Bernd Leitenbergers Blog

Spektakuläre Fehlschläge in der Raumfahrt – Teil 3

Heute folgt der dritte – und letzte Teil – meiner Miniserie über Fehlschläge in der Raumfahrt. Ich hätte noch einiges mehr zu schreiben, aber da die Resonanz bei den ersten beiden Teilen gleich Null war, denke ich interessiert dies außer mir selbst keinen. Dafür gibt es morgen mal wieder einen Beitrag über den ihr debattieren könnte. Nämlich den einzigen pazifistischen Staat auf der Welt.

Ranger: Fehler im System

Ranger war das erste Programm der NASA zur Erfoschung des Mondes. Gebaut wurden die Sonden vom JPL. Das Programm war ambitioniert. Daher ging man es in zwei Etappen an. Ranger Block I sollte das allgemeine Design der Raumsonde erproben, die dazu in einen langgestreckten Erdorbit gelangten. Es gab Experimente, die vor allem die Teilchen- und Feldumgebung der Erde bis in 820.000 km Distanz erforschen sollten. Block I umfasste zwei Sonden. In beiden Fällen zündete die Agena B Oberstufe aber nicht, oder nur kurz. Die Sonden strandeten in einem erdnahen Orbit, in dem sie nicht stabil betrieben werden konnten und nach wenigen Tagen wieder in die Atmosphäre eintraten.

Nun sollte der Block II übernehmen, die nächsten drei Ranger Sonden. Sie hatten eine zusätzliche kleine Kapsel mit einem Feststofftriebwerk an Bord. Das Triebwerk sollte in 21 km Höhe zünden und die Geschwindigkeit fast vollständig vernichten. Die restliche Strecke würde die Kapsel ungebremst fallen. Obwohl sie so mit rund 250 km/h auf dem Mond aufschlagen würde, nahm man an das sie es durch eine Stöße abfedernde Konstruktion aus Fieberglas und eine Flüssigkeitsfüllung die „Landung“ heil überstehen würde. Auf dem Mond wären nur ein Thermometer und Seismometer einige Zeit, solange die Batterie Strom liefert, aktiv. Die Hauptsonden dienten nur als Bus und würden ungebremst aufschlagen. Ein Kamerasystem würde in der letzten halben Stunde grob aufgelöste Bilder aufnehmen, bis die Sonde aufschlug.

Doch auch alle drei Ranger Block II Sonden scheiterten. Ranger 3 wurde von der Agena B Oberstufe auf eine zu hohe Geschwindigkeit gebracht und verfehlte so den Mond. Ein Mittkursmanöver reduzierte die Distanz nicht, sondern vergrößerte sie durch eine Fehlausrichtung noch. Bilder des Mondes konnte es so nicht geben, weil bei dieser Ausrichtung die Sendeantenne nicht mehr zur Erde gezeigt hätte. Ranger 4 wurde auf einen korrekten Kurs gebracht, reagierte aber nicht auf Kommandos, fuhr auch die Solarpaneele nicht aus und begann langsam zu taumeln. Der Zeitgeber der die Abläufe an Bord vorgibt, war ausgefallen. Bei Ranger 5 gab es einen Kurzschluss, sodass sie Solarzellen keinen Strom lieferten. Die Batterie reichte aber nicht zu einem Betrieb bis zum Mond.

Nun gab es wie immer, wenn jemand Scheiße gemacht hat, einen Untersuchungsausschuss. Fünf Ranger Geräte hatte die NASA verloren, ohne auch nur einen Teilerfolg verbuchen zu können. Das war selbst bei den viel höheren Ausfallraten zu Beginn der Raumfahrt einmalig. Der Ausschuss sparte denn nicht auch mit Kritik. Es gab zahlreiche Probleme, beim DSN, bei der Trägerrakete, vor allem aber beim JPL. Das Resümee war, das Ranger Block II unnötig kompliziert waren und gleichzeitig zu wenig Redundanzen hatten. Die Komplexität kam dadurch zustande das das JPL dachte, man könnte für Ranger und Mariner 1+2 eine gemeinsame Konstruktion verwenden. Ranger würde dann um die Kapsel ergänzt werden. Mariner um Experimente. Für die Mondmission war die Sonde aber unnötig kompliziert, so hatte sie Solarzellen, obwohl für die maximal drei Tage Betrieb auch eine Batterie ausgereicht hätte. Daneben stand im Raum, das die Sterilisierung, die Experten forderten und durchsetzten, die Sonde geschädigt haben konnten. Denn dazu wurde sie in einer Kammer gefüllt mit Ethylenoxid auf 125 Grad Celsius erhitzt – ob sie dies überlebt, hatte niemand getestet.

Es gab eine neue Serie – Block III – in der die Kapsel wegfiel. Ihre Überlebenschance wurde sowieso als gering angesehen. Stattdessen gab es nun sechs Kameras, aber mit viel höheren Datenraten und Sendestärken. Sie sollten die Oberfläche bis zum Aufschlag beobachten und feststellen, ob diese auch in einem Bereich verkratert ist, der für bemannte Landungen relevant ist, denn inzwischen war das Apolloprogramm angelaufen. Ansonsten wurde Ranger Block III drastisch vereinfacht.

Trotzdem fielen die Bilder der ersten Sonde Ranger 6 aus, als beim Start es eine kurzzeitige Überspannung gab, die zu einem Kurzschluss im Kamerasystem führte. Immerhin, die Raumsonde selbst hatte voll funktioniert. Die drei letzten Ranger – 7 bis 9 lieferten dagegen Tausende von Aufnahmen bis zum Aufschlag, die NASA war bei der letzten Sonde so zuversichtlich, dass es klappen würde, dass die Aufnahmen live ins US-Fernsehen eingespeist wurden.

Zeitgleich machte auch die zusammen mit Ranger konstruierte Mariner 2 Sonde Probleme (Mariner 1 war durch einen Fehlstart verlorengegangen). Sie fiel immer wieder aus, verlor die Orientierung und hatte schließlich sogar nur noch die Hälfte der Stromversorgung, was da sie sich der Sonne näherte, ohne Folgen blieb. Wie durch ein Wunder absolvierte sie ihr Messprogramm bei der Venus ohne Probleme, um dann einige Tage später komplett und endgültig auszufallen. Entsprechend wurde gewitzelt, JPL stände für „Just Plenty Luck“. Für das JPL waren Ranger und Mariner 1+2 tatsächlich Lehrstücke, die Fehler wurde später nie mehr wiederholt.

Apollo 1: Mangelnde Sorgfalt und Hetze

Bei einem Probecountdown für die bevorstehende Apollo 1 Mission am 27.1.1967 brach ein Feuer aus und bevor Hilfe an der Kapsel war, war die Besatzung an Rauchgasen erstickt. Dies war die erste Katastrophe in der bemannten Raumfahrt, später dieses Jahr sollte noch Komarow bei Sojus 1 sterben. So war die Bestürzung groß, auch wenn die Astronauten damit rechneten bei einer Mission zu sterben. Keiner rechnete aber damit beim Training ums Leben zu kommen.

Schon vorher war einiges beim Countdown nicht nach Plan gekommen, es gab Verbindungsprobleme, Grissom bemerkte einen „Geruch nach saurer Milch“. Die genaue Ursache des Unglücks konnte nie aufgeklärt werden, aber vermutet wurde, dass es einen Kurzschluss in der Kapsel gegeben hatte, der Funken hatte dann brennbares Material in Brand gesetzt, das in einer reinen Sauerstoffatmosphäre wie Zunder brannte. Fatal war das die Tür so konstruiert war, das sie zwar von außen, nicht aber von innen geöffnet werden konnte, solange die Kapsel unter Druck war. Ein Öffnen war bei einer Mission nur vorgesehen, wenn ein Astronaut aussteigen musste, das war z. B. Nötig, wenn er Filmkassetten vom Servicemodul bergen musste. Dann mussten alle Astronauten Raumanzüge anziehen, diese mit dem Lebenserhaltungssystem verbinden und die Atmosphäre aus der Kapsel entlassen wurde.

Erst nach dem Unglück machte man Brennversuche mit Materialien unter Realbedingungen. Bisher ging man bei der Materialauswahl von der Brennbarkeit bei Umgebungsbedingungen auf der Erde aus, nicht jedoch bei einer reinen Sauerstoffatmosphäre unter reduziertem Druck. Es zeigte sich, dass Materialien die unter „normalen“ Bedingungen nicht brannten sich bei reinem Sauerstoff schnell entzündeten.

Ebenso wurde im Untersuchungsbericht kritisiert, dass man zwei Tests parallel durchführte – den Probecountdown und einen Dichtigkeitstest, bei dem in der Kapsel sogar einen Überdruck ausgesetzt wurde, es also noch mehr Sauerstoff gab. Dieser Test hatte gar nichts mit dem Countdown zu tun und hätte auch ohne Besatzung erfolgen können.

Ins Fadenkreuz geriet der Hersteller der Kommandokapsel North American. Der Flugzeughersteller war neu im Raumfahrtprogramm, hatte bisher weder an einem größeren Satellitenprojekt teilgenommen, noch fertigte er eine Trägerrakete oder Stufe. Die beiden Raumschiffe vorher, für Mercury und Gemini hatte McDonnell entwickelt. Es gab schon daher bei der Auftragsvergabe Kritik, die auch nicht besser wurde, weil immer mehr Mängel – über 20.000 – auftauchten. Es war aber NASA Politik, die Aufträge zu streuen und so nach Ende des Apolloprogramms möglichst viele Firmen zu haben, die für zukünftige Projekte qualifiziert waren. Schlussendlich dürften die Astronauten dafür verantwortlich gewesen sein, dass das Programm weiterging, denn sie sagten in Senatsanhörungen unisono aus, sie würden fliegen, auch mit dem Raumschiff von North-American.

Es wurden im Untersuchungsbericht 1.697 Änderungen vorgeschlagen von denen auch 1.341 umgesetzt wurde. Die Tür wurde komplett neu konstruiert. Die Kapsel entpuppte sich nach einem Neudesign als sehr zuverlässig, rettete bei Apollo 13 den Astronauten das Leben.

Der Brand bei Apollo 1 ist aber auch ein Symptom für eine Hetze, denn es gab ja die Frist von „vor Ende der Decade“ für eine Mondlandung. Allerdings hätte man sich mehr Zeit bei North American lassen können, denn das zweite Element, der Mondlander von Grumman, hinkte enorm hinterher und war erst zwei Jahre später einsatzbereit. Solange hätte man bei Apollo nur Erdorbitmissionen durchführen können.

Hubble: Kurzsichtigkeit und Reparatur

Das Hubble Weltraumteleskop war eines der vier großen Observatorien der NASA in den Neunziger Jahren und es war das Prestigeprojekt, der damaligen Zeit vergleichbar heute mit dem JWST. Es war das mit Abstand größte Weltraumobservatorium und es wurde sehr teuer. Nach mehreren Jahren Verzögerung wurde es schließlich am 25.4.1990 gestartet.

Am 20.5.1990 gab es die ersten Testaufnahmen. Doch sie zeigten nicht das anvisierte hohe Auflösungsvermögen von 0,04 Bogensekunden (das ist 10 bis 20-mal besser als die besten möglichen Aufnahmen irdischer Teleskope zu diesem Zeitpunkt), sondern waren unscharf. Zwar waren sie noch besser als die Aufnahmen auf der Erde, doch im Brennpunkt wurden nur 10 bis 15 Prozent des Lichts gesammelt anstatt geplanter 80 Prozent, der Rest wurde auf eine Fläche von 0,6 mm² verschmiert und führte zu den unscharfen Bildern. Auch Verschiebungen des Fokus brachten keine Besserung,

Es zeigte sich bei Nachforschungen, dass man bei der Begutachtung des Spiegels eine Linse für einen Laserstrahl um 1,3 mm falsch positioniert hatte. Der Laser tastet den Spiegel ab, und das Muster des reflektierten Lichtes lässt Rückschlüsse auf die Formgenauigkeit zu. Diese Tests erfolgen beim Schleifen des Rohlings in die genaue Form. Durch die falsche Position wurde am Rande des Spiegels 2 µm zu viel Material abgetragen, der Spiegel zu flach und die Strahlen vom Außenbereich trafen sich nicht mehr im Brennpunkt. 2 Mikrometer klingen zuerst nach nicht viel, doch selbst bei einem billigen Kaufhaus-Teleskop ist der Spiegel normalerweise auf 0.06 µm genau geschliffen. (Geplant war für den Primärspiegel des Hubble Weltraumteleskops eine Genauigkeit von 0,03 µm). Der Spiegel darf nur Unebenheiten haben, die kleiner sind, als die Wellenlänge bei der beobachtet wird (0,12 bis 1 µm). Da man beim Hersteller Perkin-Elmer nach dem Korrigieren des vermeintlichen Fehlers nicht mehr den Spiegel vermaß und keine Prüfung des gesamten Teleskops vor dem Start machte, (obgleich man es für vier Jahre einlagern musste) fiel der Fehler nie auf. Damit lag der Fokus von Hubble nicht auf der Spiegeloberfläche, sondern 38 mm dahinter: Hubble war kurzsichtig.

Allerdings war das Weltraumteleskop eine der wenigen Missionen, die für eine Wartung im Weltraum vorgesehen waren. Das galt als das Space Shuttle entwickelt wurde als einer seiner Vorzüge, später befand man das der Aufwand für Servicemissionen viel höher ist als der Nutzen. So blieb das Weltraumteleskop eine der wenigen Missionen, die wartbar waren. Vorgesehen war allerdings nur der Tausch von Instrumenten. Nachdem der Fehler bekannt war, war es möglich Korrekturlinsen zu machen, die den Fehler wieder ausglichen, ähnlich wie man durch eine Brille wieder normalsichtig werden kann. Diese musste man nun allerdings in den Strahlengang einbauen was nicht vorgesehen war. Die Arbeit wurde daher intensiv trainiert, da die Astronauten nun auch viele Teile lösen mussten die nie für einen Austausch, noch dazu mit klobigen Handschuhen ausgelegt wurden.

Die Reparatur gelang, dabei wurde auch ein Instrument ausgetauscht, das die Korrekturlinsen schon eingebaut hatte. Es folgten weitere Servicemissionen, bei denen man weitere Instrumente austauschte und so das HST immer wieder an den aktuellen Stand der Technik anpasste. Es hat schon erheblich länger gearbeitet als angenommen, 2015 ging man noch von einem Betrieb bis 2024/2025 aus. Der limitierende Faktor ist die Erdatmosphäre, die das Teleskop laufend abbremst. Dies ist aber von der Sonnenaktivität abhängig und nicht vorhersagbar, sodass derzeit nur ein Zeitfenster von 2028 bis 2040 angegeben werden kann. Ob man es allerdings nachdem nun JWST gestartet ist noch solange finanziert ist nicht gesichert.

 

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