Bernd Leitenbergers Blog

Politiker und der Mond

Es scheint irgendwie ein Dauerbrenner zu sein. Immer wenn Politiker ein Problem haben, legen sie ein Mondprogramm auf. Bei Bush war es im Wahljahr vor seiner zweiten Amtszeit. Bei Obama, um von der Einstellung von Constellation abzulenken und bei Problemen mit einer fehlenden Mehrheit im Kongress und nun kommt von Pence die Ankündigung in 5 Jahren auf dem Mond zu landen. Just wo gestern die Meldung kam, dass 16 Bundesstaaten gegen Trumps Notstandsgesetzgebung klagen werden. Kurzum: Politiker erzählen einem gerne etwas vom Mond(programm).

Also ich nehme es nicht ernst, damit könnte ich den Blog eigentlich schon beenden. Aber machen wir mal eine kleine Analyse. Obamas Mondersatzprogramm ist ja kein Mondlandungsprogramm. Die Ziele sind auch eher vage. Eher sollen Asteroiden besucht werden, sogar einer abgeschleppt, ohne zu verraten, wie das gehen soll. Aber das Programm davor, Bushs Constellation sollte ja auf dem Mond landen. Es war eine Wiederholung von Apollo, von vielen auch „Apollo 2.0“ oder „Apollo on Steroids“ genannt. Es bestand aus vier Teilen:

Das ist wirklich eine 1:1 Kopie von Apollo inklusive der Saturn I. Als Obama das Programm sechs Jahre später einstellte, war davon nichts fertig entwickelt, es gab einen Testflug der Ares I ohne aktive Oberstufe. Der Altair war nur ein Projekt. Die Augustine-Kommission bescheinigte, dass es hoffnungslos unterfinanziert war und wenn sich daran nichts ändert, man wohl eher in en 2030-ern landet.

Nehmen wir mal Apollo als Vergleich. Was gerne vergessen wird: Apollo begann nicht mit Kennedys Mondrede. Vor allem bei den Trägerraketen gab es vorher schon Studien und Entwicklungen. Das waren die Daten der finalen Kontrakte:

Saturn I und IB wurden genehmigt, bevor es das Apolloprogramm gab. Das CSM wurde auch seit 1960 ausgeschrieben. Lediglich Saturn V und LM konnten erst entwickelt werden, nachdem man das LOR-Verfahen selektiert hatte. Vorher war die Nutzlast, für die Saturn V unbekannt und ob man ein LM brauchte, fraglich.

Der erste Flug eines bemannten CSM sollte im März 1967 erfolgen, also mehr als 5,5 Jahre nach Auftragsbeginn. Der Jungfernflug der Saturn V wäre ziemlich genau 5 Jahre nach Auftragsvergabe gewesen, verschob sich aber und das LM sollte 5,5 Jahre nach dem Auftrag erfolgen, kam aber auch erst 6 Jahre später. Dabei gingen diesen ja Vorstudien voraus und erster Flug bedeutet keine Landung. Die fand bei Apollo acht Jahre nach Programmstart statt.

Aus der Sicht sind daher 5 Jahre bis zur bemannten Landung völlig irreal. Vor allem, wenn man bedenkt, das Apollo nicht „cost-Driven“ sondern „schedule-Driven“ war. Sprich es ging nicht um die Kosten, sondern wenn man den Zeitplan einhalten konnte, auch wenn es mehr kostete, dann machte man das Geld locker. Heute völlig unvorstellbar. Die Terminprobleme der SLS, die ja anders als die Saturn V nicht neu entwickelt wurde, kommen daher, dass man schon den klassischen Zyklus verhindern will, der hat einen steilen Anstieg zum Ende der Entwicklung uns sackt dann in der Produktionsphase ab. Hier am Beispiel der Saturn V. 1969 als die Rakete am meisten flog brauchte sie nur 60 % der Mittel von 1966.

Für die ISS ist nicht mal eine adäquate Oberstufe bewilligt, immerhin die Orion eigentlich einsatzbereit. Ein Mondlander fehlt komplett. Die Ausgangslage ist also nicht viel besser als bei Apollo und bei dem schaffte man die Mondlandung auch nicht in fünf Jahren.

Was wäre wenn?

Außer Konkurrenz, denn Trump wäre es ja zuzutrauen. Wer einen Notstand ausruft nur um einen Zaun zu bauen, der wie ich den Nachrichten entnehme 1 Milliarde Dollar für 90 km kostet – mithin 11.111 Dollar pro Meter, da würde ich nur mal als Hinweis, an die Grenze Häuser bauen, die sind billiger pro Meter Fassade. Aber mal weiter gedacht. Die Grenze zu Mexiko ist 3144 km lang. Wenn 90 km 1 Milliarde Dollar kosten, dann braucht man für die ganze Grenze 35 Milliarden Dollar, okay, dafür könnte man auch ein Mondprogramm durchführen, wenn man die gleiche Summe über Notstandsregelungen frei schaufelt (ohne geht es nicht, weil sonst erst mal 1 Jahr vergeht, bis der nächste Haushalt durch ist, man also ein Jahr verliert. Kennedy bekam nach seiner Rede auch die Bewilligung Extragelder für Apollo auszugeben). Wäre es in 5 Jahren zu schaffen?

Man müsste eine Oberstufe für die SLS konstruieren, vielleicht die Zentralstufe so umrüsten, dass man vier Booster anbauen kann, sonst wäre die Nutzlast wahrscheinlich trotzdem zu gering, aber das ist schaffbar. Triebwerke für die Oberstufe wie das J-2X und BE-3 existieren und sind teil- oder ganz qualifiziert.

Die Orion ist fertig und weitestgehend einsatzbereit. An der liegt es nicht.

Was noch fehlt, ist der Mondlander. Was ihn bei Apollo so aufhielt, waren die Gewichtsbeschränkungen. Überall musste Gewicht gespart werden was dann Probleme verursachte wie leckende Leitungen, Fenster, die in der dünnen Außenhaut zitterten, die ersten Jahre bis 1965 änderte Grumman das Design laufend, der komplette Ausstieg und die Kabine wurden umgestaltet. Heute könnte man auf den Erfahrungen von damals aufbauen und diese langen Designänderungsphasen einsparen. Die Probleme mit dem Gewicht kann man lösen, wenn man eine leistungsfähigere Trägerrakete hat – die Ares V sollte, auch 62,8 und nicht 48,6 t zum Mond transportieren, das hebt die Gewichtsbilanz für den Mondlander deutlich an.

Kurzum: würde man sofort Geld in ein Programm stecken, die Landung mit zwei SLS (EOR-Verfahren) oder eine deutlich aufgewerteten SLS durchführen, damit man mehr Nutzlast hat und damit mehr Freiheit beim Mondlander, ich denke es wäre technisch in 5 Jahren möglich.

Es wäre erst recht möglich, wenn man nicht einen Mondlander braucht, sondern direkt landet. Das war ja mal geplant. Dann müsste man nur einen Raketenantrieb für die Landung entwickeln, der Rückstart würde mit dem Servicemodul durchgeführt werden. Das Hauptproblem: man braucht dann eine enorme Nutzlast. Schon bei Apollo war dafür eine Saturn C-8 oder Nova mit einer Nutzlast von etwa 70 t nötig. Die Orion ist heute fast doppelt so schwer wie das Apollo-CSM, daher bräuchte man für eine direkte Landung eine Nutzlast von rund 100-110 t in eine Mondtransferbahn. Das würde gehen mit zwei bis drei SLS Starts also dem EOR-Verfahren.

Dazu gehört natürlich die volle politische Unterstützung in dieser Zeit. Kennedy wurde knapp 2 ½ Jahre nach seiner Ankündigung erschossen. Trotzdem fielen mir bei meiner Recherche zum letzten Buch etliche Fotos auf, wo Kennedy abgebildet ist. Beim Besuch von Cape Canaveral, Huntsville, beim Test eines nuklearen Reaktors. Apollo war sicher nicht das große Thema seiner Amtszeit, auch wenn das Mondprogramm immer mit ihm verbunden sein wird, aber er war wirklich interessiert. Wie oft hat man Bush oder Obama gesehen, wenn sie mal die Raumfahrtorganisationen besucht haben? Ich kann mich nur an einen Besuch von Bush erinnern, wo er Constellation ankündigte und Obama zog es sogar vor, den Teil vom Kennedy Space Center der regierungseigen ist, links liegen zu lassen und dafür ein Mockup der Falcon 9 anzusehen.

Es klappt aber eben nur technisch

Chris Kraft beschwert sich in seinen Memoiren, wie er sah, wie zwischen Mercury und Apollo zig Managementebenen in die NASA einzogen. Der direkte Draht zu den Programmdirektoren verloren ging. Entschieden langwierig ausdiskutiert wurden. Doch verglichen mit heute war Apollo rasant. Die Entscheidung Apollo 8 zum Mond zu schicken ging innerhalb von 14 Tagen durch die ganze NASA-Hierarchie. Heute dauert es Jahre, bis nur mal das vorläufige Design feststeht, weitere Jahre, bis etwas entwickelt ist und dann gibt es nach jedem Testflug Monate bis ein Jahr Pause um alle Daten auszuwerten. Mit der heutigen NASA muss man froh sein, wenn man ein Mondprogramm in 10 Jahren schafft. Ich zitiere dazu mal Eugene Kranz aus seinem Buch „Failure is not an option“:

„Revitalize NASA. Lacking a clear goal the team that placed an American on the Moon, NASA, has become just another federal bureaucracy beset by competing agendas and unable to establish discipline within its structure. Although NASA has an amazing array of technology and the most talented workforce in history, it lacks top-level vision. It began its retreat from the inherent risks of space exploration after the Challenger accident. During the last decade its retreat has turned into a rout. The NASA Administrator is appointed by the President and to a great degree represents the current President’s views on space. If space is put on the national agenda for the coming national election [2000], a newly elected President will have the opportunity to select new top-level NASA leadership that is committed and willing to take the steps to rebuild the space agency and get America’s space program moving again.“

Dem ist nichts hinzuzufügen.

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