… fällt relativ kurz aus. Es gibt ja nichts neues. Coronabedingt bleiben bei allen Launch Serviceprovidern die Aufträge aus und die USA hat es ja besonders schwer erwischt. Arianespace wollte ja schon eine Vega starten, musste aber wegen unvorteilhafter Höhenwinde mehrmals verschieben und nun steht der erste Ariane 5 Start nach Monaten an. Bei SpaceX wo die kommerziellen Aufträge schon vorher abgenommen haben waren von den zehn Starts dieses Jahr denn auch drei für die Regierung und sieben für Starlink. Einer fand im Juli statt, ein weiterer sollte diese Tage folgen. Auch nichts Neues gab es vom geplanten Gefährt Supr Heavy / Starship – weder Positives noch negatives. Aber in zwei Monaten startet das ja zu seinem Orbitaleinsatz – hat Musk doch vor 10 Monaten gesagt …
Daher ist Starlink für mich das heutige Thema. Es geht um das Geschäftsmodell. OneWeb hat ja Glück gehabt. Die britische Regierung hat einen Teil der Firma für 500 Millionen Dollar gekauft und weitere 500 Millionen kamen von einem indischen Investor die nun beide jeweils 45 % an OneWeb halten. Damit glauben zumindest diese beiden an einen Erfolg.
Für Außenstehende, wie mich, ist das Konzept schwer einzuschätzen, aber auch für die Firmen selbst, wie Iridium zeigt, das ich mal, als Beispiel nenne. Denn beide Netze wenden sich an Endkunden. Das ist ein Unterschied zu anderen Projekten oder den Betreibern größerer Kommunikationssatelliten, die zwar auch Endkundenterminals bieten aber im Normalfall ganze Kanäle für einen Mietpreis im Bereich von 1 Million Dollar im Jahr an Kunden verkaufen. Entweder instittuelle Kunden wie Regierungsorganisationen oder kaufkräftige Firmen. Da kann man vor der Erweiterung des Netzes die Nachfrage klären.
Iridium (und Globalstar) waren um die Jahrtausendwende die Vorgänger für OneWeb und Starlink. Vieles teilen sie mit den beiden Nachfolgern. So waren die Satelliten durch Serienfertigung recht günstig. Es wurden immer mehrere gestartet und es war ein erdnahes Netz, bei dem man keine dauerhafte Verbindung zu einem Satelliten hat. Damit funktioniert das Netz nur wenn man eine Mindestzahl von Satelliten im Einsatz hat. Vor allem aber wanden sich beide Systeme an Endnutzer und das ist ein großes Risiko. Die springen erst auf, wenn das Netz steht, vorher ist der Nutzen kaum gegeben. Dann habe ich aber schon große Summen in das Netz investiert und erst dann sehe ich die Akzeptanz. Iridium war konzipiert als weltweites Mobilfunknetz. Es scheiterte an mehreren Punkten wie zu klobige Endgeräte, dem Preis pro Gesprächsminute, dem raschen Ausbau des Mobilfunks, sodass die Flecken auf der Erde, bei der man keine Verbindung zu einem Mobilfunkmast hatte, immer kleiner wurden. Doch Mobilfunk gab es schon vorher und das diese wächst war auch nicht neu. Ein Hauptgrund meiner Ansicht nach für das Scheitern von Iridium war, das man die Zahl der Kunden die überall erreichbar sein wollen, auch dort, wo es kein terrestrisches Netz gibt, zu hoch eingeschätzt hat. Es gibt sicherlich Millionen von Kunden, die viel unterwegs sind, aber nur ein kleiner Teil ist eben auch dort unterwegs, wo auch in Entwicklungsländern kein Netz gibt, jenseits der Ballungsgebiete und Touristikregionen und selbst wenn man die Dritte Welt reist, wird man in den größeren Städten eben ein Netz vorfinden.
Globalstar hatte diese Probleme nicht. Wahrscheinlich, weil die Satellitenzahl kleiner und Investitionskosten kleiner waren. Aber es gab auch einen Unterschied zu Iridium: Globalstar hatte Gateways in ihrem Konzept. 24 davon gibt es auf der Welt. Satelliten kommunizieren mit den Gateways (einer Bodenstation mit Anschluss an das irdische Netz) und diese leiten über diese Telefongespräche oder Internetdaten in das normale Netz weiter. So sind maximal zwei Satelliten für eine Verbindung aktiv, wenn sowohl Sender wie Empfänger in der Pampa sind. Allerdings funktionierte in einer Region ohne Gateway auch so das Netz nicht, erst 2009 kamen die letzten Gateways in Afrika ans Netz. Dieses Konzept vereinfachte vor allem den Datenverkehr und durch die hohe Umlaufbahn von Globalstar von über 1400 km Höhe gab es nur wenige Regionen, in denen es nicht irgendwo eine Insel gab, auf der ein Gateway eingerichtet werden konnte.
OneWeb und Starlink wollen nun Internet über Satelliten anbieten. Die Herausforderung: wir alle haben uns an immer höhere Datenraten gewöhnt, immer mehr Dienste und immer neue Netze. Als DSL im Jahr 2000 bei uns erstmals angeboten wurde, hatte es 768 kbit/s Datenrate. Heute sind mindestens 16 Mbit Standard, man kann aber auch bis zu 250 Mbit buchen. Im Mobilfunk folgten auf das C-Netz das D und E Netz, LTE und nun 5G (wenn es noch mehr Zwischenschritte gab, man möge es mir verzeihen, aber ich habe ein Handy nur um TANs abzusetzen).
Was sind die Herausforderungen? Nun potenzielle Kunden sind alle, die mit ihrer Internetverbindung unzufrieden sind und denen die höhere Datenrate von Starlink zu dem geforderten Preis ausreicht. Die Zahl dürfte aber mit einer immer weiter verbesserten Infrastruktur kleiner werden. Daneben steigt die Datenrate auf irdischen Netzen immer weiter an, im wesentlichen nicht durch neue Kabel, sondern Modernisierung der Übertragungstechnik. Heute bekomme ich z.B. bei meinem Anbieter 100 Mbit/s für den Preis, den ich vor 10 Jahren für 10 Mbit/s zahlte. Die Fähigkeiten der Starlinksatelliten sind dagegen konstant. Und Satelliten sind lange aktiv, ich rechne auch bei Starlink mit mindestens 10 Jahren. Größere Kommunikationssatelliten haben „garantierte“ Betriebszeiten von 12 bis 15 Jahren und arbeiten oft noch erheblich länger. Wahrscheinlich planen auch deswegen beide Firmen viel größere Konstellationen, weil sie das Netz und seine Kapazität so nur durch mehr Satelliten erweitern können, sprich es teilen sich weniger Nutzer eine konstante Bandbreite. Das kostet aber, und zwar immer mehr als der Ausbau des terrestrischen Netzes. Wir haben also einen kleiner werdenden potenziellen Kundenkreis und die Konkurrenz wird schlagkräftiger. Der Netzausbau ist für viele Länder ja inzwischen sogar zu einem wesentlichen Faktor der Infrastruktur und damit des wirtschaftlichen Erfolgs geworden. Er wird daher zumindest in den Industrienationen weiter voranschreiten.
In den Industrienationen sehe ich auch primär die Kunden. Dazu könnte die Luftfahrt und Schifffahrt kommen, die heute schon Satelliten einsetzen. O3B hat ja schon ein Netzwerk aus Satelliten in mittlerer Höhe [~ 8.000 km). Wie bei den Netzen im LEO gibt es nicht dauernden Kontakt, aber die Satelliten bewegen sich langsam über das Firmament. Das vereinfacht die Nachführung einer Antenne. O3B hat sich auf die äquatornahe Region bis etwa zum 40 Breitengrad spezialisiert und bietet zwar auch Terminals für einzelne Kunden in „strukturschwachen Gebieten“ an, hat sich aber vor allem auf die Schifffahrt und den Luftverkehr ausgerichtet. Die profitieren von einer auf ¼ (gegenüber GEO-Satelliten) reduzierter Latenz.
In den Entwicklungsländern, wo es sicher das schlechteste Netz gibt, dürfte die Zahl der zahlungskräftigen Kunden eher klein sein, und wenn es welche gibt, dann wohnen die auch nicht in der Pampa, sondern nahe Metropolen, wo auch das terrestrische Netz ausgebaut ist.
Es ist kein Zufall das Starlink derzeit nur die 53 Grad Satellitenebene bestückt (es gibt mehrere Ebenen in der Höhe und Bahnneigung). Mit 53 Grad verläuft die Bahn gerade an der Grenze der meisten US-Bundesstaaten nach Norden. Ich denke SpaceX wird zuerst nur die USA als potenziellen Kunden anvisieren. Die Satelliten, die sie starten würden aber trotzdem die ganze Erde zwischen -53 und +53 Grad versorgen können, also z. B. auch Deutschland. Das ist der Hauptnachteil dieser Netze: man braucht viele Satelliten, aktiv sind aber nur wenige. Die Expansion in andere Länder ist nicht einfach. Es gibt Regularien wie für die Funkfrequenzen aber auch die Elektronik wie EMV-Vorschriften oder elektrische Sicherheit (Betrift die Terminals für die Endkunden). Mit der EU und vielen anderen Ländern wird SpaceX also Verhandlungen führen müssen bzw. die Konformität ihrer Produkte (Terminal) nachweise müssen. Das dauert. Vor allem aber ist der Preis für Internetzugänge nicht überall gleich. Shotwell nannte zwar keinen Preis für Starlink, sagte aber das viele US-Bürger 80 Dollar für einen schlechten Service zahlen. Wenn 80 Dollar/Monat das Preisziel für Starlink ist, dann mag das Kunden in den USA anlocken. In Deutschland bekommt man für die umgerechnet etwa 70 Euro keinen schlechten Service. Ein 100 Mbit/s Anschluss kostet anbieterübergreifend etwa 50 Euro. Es gibt auch 250 Mbit Anschlüsse für diesen Preis. Dazu kommen die Kosten für den Zugang selbst. Denn das ist nicht einfach nur ein Kabelmodem. Man benötigt eine Satellitensende- und Empfangsanlage. Für das Terminal von Oneweb, das im Aufbau einfacher als die von Starlink ist, gibt es immerhin eine Preisvorstellung: 1.000 Dollar.
Ich wage zu behaupten, das die Zahl der Kunden, die 1.000 Dollar Anschlusskosten und 80 Dollar pro Monat (im Jahr also fast weitere 1.000 Dollar) überschaubar ist. Daneben gibt es schon die Konkurrenz durch geostationäre Satelliten. Für die braucht man zwar auch eine Anlage, aber dazu genügt da sich die Satelliten nicht bewegen eine einfache Schüssel mit LNB. Verbindungen über GEO-Satelliten gibt es ab 40 Euro/Monat. Das heißt selbst in der Pampa sind die Netze nicht konkurrenzlos (wobei sie sich ja auch noch Konkurrenz machen) außer bei sehr hohen geografischen Breiten. Natürlich haben GEO-Satelliten den Nachteil der hohen Latenz, aber für viele Dinge wie Surfen oder Streamen ist die nicht so wichtig. Sportübertragungen, Life-Schalten z.B. in den Nachrichten gehen ja heute auch schon über Satellit und da gibt es zwar eine Verzögerung, aber keine Bildstörung.
Als aktuelle Gefahr kommt noch der wirtschaftlicche Niedergang durch Corona, vor allem in den USA dazu. OneWeb hat er ja schon erwischt, offenbar waren die zugesagten Gelder eben doch nicht so richtig zugesagt, denn die Investoren stiegen wieder aus. Bei Starlink finanziert dies SpaceX selbst indem sie Firmenaktien verkaufen also Investoren ein immer größerer Anteil von SpaceX gehört. Nur auch die dürften kalte Füße bekommen, wenn die erhofften Gewinne nicht kommen. Bedrohlich dürfte aber für SpaceX der wirtschaftliche Niedergang, vor allem eben in den USA sein. Schnelles Internet zu hohen Kosten sehe ich als Luxusprodukt an, auf das man sicher verzichtet, wenn man langsames bezahlbares Internet hat, aber arbeitslos ist. Denselben Gedanken dürften auch die Investoren von OneWeb gehabt haben, denn warum sollten sie sonst den Stecker nach nur 74 gestarteten Satelliten ziehen?
Ich selbst hoffe, das beide Netze scheitern, bevor sie daran gehen die zweite Ausbaustufe anzugehen denn da reden wir von 32.000 und 48.000 Satelliten. Nicht weil ich was gegen SpaceX habe (es betrifft ja auch OneWeb), sondern weil ich die Risiken sowohl für die Weltraumfahrt (Stichwort: Kessler Effekt) wie auch die Astronomie sehe.
Starlink und OneWeb sind ja nicht die Einzigen die Konstellationen planen. Eine Reihe von Satellitenkonstellationen sind geplant. Auch deswegen hoffe ich auf ein Scheitern, denn die würden die obigen Probleme vergrößern. Auch das ist nicht neu. Auf Iridium und Globalstar sollten Netze von ICO und Microsoft folgen mit noch mehr Satelliten – die wurden beide eingestellt, bevor auch nur ein Satellit gestartet wurde als sich der Geschäftserfolg von Iridium nicht einstellte.