Bernd Leitenbergers Blog

SpaceX – Nachlese vom Juni

Inzwischen gibt es wieder genug Neues von der Firma PlatzX (wir wollen ja korrekt übersetzen, nicht wie Eugen Reichl, der aus „commercial“ in Mike Pences Ankündigung des Artemisprogramms ein „privat“ in seinem Artikel in der SuW 7/2019 gemacht hat).

Fangen wir mit den positiven Nachrichten an: Die Falcon Heavy ist zweimal in einem Halbjahr geflogen und hat damit ein Drittel ihres Auftragsvolumens abgearbeitet! Das ist doch eine Leistung, Ein Drittel der Aufträge in nicht mal vier Monaten! Nun ja es sind eben nur sechs Aufträge und der nächste findet nun nicht vor Ende 2020 statt.Der Kunde, die Air Force musste auch nur vier Jahre auf den Start warten. Ja bei PlatzX muss man Geduld haben. Erinnert mich irgendwie an die Zeit als Computer angekündigt wurden die dann nie oder nur verspätet erschienen. Wobei vier Jahre ja sogar den Rekord von Windows 1.0 übertreffen, das nur zwei Jahre nach dem angekündigten Termin kam.

Aber danach braucht man die Falcon Heavy nicht mehr, denn schon 2021 wird Starship (so heißt nun die zweite Stufe der BFR) fliegen. Und dann gibt es die alten Raketen sowieso nur noch für Kunden die nichts anderes wollen. Da dies dann nach Musks Angaben zehnmal preiswerter als eine Falcon 9 sein wird, also bei 100 t LEO und 20 t GTO Nutzlast weniger als ein Falcon 9 Start kosten wird (die ja nur ein Fünftel der Nutzlast hat) wird eine so teure Rakete wie die Falcon Heavy der Vergangenheit angehören, denn die Air Force zahlte für einen Start 150 Millionen Dollar. Wenn die Prognose von Musk so umgesetzt wird, wird die BFR nur 30 Millionen kosten.

Schauen wir uns mal die Statistik an. Es gab im ersten Halbjahr acht Starts, davon nur zwei in den GTO, das waren bisher die meisten Einsätze. Im ersten Halbjahr 2018 waren es noch 12 Starts. Es geht, wie ich schon vor Monaten prognostiziert habe, bergab. Aber das wird sich nun ja ändern. Wenn PlatzX schon keine Aufträge mehr hat, dann startet man eben eigene Satelliten. Das muss man auch. Denn weniger als zwei Monate nach dem Start des ersten Batches von 60 Stück sind schon nach dem Start gleich drei ausgefallen und blieben in 440 km Höhe. Auch von den anderen 57 haben nur 45 die Nennorbithöhe erreicht, was meiner Ansicht nach auch für Probleme mit den anderen 12 Satelliten spricht. PlatzX bestätigte, dass fünf noch nicht die Zielhöhe erreicht haben und weitere fünf immer noch in 440 km Höhe „getestet“ werden. PlatzX ist zufrieden. 95 % wären gut genug, nun ja 75 % wenn man die mitzählt. die nun schon in dieser frühen Missionsphase Probleme haben. Die drei würden nun passiv verglühen (aktiv geht wegen des abgerissenen Kontakts ja nicht). Bei 440 km Höhe auch nicht tragisch, doch 5 % oder gar 25 % der 7518 geplanten Satelliten in 1000+ km Höhe deorbitieren nicht passiv und das sind dann 375 bis 1900 unkontrollierte Schrottobjekte. Juckt Musk nicht. Funktionierende Satelliten zu starten, ist so, wie funktionierende Raketen starten – PlatzX bessert inkrementell nach.

95 % ist eher schlecht. Trägerraketen haben schon lange eine Zielzuverlässigkeit von mehr als 95 % und sie gelten eigentlich als der riskanteste Teil einer solchen Unternehmung, nicht das Inbetriebnehmen im Orbit. Aber wie immer hat eben PlatzX eine andere Vorstellung als der Rest der Industrie. Die hat nun Sorgen über unzählige neue Weltraumschrottsatelliten. Musk: „“It’s possible that some of these satellites may not work, and in fact [there’s a] small possibility that all of the satellites will not work,”. Das soll sich mal irgend jemand anders leisten. Egal ob es im Space-Business ist oder woanders. Nehmen wir mal an VW würde sagen „Von unserem neuen Auto werden wohl einige Wagen nicht funktionieren, es gibt die kleine Chance das alle Wagen nicht funktionieren“. Die Firma könnte zumachen.

[Edit] Wenn der Anspruch von PlatzX bei den eigenen Satelliten auch für ihre Crew-Dragon gilt, dann hat die NASA ein Problem. Denn keine Reaktion im Orbit kann man ja mit völligem Versagen, bei der bemannten Raumfahrt Loss of Crew (LOC) gleichsetzen und die anderen Probleme mehr oder weniger mit Loss of Mission (LOM). Demnach haben die starlinks ein LOC von 1:20 und ein LOM von 1:5. Das ist ungefähr um den Faktor 10 schlechter als bei Apollo, das sich gerade zum 50-sten Jahr jährt und zeigt deutlich was rauskommt wenn Kommerz regiert.

Ganz besonders beliebt haben sie sich bei den Astronomen gemacht, denn die Satelliten sind leuchtend hell. Klar, es waren schon immer Satelliten sichtbar und es gab auch das Problem mit dem Iridium-Blitz, wenn die flachte Antenne eines Irdium-Satelliten von der Sonne beleuchtet wurde konnte das einen Blitz verursachen. Doch die Starlink Satelliten haben jetzt schon  ganze Aufnahmen ruiniert, die das linke Bild des Lowel-Observatoriums zeigt. Dabei sind nur 1/200 stel der Satelliten im Orbit. Reaktion von Musk: Die Zukunft gehört sowieso den Weltraumobservatorien. Super-Idee!! Nach dem Verursacherprinzip muss dann SpaceX für jedes beeinträchtigte Großteleskop auf der Erde (sagen wir mal ab 2 m Durchmesser) auf eigene kosten ein Weltraumteleskops ähnlicher Leistung bauen und starten. werden sie natürlich nicht. Es zeigt aber wie man dort denkt: nämlich gar nicht. Satelliten bauen die gleich nach dem Start ausfallen, nicht mal grundlegende Techniken zur Reduktion des Schadens der Allgemeinheit werden eingesetzt.

Immerhin müssen sie sich noch sputen. Wollen sie doch innerhalb eines Jahr 1.000 bis 2.000 Satelliten starten. Das sind 18 bis 36 Starts, also mindestens alle drei Wochen einer. Die letzten sieben Wochen gab es keinen Start, also beeilt euch mal. Sonst verliert ihr zum erneuten Male wieder eine Wette.

Netterweise helfen die Kunden PlatzX dabei´, indem sie keine Starts mehr buchen. Das Launch Manifest weist heute (1.7.) noch 36 zukünftige Missionen aus. Anfang des Jahres waren es noch 42, vor einem Monat (28.5) noch 39 – das heißt es müssen sogar Kunden abgesprungen sein, denn seitdem gab es nur zwei Starts. 21 der Starts sind Regierungsaufträge, betrachtet man das davon 15 Starts der Dragon sind, die mit 200 Millionen Dollar viermal teurer als ein Falcon 9 Start ist (dessen Preis bei Wiederverwendung nun bei 50 Millionen Dollar leiert) so liegt der Regierungsanteil nun bei einem Rekordhoch von 83 % (90 Millionen Dollar für die anderen sechs Starts für NRO/NASA und 50 Millionen für die 15 kommerziellen Starts angenommen). Den Trend seit Jahresanfang fortgeschrieben (acht Starts, nur zwei neue Aufträge) müsste das Launchmanifest in 3,5 Jahren bei Null angekommen sein. Gut, dann hat SpaceX ja auch ein neues Raumschiff am Start und beschäftigt sich nur noch mit sich selbst und Starlink. PlatzX die erste Raumfahrtfirma die keine Kunden mehr braucht und sich alleine unterhält!

Aber obwohl PlatzX am Regierungstropf hängt, verkündet man das Heil das nun mit dem Starship kommen soll. Woher allerdings das Geld (Musk schätzte die Entwicklungskosten auf > 5 Milliarden Dollar und die müsste man nun in zwei Jahren investieren) herkommen soll lies er offen.

Auch sonst glänzt PlatzX mehr durch Widersprüche, eigentlich nichts Neues, weshalb ich vorschlage Musk soll seine Firma in ParadoX umtaufen. Passt viel besser. Wie bekannt wurde, wollte PlatzX die Nutzlastverkleidung der Atlas von Ruag Space kaufen. Wer ein gutes Gedächtnis hat erinnert sich noch wie Shotwell sich mit dem Argument, die Falcon 9 wäre eine „All American“ Rakete anbiederte und gerade auf diese von der Schweiz produzierte Nutzlastverkleidung und das russische RD-180 verwies. Nun will man sie selbst nutzen?

Komisch, vor allem weil es ja Bergungsversuche der derzeitigen Verkleidung gibt. Was man weiß ist das sie im Verhältnis zur Rakete relativ teuer ist. ULA wehrte sich dagegen, weil sie die Verkleidung als intellectual Property ansehen. So ganz verständlich ist mir das nicht. Der Artikel erwähnt zwar das man diese Verkleidung für bestimmte Nutzlasten braucht. Aber innerhalb ULA gelten Delta und Atlas als austauschbar, mit Ausnahme der Delta Heavy. Die Delta hat eine Fairing von 5,13 m Durchmesser, also noch kleiner als die der Falcon von 5,20 m. Die 20 cm mehr der Atlas (5,4 m) machen nicht den großen Unterschied. Nur bei der größten Version der Verkleidung ist auch der Platz für die Nutzlast mit 16,48 m größer als bei SpaceX. Die Frage ist für mich nur, warum man dann nicht die eigene Verkleidung verlängert. Hat man bei anderen Raketen ja auch so gemacht. Ich sah immer die Begrenzung der Höhe als eine Folge der „Spargelrakete“ an. Zumindest war dies bei anderen Trägern so. Die Lasten durch Schwerkräfte sind um so größer, je länger ein Träger ist. Doch die Atlas Verkleidung, die ja auch die komplette Centaur umgibt, ist selbst in der kleinsten Version 20,7 m lang. Die kleine Verkleidung dürfte vor allem bei der Falcon Heavy ein Problem sein. Für große Satelliten ist sie zu klein und die von der Nutzlast her möglichen Doppelstarts gehen so auch nicht.

Also erneut ein Paradoxon: man ist angeblich billiger und besser als andere weil man alles wiederverwendet auch Verkleidung und will dann doch von der Konkurrenz die Verkleidung.

Immerhin haben sie durch Protest und Lobbyismus einen 500 Millionen Dollar Auftrag gewonnen nachdem die USAF Förderaufträge vergeben hatten und sie nicht dabei waren – offizielle Begründung – sie müssten ja nichts entwickeln sondern haben schon einsatzfähige Raketen. Ist nicht neu. Die meisten Aufträge seitens des DoD haben sie bisher vor Gericht erstritten. Das Dod weiß anscheinend ganz genau was PlatzX für eine Firma ist. Derzeit läuft auch noch ein anderer Prozess, denn sie vom GAO bewusst auf den Court of Federal Claims verschoben haben. Der Grund: Die GAO informiert deutlich mehr über die Klagen. Seit Jahren investiert daher SpaceX immer mehr in Geldzuwendungen fr den Kongress, der diese Entscheidungen dann wie diesen Monat wieder kippt. Dagegen sinken sie bei ULA seit Jahren. Wenn man schon auf legalem Wege keine Aufträge bekommt dann eben mit Bestechung und Prozessen.

Schlagzeilen anstatt Starts, Geheimniskrämerei, Widersprüche, Falschaussagen, Prozessieren gegen den Hauptkunden und vollmundige Versprechungen – ein PlatzX-Monat par exellance.

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