tage nach dem Startzeitpunkt ist, kann man bei einer nahezu kreisförmigen Bahn sogar mit dem Rechenschieber mit ausreichender Genauigkeit berechnen (damit arbeiteten die Ingenieure in Mission Control).

Dann folgt ein ganzer Beitrag über Frauen, die im Apolloprogramm arbeiten. Er ist über Katherine Johnson. Doch sie arbeitete im Mercuryprogramm. Selbst die erwähnte Überprüfung der Bahn von John Glenn kann sich nur auf die geplante Bahn beziehen – da die Atlas nicht genau eine Bahn erreichen konnte und Mercury keinerlei Bahnänderungsfähigkeiten hatte, berechnete man während der Mission laufend basierend auf den letzten RADAR-Vermessungen den Punkt, wo der Wiedereintritt erfolgen sollte und wo die Kapsel landet – so konnte man bei der missglückten Abbremsung von MA-7 Scott noch als er landete durchgeben, dass er 320 Meilen vom Kurs abgekommen war. Ebenso mag sie an der Erstellung der Programme für die Bahnanalytik von Apollo 8 beteiligt gewesen sein, das war jedoch eine Gemeinschaftsleistung. Ebenso war Marget Hamilton nicht alleine mit dem Programmieren des AGC beschäftigt. Das zeigt schon der Stapel des Programmcodes, der neben ihr steht – so viel kann keiner alleine schreiben, erst nicht bei so missionskritischem und daher besonders geprüftem Code. Das MSIL, wo der Bordcomputer gebaut wurde, führt im Durchschnitt 300 Beschäftigte für die Software von 1967 bis 1970 auf.

Das ist so eine Sache der politischen Korrektheit. Es gab durchaus sehr wichtige Frauen im Apolloprogramm, das waren die LOLs nein das steht nicht für eine Chatabkürzung, sondern für Little Old Ladies. Frauen waren es beim Hersteller welche die Ferritkerne mit Drähten durchzogen – das Programm war im wahrsten Sinne des Wortes hardwareverdrahtet. Dafür musste man enorm viel Konzentration aufbringen, obwohl die Arbeit monoton war. Der Hersteller stellte Frauen mittleren Alters ein, die Familie hatten. Die Begründung: sie brächten durch ihre Erfahrung mit der Familie die nötige Geduld auf. Als ich dasselbe in einem Artikel über den AGC für eine Begleitschrift zu einer Ausstellung schrieb, bat der verantwortliche Redakteur mich diesen Passus zu streichen, weil das politisch inkorrekt sei. Mag ja heute so sein, aber in den Sechzigern hatte man eben noch ein anderes Frauenbild. Heute würde es wohl auch bei diesem Lied einen Shitstorm geben.

Im letzten Beitrag über die Landung wird dann gesagt, dass man erstmals Russland im Weltall geschlagen habe. Das ist falsch Chris Kraft berichtet in seinen Memoiren, wie bei der Gemini 5 Mission eine zweite Uhr installiert wurde, die rückwärts lief – sie wurde mit dem Start aktiviert und zählte rückwärts die Dauer von Wostok 3, der bisher längsten Mission der Russen und Gemini 5 sollte diese überbieten. Damit hatte man Russland erstmals geschlagen. Es folgten weitere „Firsts“ im Geminiprogramm wie erste Ankopplung im All, erste Bahnänderung durch Raketenstufe und neue Rekorde für Erdferne und Aufenthalt im Weltall.

Was komplett wegfiel, war eigentlich, was diese Mission gebracht hat. Neben der Fotografie wurde auch gleich das ganze Netzwerk qualifiziert. Daneben gab es eine Überraschung: Apollo war so konzipiert worden, dass die wesentlichen Daten alle von der Bodenkontrolle ermittelt werden und die Besatzung sie in die Computer eintippte, die Missionskontrolle war für die Navigation zuständig. Man entschied sich dafür, weil dies die Anforderungen an die Hardware an Bord deutlich reduzierte und erste Versuche im Mercuryprogramm selbst die Position festzustellen scheiterten. Der AGC hatte jedoch einen Welktraumsextanten gekoppelt an den Computer und Lovell überprüfte mit ihm nicht nur die Navigationsdaten und ermittelte nur kleine Abweichungen, er peilte den Mondrand einen Tag vor dem Erreichen des Mondes an und lies den Computer ermitteln wie nahe man am Mond vorbeifliegen würde – er teilte das der Bodenkontrolle mit und sein Ergebnis war auf 1 Kilometer genau. Damit war bewiesen, dass Apollo prinzipiell ohne die Bodenkontrolle auskommen sollte und vielen Leuten dort dämmerte, das die Zeit in der Hunderte am Boden nur mit der Mission betraut waren sich langsam dem Ende nähert.

In der folgenden Sendung mit einer Life-Schalte zu Alexander Gerst in die ISS merkt man, das Yogeshwar nun kurz vor seinem Ausstieg wohl viel von dem Sachverstand und vor allem der kritischen Betrachtung die früher seien Moderationen auszeichnete, verloren hat. Das war eine einzige Beweihräucherung der Mission und „unserem Astro-Alex“ im All. Keinerlei kritische Betrachtung. Keinerlei Auseinandersetzung, was Gerst denn eigentlich an Bord der ISS macht (wäre wohl peinlich gewesen). Stattdessen Fragen zum persönlicher Befindlichkeit. Sicher sind die Ausführungen von Gerst über die Umweltzerstörung auf der Erde interessant, doch solche Bilder und Eindrücke kann man auch mit unbemannten Satelliten sammeln.

Auch dort Fehler in den Zuspielern. Da wird ein Wettrennen im Weltall prognostiziert – zwischen Milliardären und alles durcheinander gebracht. Zuerst die Grenze von 100 km, gemeint sind damit suborbitale Hüpfer. Yogeshwar spricht aber von „NASas Starliner“ im Kontrast zu Benzos New Shepard und Virgin Galactics de beide aber nur suborbital sind, verschweigt das aber und dann wird’s ganz bizarr – wusstet ihr das Elon Musk die Dragon selbst finanziert? Zumindest nach Yogeshwars Kommentar. Sagt das mal der NASA, sie kann dann rund 3 Milliarden Dollar, die sie für die Entwicklung bezahlt hat, zurückfordern.

Es ist gut das Yogeshwar nun abtritt, es gab ja schon mal eine solche Sendung über Gerst. Was früher Quarks & Co auszeichnete. Das fundierte Recherchieren von Fakten und auch das kritische Auseinandersetzen, findet in den letzten Sendungen nicht mehr statt. Man hätte durchaus auch die Frage nach dem Sinn der ISS stellen können. Stattdessen müssen Spannungsbögen konstruiert werden, wie die Apollo 8 Sendung zeigt.

Das bringt mich auch zum Nachdenken. Habe ich zu hohe Erwartungen, wenn ich korrekte Fakten erwarte? Bin ich vom alten Eisen weil noch gewohnt selbst zu recherchieren und nachzudenken, anstatt dem „Internet“ zu glauben? Vor allem aber: Ich hatte mir auch vor Jahren ein Buch von Günther Siefarth gekauft. Er war bei den Apollo-Sendungen der leitende Journalist und bekam den Spitznamen „Mister Apollo“. Während er dort mit Fachwissen glänzte, ist das Buch nicht mehr als eine extrem kurz zusammenfassende Geschichte der bemannten Raumfahrt. Nicht das Niveau, das man sich von ihm erwartet. Nun baut auch Yogeshwar so ab. Er ist gerade mal sechs Jahre älter als ich. Ich hoffe nur es geht mir nicht so und vor allem ich merke das nicht und blamiere mich dann genauso.

Wenn übrigens wieder die Apollo-live-Übertragung im deutschen Fernsehen erneut ausgestrahlt wird, so war es zumindest beim letzten Jubiläum vor 10 Jahren so, dann rate ich euch das mitzuschneiden. Zum einen erfährt man dort einiges über das Mondprogramm, zum anderen ist das Fernsehen aus einer anderen Zeit, als es noch echte Experten gab (Harry Ruppe, der im Studio war hat z.B. mit Wernher von Braun zusammengearbeitet und war am ersten US-Satelliten Explorer 1 beteiligt) und selbst die Zuschauerfragen erscheinen mir heute intelligenter als Fragen, die ich so gestellt bekomme.

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