Bernd Leitenbergers Blog

Die SpaceX Aprilnachlese

Ja so viel gibt es nicht zu schreiben. Die Starts für Starlink nehmen an Fahrt auf, in einem Monat vier Stück am 4, 11, 21 und 24 März 2021, aber das verwundert ja nicht bei einer Firma die „den Wettbewerb dominiert“ – wenn der Wettbewerb nur aus ihr selbst besteht, braucht man natürlich auch keine Kunden und hat so genügend Ressourcen das eigene Netz schneller fertigzustellen. Bei der Einstufung des „Wertes“ von SpaceX hat das Netz den höchsten Anteil, das derzeitige und zukünftige Launchgeschäft (mit Starship/Superheavy) macht nur einen kleinen Bruchteil aus. Auch nach Musks eigenen Ankündigungen steckt darin das meiste Geld und sollte das ein Flop werden, dann war es das mit der Firma. Sie sind nun mit über 1.300 Satelliten nahe an der Grenze, wo das Netz in Betrieb gehen kann, das sollen 1.384 Satelliten sein. Schon seit Monaten können Betatester sich bewerben. Dann wird sich sehr bald zeigen, ob es genügend Kunden für den Service gibt. Inzwischen können US-Bürger sich schon mal für Starlink registrieren.

Dann haben sie wieder mal einen Prototypen hochgejagt, ich erspare mir weitere Kommentare, da bei SpaceX Fans es sowieso egal ist, wie viele Explosionen es sind. Die glauben tatsächlich, dass man heute, 80 Jahre nach dem ersten Start einer A-4, als man nichts über Raketen wusste und in Peenemünde fast alles erst mit viel Versuch und Irrtum entwickeln musste, was heute eingesetzt wird, man immer noch alles ausprobieren muss. Klar, in den USA kann man nicht Raumfahrttechnik oder „Rocket Science“ studieren. Es gibt auch keine Computer, in denen man alles simulieren könnte, oder für Tests Windkanäle und Prüfstände. Und natürlich findet man in den ganzen USA keinen, der jemals an einer Rakete gearbeitet hat. Da kommen solche Fehlschläge vor, anders als bei den Raketenbauern in Peenemünde bei der schon die dritte A-4 ein voller Erfolg war. Sarkasmus beiseite, warum SpaceX allerdings, nachdem man weniger Probleme bei der Falcon 9 Erprobung hatte (wir erinnern uns auch hier wurde die Landung mit der Grashopper erprobt) und die Landung der Falcon 9 meistens klappt (diesen Monat ging wieder eine Stufe durch Triebwerksausfall durch Materialermüdung bei der Landung verloren) nun so scheitert gibt mir ein Rätsel auf. Ich vermute, alle die qualifiziert sind und bei der Falcon 9 das Konzept erarbeitet haben, haben die Firma inzwischen wieder verlassen, dürfen sie bei Musk zwar viel arbeiten, werden aber soweit man weiß nicht besonders geschätzt und mit einer ominösen Vision von Marskolonisierung, für die die Firma bisher nichts unternommen hat, kann man die Leute auch nicht ewig bei der Stange halten.

Unbill droht inzwischen durch die Politik. Nachdem SpaceX beim ersten Test in gro0ßen Höhen nicht eine Freigabe der FAA (nötig wegen des Risikos für die Bevölkerung und Sperrung des Luftraums) gewartet hat, muss ein FASA Inspektor bei jedem Test vor Ort sein. Das verzögerte diesen schon um einen Tag. Inzwischen findet auch die Politik, das sich die FAA nicht von SpaceX auf der Nase herumtanzen lassen soll.

Was Musk beunruhigen wird, ist aber ein Bericht des Geheimdienstes. Demnach soll Starlink in das Visier von Nordkoreas Regime gerückt sein. Dort soll man an Plänen arbeiten, das Netz zu stören oder besser zu zerstören. Nordkorea ist in vielerlei Hinsicht einzigartig. Es begann mal als kommunistisches Land, ist jetzt aber eine Erbdiktatur, inzwischen ist der Enkel des ersten Führers Kim Il Sung am Ruder. Die Führung schottet ihr Volk von der Außenwelt ab und pflegt ein Bild, in dem die USA der Feind an sich sind. Das wird schon Kindern eingetrichtert und das erstreckt sich nicht nur auf die USA, sondern alle, die irgendwie mit den USA verbündet sind oder gute Beziehungen haben. Das Regime hält sich durch mehrere Maßnahmen an der Macht. Zum einen durch ein enorm großes Militär. Die nordkoreanische Volksarmee hat 1,3 Millionen aktive Soldaten und ist mit Reservisten 4,7 Millionen groß. Dabei hat Nordkorea nur 25 Millionen Einwohner. Übertragen auf die BRD entspräche das rund 4 Millionen aktiven Soldaten. Entsprechend gibt Nordkorea auch mehr als 25 Prozent seines Bruttosozialprodukts für das Militär aus. Bei uns hat die Politik das 2,0 % Ziel ausgegeben und davon sind wir noch weit entfernt. Dann gibt es das in Diktaturen probate Mittel des Konzentrationslagers, wobei man in Nordkorea eine neue Variante „erfunden“ hat: die Sippenhaft. Wenn jemand verdächtig ist, wird seine ganze Familie inhaftiert. Ein probates Mittel für die Kontrolle innerhalb der Familie, dorthin kommen Spione und Blockwarts ja selten.

Vor allem funktioniert das Regime wie jede Diktatur durch Propaganda oder besser Informationsverhinderung. In Nordkorea erfahren die Leute nur die offizielle Meinung der Partei oder Regierung. Früher konnten dort gebaute Fernseher nur die Frequenzen der Regierungssender empfangen. Seit die beiden Nachbarstaaten Südkorea und China aber ihr Fernsehen auf digitales Format umgestellt haben, ist das nicht mal mehr nötig, denn die analogen Röhrenfernseher können mit dem DVB-Signal nichts anfangen. Internet gibt es nur für wenige privilegierte auf Linie befindliche Parteigenossen. Reisen dürfen auch die wenigsten, auch wenn es an der Grenze zu China eine Wirtschaftszone gibt, bei der Nordkoreaner nach China als Fremdarbeiter tagsüber dürfen. Damit sie auch wiederkommen, erwartet ihre Familie beim Wegbleiben ein Aufenthalt im Lager.

Wir können uns nicht vorstellen, wie es ist, wenn man von der Geburt bis zum Tod – die meisten Nordkoreaner wurden ja geboren nach dem zweiten Weltkrieg, als Kim Il Sung sein Regime etablierte, nur eine, offizielle Meinung hört. Ein nicht ganz korrekter, aber in die Richtung gehender Vergleich sind die Blasen die Verschwörungstheoretiker um sich bauen. Nur ist diese Abschottung dort freiwillig. Man sucht also nur nach Nachrichten, die einem in den Kram passen und ignoriert andere. Genauso werden dort andere Meinungen als „feindlich“ oder Bestandteil der Verschwörung angesehen. Als im Web aktive Person habe ich da schon etliche Emails bekommen wo man sieht, dass es den Schreibern nicht um die Wahrheit geht. Um wie viel schlimmer muss der Einfluss sein, wenn man nicht mal die Möglichkeit hat, eine andere Meinung zu hören und alle von der Kindergärtnerin, über Lehrer, Vorgesetzte im Militär und Betrieb dieselbe Ansicht wiedergeben. Es gab ja nach Ende des Dritten Reiches und der DDR noch Leute die Jahrzehnte später meinten dort wäre es viel besser gewesen. Dabei gab es in beiden Systemen viel mehr Möglichkeiten auch an eine andere Meinung zu kommen.

Was hat das nun mit Starlink zu tun? Nun Internet und damit natürlich der freie Zugang zu Informationen, ist in Nordkorea reglementiert. Ausländische Besucher müssen ihre Emails sogar vor dem Verschicken „prüfen“ lassen. Wie bei China kann die Regierung den Zugang relativ einfach über die Knoten die ins Ausland führen kontrollieren und Server mit missliebigen Informationen einfach blockieren. Entsprechend hilflos versuchen südkoreanische Aktivisten auch Nordkorea zu infiltrieren, indem sie USB-Sticks ins Land schmuggeln oder an Ballonen Flugzettel über die Grenze treiben lassen.

Das Abschotten von der Außenwelt geht mit Starlink nicht. Zwar gibt es schon Internet per Satellit. Doch das sind geostationäre Satelliten. Damit diese Daten über die Entfernung von rund 40.000 km empfangen können und umgekehrt man auf auch Daten senden kann braucht man eine 60 bis 90 cm große Parabolrichtantenne, wie die meisten sie vom Satellitenfernsehen kennen. Sie muss genau auf den Satelliten ausgerichtet sein, sondern hat man keinen Empfang. Damit ist ein Internetempfang aber für jeden sichtbar. Die Antenne fällt auf, die benutzten Frequenzbänder können Mauern nicht passieren, die Antennen müssen also im Freien platziert werden – jeder kennt ja den Schüsselwald in unseren Wohngebieten. Kurz, die Technik hat verhindert, dass man so Internet in Nordkorea nutzen konnte, sofern man nicht sich mit seiner Familie in einem Lager wiederfinden wollte.

Bei Starlink ist das anders. Es kommt mit elektronisch geschwenkten Antennen aus, die nicht in einem Außenbereich sein müssen. Musk will Terminals auch an Flugzeuglinien verkaufen, wo sie natürlich in den Druckkabinen der Flugzeuge angebracht werden. Damit könnte man eine Antenne verstecken und da sie elektronisch geschwenkt wird benötigt sie auch keine feste Ausrichtung und einen festen Standort, sondern könnte „wenn die Luft rein ist“ einfach aufgebaut werden. Ansonsten kann man sie verstrecken und braucht nur noch ein Notebook, ja könnte damit sogar jenseits jeder Ortschaft und jeder Überwachung ins Internet – zumindest so lange wie der Akku hält. Dem Regime dürfte klar sein, welche Folgen das hat. Was Nordkorea in jedem Falle verhindern will, ist das es ihr so geht wie der DDR. Nach Ansicht der Kims hat den Niedergang der DDR mitverursacht, dass die meisten Einwohner Westfernsehen sehen konnten und damit mitbekamen, wie es woanders aussieht. Weniger die politischen Botschaften der BRD waren relevant, sondern einfach was man über den Alltag sah. Was dort normal war bei Einrichtung, Autos, Konsumelektronik und was es in der DDR eben nicht gab. Bei Nordkorea ist dies noch extremer. Das Land pflegt einen Lebensstandard der Jahrzehnte hinter dem Südkoreas liegt. Autos sind selten und „private“ PKW gibt es gar nicht. Die meisten Personen arbeiten in der Landwirtschaft und dort auch noch meist von Hand, ohne Traktoren und Maschinen. Das Niveau der Elektronik für die Bevölkerung liegt bei dem, was bei uns vor Einführung der ersten Computer normal war. Wie groß muss der Kulturschock sein, wenn Nordkoreaner dann sehen, was in Südkorea heute normal ist. Südkorea ist wegen der gleichen Sprache die größte Bedrohung und nicht etwa westliche Medien, schlussendlich können die meisten Nordkoreaner keine einzige Fremdsprache. Niemand weis dies besser als Kim Yong-Un selbst, denn er war mehrere Jahre auf einem Schweizer Internat und kennt so den „Westen“ aus eigener Erfahrung.

Gemäß den Geheimdienstinformationen betrachtet die Führung Starlink als einen Versuch der Trump-Regierung (ob sich mit Biden da was ändert, ist nicht bekannt), die Führung von innen heraus zu schwächen oder gar zu stürzen, so wie dies im arabischen Frühling passierte. Ein Szenario, von dem man verständlicherweise Angst hat. Trump wurde dies zugetraut nachdem die Abrüstungsgespräche vor einigen Jahren geplatzt waren. Nordkorea scheint die Trennung zwischen dem Staat und einem von einer Firma aufgebauten Netz nicht geläufig zu sein. Das merkte schon zu Schröders Zeiten die deutsche Regierung, als Nordkoreaner als „Zeichen der Freundschaft“ ein von Thyssen stillgelegtes Stahlwerk von der deutschen Regierung geschenkt haben wollten. Das allerdings die US-Regierung die beiden neuen Netze OneWeb und Starlink unterstützt, zuletzt durch eine Anfrage an die beiden Unternehmen mit der Absicht Datenvolumen zu erwerben, macht die Sache nicht besser.

Untersuchungen ergaben, das Nordkorea nicht viel braucht, um das gesamte Netz zu zerstören. Ein Starlinksatellit muss nicht durch ein Killervehikel wie eine Rakete, die vom Erdboden aus gestartet wird, getroffen werden. Es reicht aus einen Satelliten in eine ähnliche Bahn zu befördern und dort zu sprengen, eine Fähigkeit, die Nordkorea hat, sie haben schon Satelliten selbst gestartet. Schneller würde es gehen wenn sie den Satelliten vor der Sprengung nahe eines Starlinksatelliten manövrieren. Optimieren kann man dies durch Schrapnells oder eine Seite die verstärkt ist, sodass die Trümmer bevorzugt in eine Richtung fliegen. Doch auch ohne diese Maßnahmen ist der Erfolg sicher. Simulationen zeigen, was passiert, wenn ein Satellit in einem Orbit des Starlinknetzes explodiert, z.B. durch eine eingebaute und per Funk ausgelöste Sprengladung. Ein Teil der Trümmer wird abgebremst und verglüht bald, der Rest erreicht eine elliptische Bahn mit einem hohen Apogäum. Die meisten Trümmer verbleiben nahe der ursprünglichen Bahnneigung, bei Starlink 53 Grad. Die Trümmer auf der elliptischen Bahn haben eine längere Umlaufdauer asls die Satrlink-Satelliten, sie kreuzen so die Bahn anderer Starlinksatelliten nach einigen Stunden oder Tagen, führen dort zu weiteren zerstörten Satelliten, die dann einen Lawineneffekt auslösen, das berühmt-berüchtigte Kesslersyndrom.

Für jede Bahnhöhe gibt es eine Mindestzahl an Satelliten, ab der die Zerstörung exponentiell ansteigt und zur völligen Unnutzbarkeit erdnaher Orbits führt – nicht nur der Starlinksatelliten, sondern der Zerstörung aller erdnahen Satelliten. Das wäre das Ende der Raumfahrt für lange Zeit, doch da Nordkorea bisher nur drei Satelliten gestartet hat, dürfte dies für das Land kein Problem sein. Starlink hat schon lange die Mindestzahl an Satelliten für dieses Szenario überschritten. OneWeb wird die Zahl bei der ersten Ausbaustufe nicht erreichen – die Satelliten haben einen doppelt so hohen Orbit und es sind selbst im Endausbau nur die Hälfte der Satelliten, die Starlink schon jetzt im Orbit hat. Allerdings plant Oneweb eine zweite Ausbaustufe, mit der auch dieses Netz diese Anfälligkeit erreicht.

Wenns dazu kommt ist SpaceX als Firma Geschichte – die Raumfahrt, zumindest im erdnahen Raum aber dann auch.

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