Spektakuläre Fehlschläge der Raumfahrt

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Da mir irgendwie kein Thema für einen Blog fehlt, arbeite ich mal etwas auf. Es gab unzählige Fehlschläge, in der Raumfahrt. Nicht alles kann man voraussehen, manches wurde auch nie geklärt. Aber einige Ereignisse sind dann doch peinlich, weil vermeidbar und sie vor allem für Schlamperei oder mangelnde Planung stehen. Ich will hier keine abschließende Übersicht geben, ihr könnt gerne in den Kommentaren noch Dinge erwähnen, die ich dann in Folgeblogs aufgreifen werde.

Fehlschlag vorprogrammiert: Mars 4 bis 7

Mein erster Fall ist für mich ein Paradebeispiel. Er war nämlich vorhersehbar. 1973 war für Russland die letzte Gelegenheit die USA beim Mars „zu schlagen“. Alle bisherigen Sonden zum Mars scheiterten oder waren in den Ergebnissen den US-Sonden unterlegen. Für 1975 war die Viking Mission mit Landern geplant. So war 1973 die letzte Gelegenheit eine Marslandung vor den Amerikanern durchzuführen. Damit diese gelingt entsandte man nicht weniger als vier Sonden – zwei Lander und zwei Orbiter, welche die Daten übertragen sollten, aber auch den Mars erforschen. Bei dem Endzusammenbau stellte man aber fest, das der Hersteller eines Transistors „2T312“ der als Verstärker und Schaltelement diente, die Anschlüsse, um Material zu sparen, nicht mehr aus Gold, sondern Aluminium fertigte. Das führte aber zu einem erhöhten Ausfall durch Korrosion. Da es in der Elektronik Tausende dieser Transistoren gab, vor allem in dem Element, das den Strom für die Bordsysteme aus dem Strom der Solarzellen generiert, war ein Ausfall schon weniger Transistoren katastrophal. Das führte dann zum Ausfall der Stromversorgung für ganze Subsysteme. Bei einem System auf der Erde hätte man diese defekten Transistoren ersetzen können, nicht aber bei einer Raumsonde. Die bei dem Projekt beteiligten Wissenschaftler plädierten für eine Verschiebung um ein Startfenster, bis man die Transistoren durch neue ersetzt hatte. Doch die politische Führung war dagegen. Man hätte zwar noch vor den USA landen können, da diese erst nach der Erkundung des Landeplatzes aus dem Orbit eine Landung einleiten wollten, während dies bei Mars vor Erreichen des Mars erfolgen würde. Aber das wäre dann nur kurz vor den Amerikanern, der öffentlich-wirksame Effekt wäre Angesichts der technischen Leistungsfähigkeit der Viking Landern also gleich null. So wurden die Raumsonden auf den Weg gebracht. Entsprechend war aber auch das Ergebnis: Zwei der Sonden fielen aus, bevor sie den Mars erreichten. Der Lander vom Mars 7 absolvierte sein Abstiegsprogramm. Verstummte aber vor der Landung. Lediglich Mars 4, ein Orbiter, schwenkte erfolgreich in einen Orbit ein, arbeitete aber nur über 22 Umläufe.

Damit lies man ein Programm, dessen Kosten westliche Experten auf etwa 1 Milliarde Dollar schätzen, mutwillig scheitern lies, nur weil man Erster bei einer Marslandung werden wollte, ist sicher einzigartig in der Geschichte der Raumfahrt. Die Transistoren 2T312 werden übrigens in Russland immer noch gefertigt.

Einheitenwirrwar: Mars Climate Orbiter

Der nächste Fehlschlag ist dahingehend einzigartig, weil er sich nur in den USA ereignen könnte. Der Französischen Revolution verdanken wir vieles, auch den ersten ernsthaften Versuch ein Einheitssystem basierend auf naturwissenschaftlichen Grundlagen zu schaffen und damit viele regionale Einheitssysteme abzulösen. Der Nutzen war offensichtlich. Denn vorher definierte jeder Herrscher in seinem Machtbereich andere Einheiten. Das Vereinheitlichen machte es für den Warenaustausch und Handel erheblich einfacher. Als dann die Industrialisierung kam und Maschinen und Teile auch über weiter Strecken geliefert wurden, übernahmen mehr und mehr Nationen dieses System um Hemmnisse für die eigene Industrie abzubauen. Breit durchgesetzt hat sich das inzwischen SI-System getaufte Einheitensystem in der Wissenschaft und Technik, denn im Laufe der Zeit, konnte man immer mehr Einheiten durch Ableitungen von physikalischen Konstanten neu definieren (übrig als einzige Einheit blieb bisher die Masse die nach wie vor auf dem „Urkilogramm“) basiert. Es ist also ein auf Naturwissenschaft basierendes System, und passt daher zu den Wissenschaften die noch mehr international vernetzt sind als die Industrie. Es ist jedoch nicht verpflichtend. Auch bei uns haben sich einige Nicht-SI Einheiten gehalten, zwei der bekanntesten sind die Celsiusskala und die Kalorie.

Die USA haben schon lange das SI-System übernommen (seit 1875), aber nur in der Wissenschaft. Im täglichen Leben arbeiten sie nach wie vor mit Einheiten, die von England übernommen wurden und auf Edikten eines englischen Königs basieren – an sich schon eine Paradoxie, für ein Land das sich als Mutterland der Demokratie sieht. Vor allem in der US-Industrie – auch Luft und Raumfahrt – wird noch das imperiale System eingesetzt. Man sieht dies auch bei den komischen Durchmessern von Raketen in geraden Vielfachen von „Füßen“, wie bei Delta, Atlas, Titan und selbst Saturn. Die NASA setzt intern das Si-System ein und alle Dokumente an die Industrie gehen auch in diesem System heraus. Für die Öffentlichkeit wird oft das imperiale System verwendet inzwischen auch kombiniert mit Si-Einheiten in Klammern.

Der Mars Climate Orbiter (MCO) wurde von Lockheed-Martin gebaut, die NASA lieferte lediglich die Instrumente. Aufgrund eines einzigen Solarpanels musste regelmäßig eine kleine Kursabweichung durch den Strahlendruck der Sonne, der so einseitig wirkte, kompensiert werden. Dafür gab es vom Hersteller Excel Tabellen, in denen man die beobachtete Abweichung eintragen konnte und welche die Korrektur berechneten und einen Wert dafür ausgaben.

Das Problem: Lockheeed rechnete im imperialen System, die NASA im SI-System. In diesem Falle differierten die Systeme um dem Faktor 4,48. Es wurde über korrigiert und so nicht nur die Kursabweichung kompensiert, sondern eine neue größere Abweichung induziert. Als Folge kam der Mars Orbiter Mars Climate Orbiter dem Mars zu nahe und verglühte in der oberen Atmosphäre.

Das war 1998, geändert hat sich seitdem wenig. Schaut man sich US-Nachrichtenportale aber auch US-Firmenwebseiten an, so findet man immer noch die imperialen Einheiten, bei der NASA ist es uneinheitlich. Dabei sind die USA eines der letzten Länder die dieses System noch einsetzen und die einzige Industrienation.

Mars Polar Lander: Sparen auf Teufel komm raus!

Der Verlust der zeitgleich mit dem Mars Climate Orbiters auf den Weg gebrachten Mars Polar Landers (MPL) beleuchtet einen zweiten Aspekt des Discovery Programms, der auch für den Verlust des MCO wichtig ist, denn ich hier aber deutlicher ausführe. Unter NASA Administrator Goldin wurde als neues Programm das Discovery Programm aus der Taufe gehoben. Raumsonden sollten schneller auf den Weg gebracht werden. Sie sollten gleichzeitig billiger sein und das wäre nicht zuletzt eine bessere Lösung, weil man so mehr Missionen möglich macht. An und für sich eine gute Idee, nur klappte sie nicht. Es gab einige spektakuläre Verluste. Der Mars Polar Lander zeigt eine der Ursachen. Er meldete sich nach der Abtrennung vom Bus nicht mehr. So konnte man lange Zeit nur spekulieren was passiert war, denn er hatte keinen Sender an Bord, der während des Abstiegs Daten funkte. Erst als man die baugleiche Nachfolgesonde zusammenbaute, stellte man bei Tests fest, das die Landebeine, wenn sie nach der Abtrennung der Backshell ausgefahren werden kurzzeitig das Sensorsignal für Bodentontakt abgeben. Das Signal wurde gespeichert und erst ausgelesen als der Lander in 40 m Höhe angekommen war. Da er sich nun auf dem Boden wähnte, schaltete er sein Triebwerk ab und zerschellte. Wie sich zeigte, war dieser Vorfall auch bei den Testes des MPL vorgekommen, doch da man damals Verkabelungsfehler feststellte korrigierte man diese und wiederholte den Test nie.

Beide Projekte, das ist das Tragische, wären zu retten gewesen, wären sie besser finanziert gewesen. Beim MCO gab es ein zu kleines und zu unerfahrenes Flugkontrollteam, das auch auf die Warnung von Bahnüberwachungskontrolleuren nicht reagierte und auch nicht den Fehler in den Tabellen von Lockheed bemerkte. Beim MPL fielen Tests dem Sparzwang zum Opfer und man sparte sich den Sender für den Lander, der eine Fehlersuche erst möglich machte. Beide Missionen wären durch Softwareupdates bis wenige Stunden vor dem Verlust rettbar gewesen.

Das Discoveryprogramm gibt es heute noch, aber man hat daraus gelernt und die Raumsonden haben einen viel größeren Finanzrahmen. MPL und MCO kosteten beide um die 160 bis 170 Millionen Dollar (mit Start), heute hat eine neue Discovery Mission ein Budget von 550 Millionen Dollar (ohne Start).

Europa Rakete: Fehlende Zusammenarbeit

Raketen kann man wie nach einem Baukastensystem zusammenbauen. Die Agena Oberstufe von Lockheed wurde auf der Thor von Douglas, der Atlas von General Dynamics und der Titan von Martin Marietta eingesetzt. Steuerung und Inertialplattform stammten von anderen Herstellern auch Triebwerke wechseln ab und zu mal die Rakete wie der Wechsel in der Delta-Oberstufe von Aerojet zu TRW und zurück zeigt. So dachte sich auch Europa, wir können doch eine Rakete bauen, indem jeder einen Teil produziert – zusammen können wir es finanzieren. Die Idee klang so toll, dass man schnell England für die erste Stufe, Frankreich für die zweite und Deutschland für die dritte Stufe fand. Für Inertialplattform,. Bordcomputer, Bodennetzwerk und Nutzlastverkleidung / Testnutzlasten holte man dann noch Belgien, die Niederlande und Italien ins Boot. Der Zusammenbau in mehreren Ländern ist auch möglich, wie die Ariane seitdem beweist. Aber damit die einzelnen Bestandteile zusammenarbeiten sollte eine übergeordnete Organisation darüber wachen und die beteiligten Firmen sich verstehen. Das war bei der Europarakete unter Leitung der ESRO nicht so. De Fakto fehlte es der ESRO an Kontrolle über dem Projekt. Für den Zusammenbau der Rakete reisten auch Ingenieurteams der beteiligten Firmen nach Woomera. Es gab nicht mal eine gemeinsame Arbeitssprache. Technische Dokumente waren in den Nationalsprachen gehalten. So verwundert es nicht, das die Europa Rakete bei allen Tests aller Stufen alleine wunderbar funktionierte, nicht aber bei allen Tests zusammen. Das galt für die beiden Tests der ersten beiden Stufen zusammen wie auch für insgesamt vier Tests mit allen drei Stufen. Beim letzten Teststart der Europa 1 funktionierten sogar alle Stufen, nur löste sich die Nutzlastverkleidung nicht ab und damit war diese zu schwer für einen Orbit. Bei der Europa 2 (mit einer zusätzlichen Stufe) modernisierte man auch einiges, auch weil nun Nationen aus dem Programm ausgestiegen waren und so scheiterte wieder eine neue Komponente und die Rakete ging verloren. Immerhin hat man daraus gelernt und die Ariane entstand unter Federführung der CNES, mit einem Hauptkontoaktor der seine Subkontraktoren überwacht.

Ich denke es wird bald eine Fortsetzung zu diesem Thema geben, mir fallen auch schon einige Fälle über Fehlschläge ein, über die man schreiben kann, würde mich aber auch über Vorschläge in den Kommentaren freuen.

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