Heute ein Blog zu einigen Raketenthemen, die alle etwas kurz sind. Das erste spannt einen Bogen von Trägerraketen zum Brexit (diesmal so geschrieben wie die Medien). Ich bin drauf gekommen, weil ich gerade an einer Neuauflage der Fotosafari durch den Raketenwald arbeite. Ich habe es aufgegeben, das ich bis zur Landung von Apollo 11 es schaffe den Band 2 über Apollo zu veröffentlichen. Da meiner Erfahrung nach (von 2009) dann rapide die Verkäufe runter gehen, ist es eigentlich, egal wann er danach erscheint. Aber bis zum Jubiläum von Apollo 13 sollten alle Bände (es gibt noch einen Dritten über Raumanzüge Ausrüstung, Mondmobil und Experimente) erschienen sein – zumindest nach der Planung.
Ich habe beim Schreiben bemerkt wie viel sich in den letzten Jahren bei mir getan hat. Heute erscheint mir das Buch für meinen Anspruch fast zu flach, weil es nicht auf die Technik eingeht in dem Maße wie ich es will – es hat auch nur einen Bruchteil des Umfangs meiner beiden Standardwerke. Andererseits, vergleiche ich das mit der Zeit als ich die Raumfahrt für mich entdeckte wäre das Buch eine Offenbarung gewesen. Damals fand man in Büchern über Raumfahrt einige Seiten über Trägerrakete. Die gesamte Delta Familie z.B auf zwei Seiten abgehandelt, bei mir sind es immerhin acht. Gerade andersherum verhält es sich bei den offiziellen Dokumenten. Meine Bücher über Apollo enthalten nur einen Bruchteil der Informationen die damals öffentlich waren. Es gibt für alle Systeme von Apollo eine „News Reference“, die sehr technisch ist und weiter geht als meine Bücher. Für die aktuellen neun Träger ist es dagegen problematisch auch nur Basisinformationen oder auch gute Fotos zu erhalten.
Beim Buch habe ich 11 neue Trägerraketen aufgenommen, die in den letzten drei Jahren neu erschienen. Weitere stehen in den Startlöchern. Ich lese aber auch die die alten Beschreibungen nochmals durch durch, und da ich gestern gerade angefangen habe, bin ich erst bei „B“ wie Black Arrow. Frage: Was hat die Black Arrow mit dem Brexit zu tun?
Antwort: die hat genau den gleichen Schlingerkurs durchlaufen wie der Brexit. Die Black Arrow entstand aus dem Vorhaben Englands, dritte Weltraummacht nach den USA und UdSSR zu werden. Der Regierung und dem Parlament waren die Konzepte (die ersten basierten noch auf der Mittelstreckenrakete Blue Streak) immer viel zu teuer. Fünf Jahre lang haben sie eines nach dem anderen abgelehnt. Schließlich konnte das Parlament noch für eine minimalistische Rakete mit nur rund 100 kg Nutzlast erwärmen, trotzdem bekam die Rakete nie besonders hohe Finanzmittel und die Entwicklung dauerte entsprechend lange. Schon vor dem letzten Start (und Einzigem der einen Orbit erreichte) beschloss dann England wieder den Ausstieg und hat sich damit wieder zum Raumfahrtzwerg degradiert. England wurde dann siebte, nicht dritte Nation die einen Satelliten mit eigener Rakete startete. Mit WRESAT hatte sogar die ehemalige Kolonie Australien vorher eine Nutzlast erfolgreich in den Orbit gebracht, allerdings auf einer amerikanischen Redstone-Erststufe.
Das englische Parlament scheint einen Drang zu haben das Land in allen möglichen Belangen möglichst zu verkleinern.
Bei den neuen Raketen sind sieben der elf neue Kleinsatellitenträger. Da habe ich mir gedacht, warum meine Lieblingsfirma PlatzX denn ihre Falcon 1 aufgegeben hat, die doch genau im richtigen Nutzlastbereich war. Ich habe mich mal drangesetzt und eine Falcon 1 Heavy oder LFR (Little Falcon Rocket) mit einem Merlin 1D als Erststufenantrieb und einem Super-Draco als Zweitstufenantrieb modelliert. Die Strukturfaktoren habe ich von der Falcon 1 übernommen. Der spezifische Impuls des Super-Dracos ist mit 235 (Meereshöhe) ziemlich niedrig, daher habe ich die Oberstufe ziemlich klein (5,5 t schwer) gemacht. Diese Rakete könnte etwa 450 kg auf eine sonnensynchrone Umlaufbahn in 600 km Höhe transportieren oder etwa 700 kg in einen niedrigen Erdorbit.
Für SpaceX gäbe es noch einen zweiten Grund diese Rakete zu entwickeln. Angebracht an eine Falcon 9 würden die ersten Stufen, wenn sie genauso lange brennen wie die Falcon 9 Erststufe, also ähnliche Mengen an Resttreibstoff in den Tanks hinterlassen, die GTO-Nutzlast bei Seebergung von 5,5 auf 6,7 t anheben. Das würde dann wieder für den Transport auch größerer Satelliten reichen und mit der Bergung sinken die Kosten der Stufe (bei der LFR macht, da die Super-Dracos einen miserablen spezifischen Impuls haben, die Bergung der ersten Stufe aufgrund der starken Nutzlastabnahme keinen Sinn).
Zuletzt habe ich mir Gedanken gemacht wie man die direkte Landung auf dem Mond – anders ist eine bemannte Landung die Pence ja schon in 5 Jahren haben will – nicht möglich mit der SLS durchführen kann. Es ginge relativ leicht, wenn man die SLS upgradet, z. B. sechs SRB einsetzt, davon vier am Boden gezündet, das wäre sogar mit einer relativ geringen Spitzenbeschleunigung von 3 g verbunden. Doch da ich nicht damit rechne, versuchte ich es mit der derzeitigen SLS und der geplanten EUS hinzubekommen. Die Schwierigkeiten:
- Die Startmasse beträgt bei der direkten Landung meiner Rechnung nach mindestens 107 t, wenn man was man bei dem im folgenden skizzierten EOR oder LOR-Verfahren lagerfähige Treibstoffe in der Abstiegsstufe nimmt, sogar noch mehr.
- Die SLS hat nach Abgabe eines Startpads an SpaceX nur ein Startpad zur Verfügung, zwei zeitlich abgestimmte Starts in einem kleinen Zeitfenster, wie für die Ares vorgesehen sind so nicht möglich.
- Die Nutzlast für Mondmissionen beträgt mit der IPCS 30 t mit der EUS 45 t
- Die SLS erreicht mit der EUS und einer schweren Nutzlast gar keine Erdumlaufbahn und ohne IPCS nur eine suborbitale Bahn, die die Nutzlast zirkularisieren muss. Lediglich mit der IPCS ist eine stabile niedrige Erdumlaufbahn möglich
Nach den Fakten nun die Erklärungen: 108 t bekommt man nicht mit der SLS zum Mond. Selbst mit der EUS benötigt man dazu drei Starts. Dann schlagen aber gleich zwei Probleme zu: Die EUS kann keine schwere Nutzlast in den Erdorbit befördern. Sie ist zu schubschwach mit einer extrem langen Brennzeit. Man müsste die 108 t also schon in zwei Flüge aufteilen, z.B. Abstiegsstufe (70 t) und Aufstiegsstufe (38 t). Die dann in elliptischen Erdorbits gelangen, dort ankoppeln und dann mit einem dritten Start zum Mond gelangen. Mit einem Startpad liegen aber Monate zwischen diesen Starts. Die beste Lösung, die mir noch einfiel, wäre es zuerst die Abstiegsstufe in einen elliptischen Erdorbit zu schicken, dann sie mit der EUS in einen Mondorbit zu bringen und dann die Aufstiegsstufe direkt in einen Mondorbit. Sie liegt noch unter den 45 t für einen direkten Start. Das würde funktionieren und erfordert nur einen Start mit Besatzung an Bord, also kein Warten über Monate im elliptischen Erdorbit. Nur gibt es ein Problem: Die Aufstiegsstufe muss sich oberhalb der Abstiegsstufe befinden. Wenn sie im Mondorbit ankoppelt, so geht das nur mit dem Kopplungsadapter am Kopf der Kapsel, sie würde also kopfüber landen. Man müsste einen völlig neuartigen Kopplungsmechanismus entwickeln, der ein zuverlässiges Ankoppeln mit dem Servicemodul erlaubt.
Das man die Kombination erst mal ohne Treibstoffe in einen Erdorbit transportiert (die 108 t sind zu viel für einen Einzelstart der SLS in einen Erdorbit) und dann auftankt ginge. Solange könnte man die Kombination auch an die ISS ankoppeln. Dann bräuchte man wieder zwei Starts eine für die Kombination mit teilweise leeren Tanks und einen für eine Auftankstufe. Doch dann erst hätte man die Kombination vollbetankt in einem Erdorbit um diese von diesem in einen Mondorbit zu befördern bräuchte man weitere zwei SLS Starts und da die Oberstufen keinen lagefähigen Treibstoff haben, wäre auch diesmal nach dem ersten Start nur eine elliptische Erdumlaufbahn möglich, dann müsste man weitere Monate warten, bis ein zweiter Start die Kombination dann zum Mond bringt.
Kurzum: Mit der derzeitigen SLS wäre kein Mondprogramm möglich, auch nicht mit einem Mondlander wie bei Apollo. Der wäre zwar viel leichter, doch die SLS hat nicht mal die Nutzlast um ein Apollo-Raumschiff zu starten. Schon dazu fehlen rund 4 t Nutzlast. Da die Orion aber 10,1 anstatt 5,6 t wiegt, wäre eine Kombination mit Mondlander sogar noch schwerer als Apollo. Diese 10 t Gewicht sind auch das grundlegende Problem. Die Startmasse ist bei der direkten Landung praktisch linear von der Kapselmasse abhängig. Würde die Orion nur 5,6 t wie das Apollo-CM wiegen, so würde die direkte Landung mit 60 t in den TLI möglich sein – das schaffen sicher zwei SLS-Starts mit EUS und knapp zwei SLS mit IPCS.