Bernd Leitenbergers Blog

Artemis – oder die Jagd ist eröffnet

Trump ist ja der Meister der Tweets. Mich würde nicht wundern, wenn er damit auch den dritten Weltkrieg ankündigt. Das ist das eine. Wichtige politische Entscheidungen werden als Tweets angekündigt. Auf der anderen Seite kommentiert er alles per Tweet, teilt Beleidigungen über Twitter aus. Wenn er nicht gerade auf einer Konferenz ist, wie derzeit postet er um die 20 Tweets pro Tag. Dass man da nicht jeden Tweed ernst nehmen kann, liegt auf de Hand.

Schon seit längerer Zeit mahnt er, man müsste mehr in der bemannten Raumfahrt tun. Anfangs ging es um den Mars. Inzwischen um den Mond. Wahrscheinlich kennt er den Unterschied nicht, denn er tweedete auch, das der Mond ein Teil des Mars ist. Die Zeitrahmen von wenigen Jahren bei allen Forderungen waren unrealistisch.

Seit März hat sich das etwas geändert. Mike Pence, der Vizepräsident, der sich nicht so viel zu jedem Mückenschiss äußert, hat bekräftigt, dass man bald zum Mond zurückkehren will (vom Mars ist nun keine Rede mehr) und die NASA hat ein Programm namens Artemis (nach der gleichnamigen griechischen Göttin der Jagd) eingeläutet. Bis 2024 soll es eine Miniraumstation auf dem Mond geben und bis 2028 ein Habitat auf dem Mond. 37 Flüge, die meisten davon mit „kommerziellen Vehikeln“ soll es geben.

Derzeit kann die NASA mit der SLSA nur eine Orion in eine Umlaufbahn um den Mond schicken. Es fehlt schon die Nutzlast, um auch einen Mondlander mitzuführen. Ein Mondlander oder gar ein Habitat gibt es nicht mal in den Planungen. Trotzdem stellt Blue Origin wie „zufällig“ wenige Wochen später ihre Blue Moon getaufte Mondlandestufe vor. Fehlt aber immer noch der Mannschaftsteil.

Insgesamt wirkt das ganze neue Mondprogramm chaotisch. Es ist nicht mal definiert was man denn nun machen will. Eine Mondbasis oder nur längere Expeditionen. Welche Rolle soll das Lunar Gateway, eine Art Miniraumstation, einnehmen?

Ich habe mir überlegt was ich dazu sagen soll. Man kann es mangels Fakten nicht beurteilen und ich will ehrlich gesagt auch nicht viel Arbeit in den Blog stecken, weil ich denke das es spätestens nach den nächsten Präsidentschaftswählen Geschichte ist. Aber es gibt einiges zu bemerken. Fangen wir mit dem Lunar Gateway an. Ich sehe in ihm keinen Nutzen. Eine Raumstation braucht man für einen längeren Aufenthalt. Würde man wie bei der Orion zu einem Asteroiden aufbrechen (auch eine Schnapsidee, denn die meisten sind nur in Jahren erreichbar und erfordern ein vergleichsweise hohes ΔV, damit aber auch die Fähigkeiten die man derzeit hat), dann wäre wegen der langen Missionsdauer eine Miniraumstation angekoppelt an die Orion sinnvoll. Aber bei einer Mondmission? Man ist in 3-4 Tagen beim Mond, die Landung geht entweder direkt oder aus einer Umlaufbahn aus in maximal einen Tag. Die Forschung aus der Umlaufbahn heraus ist aber dieselbe wie bei einem Satelliten. Da stören anwesende Personen nur, weil sie Störkräfte erzeugen. Bei der ISS entfällt ja der größte Teil der Forschung auch nicht auf die Erforschung der Erde und stattdessen auf Humanforschung und Materialforschung. Das kostet meiner Ansicht nach nur Geld. Der einzige Nutzen ist der das man vorweisen kann man wäre wieder beim Mond. Zwar nicht gelandet, aber doch in der Umlaufbahn. Dann kann man eben neue Rekorde für den Aufenthalt in der Mondumlaufbahn aufstellen. Tourismus halte ich für kaum möglich. Das hüpfende Komma: Um in einen Mondorbit zu kommen und wieder zurück braucht man in etwa ein ΔV von 1800 bis 2000 m/s. Das addiert dieselbe Masse zu Kapsel und Servicemodul als Treibstoff hinzu. Orion wiegt alleine um 10 t. Mit Servicemodul und Treibstoff 25 t. In ähnlichen Größenordnungen dürften auch Starliner und Crewed Dragon liegen. 25 t zum Mond schafft aber kein Falcon Heavy und keine New Glenn. Der einzige Nutzen der Station dürfte es sein, das man, wenn man zum Mars will, wegen der Reisezeiten so was braucht inklusive einer viel höheren Effizienz der Lebenserhaltungssysteme denn man kann zum Mars nicht so viele Gase und Wasser transportieren wie zur ISS. Doch das Testen eines solchen Moduls geht genauso im Erdorbit als ISS-Modul.

Der Zeitplan ist ein Witz. Apollo war „schedule-driven“, das heißt Kosten spielten, anders als heute eine untergeordnete Rolle, dafür das Einhalten des Zeitplans. Es wurde erreicht durch massiven Personaleinsatz. Zeitweise arbeiteten 400.000 Personen direkt und indirekt am Apolloprogramm, ein Vielfaches der 120.000 Personen, die in allen OECD Staaten zusammen heute in der Weltraumindustrie arbeiten. Nun will man etwas in einem ähnlichen Zeitplan erreichen, ohne eine Kostenabschätzung. Das Space Shuttle brauchte 9 Jahre von der Genehmigung bis zum Start. Die ISS 14 Jahre, wenn man alle Vorplanungen nimmt. Konstellation sollte auch 14 Jahre brauchen. Ich halte 2028 für eine Landung nicht für unmöglich. Die SLS ist weitestgehend entwickelt. Die Orion auch. Es fehlt eine Oberstufe für die SLS und der Mondlander. Das ist in acht Jahren machbar. Aber nicht mit der Kleckerles-Finanzierung wie bisher. Bushs und Obamas Programme hatten eine Gemeinsamkeit: es gab zu wenig Geld. Das dehnte die Zeitpläne aus, und das machte es auch leicht Constellation wieder einzustellen, weil man eigentlich nicht viel erreicht hatte. Angesichts seit Apollo laufend sinkendem NASA-Budget sehe ich aber da keine Trendwende. Vor allem hat Pence ja nicht angekündigt, dass die NASA Gelder bekommt. Wenn dann wäre das sowieso erst im nächsten Jahr. Doch im aktuellen Budgetplan der NASA sieht man auch davon nichts.

Ein Mondprogramm müsste nicht soviel wie Apollo Kosten, das inflationskorrigiert etwa bei 180 Milliarden Dollar liegen würde. Bei Apollo entfielen 40 % auf die Trägerrakete und 15 % auf das CSM. Beide Teile hat man schon weitestgehend fertig. Ebenso wurden Milliarden in Anlagen gesteckt, die man heute immer noch nutzt wie VAB, Teststände, Startanlagen. Auch das kann entfallen. Bei Apollo machten die Flüge nur einen kleinen Teil der Aufwendungen aus, etwa ein Viertel. Der Rest waren Entwicklungskosten. Das dürfte bei Artemis anders sein. Ich denke, wenn man noch eine weitere Oberstufe für die SLS braucht sowie einen Mondlander dann dürfte man noch etwa 40 Milliarden an Entwicklungskosten ansetzen. Jeden Flug setze ich auf 2 bis 3 Milliarden Dollar an. Da wäre man bei 14 Flügen wie bei Apollo bei rund 70 bis 80 Milliarden Dollar, wahrscheinlich wird es aber weniger werden, weil man heute nicht erst sieben Testflüge bis zur ersten bemannten Landung macht und es dann sicher nur eine Mission pro Jahr gibt. Mit 8 Milliarden mehr pro Jahr, etwa 40 % des aktuellen NASA-Budgets denke wird man bis zur Landung 2028 auskommen, dann absinkend auf den Betrag, den man pro Landung braucht.

Das wäre finanzierbar, wenn man es will. Doch den Willen sehe ich nicht. Kennedy hat ja nicht nur seine berühmte Mondrede gehalten. Er hat auch die NASA mehrfach besucht und vor allem er hat in derselben Rede auch neue Mittel für das Programm eingefordert, die auch bewilligt wurden. So gab es 1961 schon die ersten Aufträge. Das ist ein Riesenunterschied zu Bushs Konstellation oder Obamas Kurs. In keinem der Fälle gab es gleich eine Finanzierung, wenn dann einen langfristigen Plan, der vor allem auf Einsparungen an anderer Stelle beruhte.

Meine Meinung: das läuft aus wie bisher: es wird finanziert, aber so schwach das man kaum Fortschritte macht. Orion begann 2006, das ist jetzt 13 Jahre her. Einsatzbereit ist es immer noch nicht. Dafür hat man das Servicemodul komplett neu designt. Spätestens wenn der nächste Präsident (außer die Amis wählen Trump noch mal, im Land des unbegrenzten Wahnsinns ist das ja vorstellbar) ins Weiße Haus einzieht ist Artemis Geschichte.

Lediglich einen Profiteur wird es geben: das ist die Industrie. Denn Pence hat ja schon klar gemacht, dass er vor allem auf „kommerzielle“ Anbieter setzt. Die verdienen in jedem Fall, auch wenn man nach Milliardenausgaben alles wieder einstellt. Für sie ist die Jagd auf lukrative Aufträge nun eröffnet. Kommerziell soll nun ja auch die ISS werden, doch das ist ein anderes Thema.

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