Nachdem es nun auch in Italien einige Todesfälle durch das COVID-19 Virus, das allerdings besser bekannt unter dem ersten Namen Corona Virus ist, gab, sucht man dort nun hektisch nach dem Patienten Nummer Null. Das ist der Infizierte, der die „Seuche“ nach Italien geschleppt hat. Mir kamen da unschöne Erinnerungen auf, an die Achtziger Jahre und die AIDS-Hysterie. Da gab es im Spiegel eine Serie über das Virus und die Geschichte bis dahin. Die mahlte ein Schreckenszenario aus, in dem man bei jedem Sex Angst vor Ansteckung haben müsste, einer Epidemie untermauert durch rapide ansteigende Infektionszahlen und auch immer mehr Tote. Eine Artikel widmete sich auch der Suche nach Patient Nummer Null. Man machte den Steward Gaetan Dugas als diesen Patienten Nummer Null aus und las man den Bericht, so hat dieser noch weiter ungeschützten Geschlechtsverkehr praktiziert, als er schon von der Erkrankung wusste und auch das sie tödlich war. Das war fast schon eine Hetze. Passte auch alles in Stereotyp-Bild. Ein schwuler Flugbegleiter, der so durch ganz Nordamerika kommt und in jedem Ort mit unzähligen Sexpartnern Verkehr hat und so das Virus verbreitet. Dugas starb 1984, erst 2016 konnte nachgewiesen werden, das es schon 1969 einen Todesfall durch AIDS gab und er nicht Patient Nummer Null war.
Etwas anderes erinnert mich an AIDS. Damals wollte der damalige bayrische Innenminister Peter Gauweiler Schwule, Fixer und Prostituierte Zwangstests unterziehen, das sogar auf angehende Beamte ausdehnen. Horst Seehofer wollte sogar Infizierte kasernieren, also in abgeschlossene Einrichtungen bringen, „konzentrieren“ wie er es ausdrückte – daran hat sich nichts geändert, nur sind es heute eben Flüchtlinge die man in „Ankerzentren“ unterbringt. Klingt als Abkürzung aber auch nicht viel anders als KZ. Hinzugelernt hat „Crazy Horst“ wie er selbst in der CSU genannt wird also in den letzten Jahrzehnten nichts. China riegelt eine ganze Region ab, Italien ganze Ortschaften. Was man damals nicht tat, obwohl in der allgemeinen Wahrnehmung damals AIDS noch als Schwulenkrankheit galt und die noch Jahrzehnte mit Vorurteilen kämpfen musste, scheint heute ganz schnell zu gehen und das bei der Allgemeinbevölkerung, also nicht nur Infizierten. Betroffen sind so viel mehr Menschen. In Italien Zehntausende, in China über 34 Millionen.
Es ist eine Hysterie. Klar, es sind inzwischen Zig-Tausende mit COVID 19 infiziert und über 1000 an dem Virus gestorben. Aber man sollte das mal bitte im Gesamtkontext sehen. Die ganz normale Grippe hat 2017/2018 alleine in Deutschland 25.100 Menschen das Leben gekostet. COVID-19 hat nach den bisherigen Erfahrungen eine Letalitätsquote von etwa 2 Prozent. Selbst, wenn die ganze Erdbevölkerung infiziert wäre, wären das nicht mehr Tote, als die Bevölkerung in einem Jahr wächst, von wirklichen Seuchen, wie die Pest, im Mittelalter, bei der bis zu einem Drittel der Bevölkerung starben, oder auch nur der spanischen Grippe, die von 1918 bis 1920 nach dem ersten Weltkrieg zwischen 25 und 50 Millionen Menschenleben kostete. Nur zum Vergleich: im Ersten Weltkrieg, der kurz zuvor endete, starben in vier Jahren nur 17 Millionen Menschen und dem wird dauernd gedenkt, in den letzten Jahren besonders oft, weil es 100 Jahre her ist. Die Grippe hat man dagegen eher vergessen. Ein UN-Mitarbeiter war auch überrascht von dem Medienecho, denn am selben Tag, als die erste Meldung über Corona veröffentlicht würde und gleich in die Schlagzeilen kam, obwohl es nur wenige Tote bis zu diesem Zeitpunkt gab, veröffentlichte die UN, das es alleine in Afrika 6.000 Tote durch Masern gab, um auf den Mangel an Impfstoffen gegen eine Erkrankung hinzuweisen, die man anders als Corona recht gut präventiv bekämpfen kann. Auch in Deutschland gab es von 2007 bis 2016 zusammen 280 Tote durch Masern, aber keinen einzigen durch Corona. Trotzdem scheiterte Spahn mit einem Gesetzentwurf, der eine Impfpflicht vorsieht. Dabei sind Masern ja eher ein kleines Problem, weil die nicht geimpften vom Impfschutz der Gesamtbevölkerung profitieren, durch die sich das Virus schwerer verbreiten kann. Aber in dem 10 Jahreszeitraum starben insgesamt 190.000 Menschen in Deutschland durch Krankheiten, gegen die man impfen kann, vor allem Grippe.
Trotzdem werden Impfgegner mit ihren Kindern nicht so isoliert wie China-Heimkehrer, geschweige denn, das man ganze Städte unter Quarantäne stellt. Aktionismus? Kann sein. Wenn man nichts tun kann, dann greift man zu Maßnahmen, deren Wirksamkeit eher umstritten ist. Schlussendlich müssen in die Regionen ja auch Lebensmittel kommen, so richtig isoliert sind sie nicht. Von den vielen Passagieren, die vor der Quarantäne aus dem Ausland kamen und infiziert sein könnten mal ganz zu schwiegen. Die globale Vernetzung führt ja auch dazu das bei uns Autohersteller und Apple ihre Produktion runterfahren müssen, weil eine kleine Region in China die vorher niemand kannte, nun unter Quarantäne steht.
Heute ist aber auch die Politik nicht mehr so selbstbewusst wie ind en Achtzigern. Obwohl man sicher damals viel mehr Verständnis für eine Kasernierung gefunden hätte, betroffen waren von AIDS schließlich vor allem Randgruppen wie Schwule, Fixer und Prostituierte, zudem war die Krankheit absolut und nicht nur zu 2 % tödlich, kam es damals nicht dazu. Damals konnte man auch noch Entscheidungen fällen, die höchst unpopulär waren wie den Nachrüstungsbeschluss. Trotzdem waren die Politiker wohl besonnener und verantwortungsvoller. Heute überbieten sich die Parteien im Populismus. Nur keinen verärgern. Klimakollaps verhindern, aber bitte ohne Kosten für die Leute, ohne Einschränkungen wie Fahrverbote oder Tempo 130. Wenn man aus der Kohle aussteigt, dann mit Milliardenregen. Der Umgang mit Corona sagt mehr über unsere Gesellschaft aus, als über die Gefährlichkeit des Viruses.