Bernd Leitenbergers Blog

Nachlese zum Artemis 1 Start

Nun ist sie also nach einigen Verspätungen gestartet, die Artemis 1 Mission, die erste Mission der NASA zum Mond seit 50 Jahren. Ich will gar nicht viel drüber schreiben, nur ein paar Anmerkungen.

Zum einen war ich ein bisschen enttäuscht weil der Start nachts stattfand. Tagsüber sieht man einfach mehr. Ich hoffe, es gibt auch noch in den nächsten Tagen einige weitere Kameraperspektiven und Zeitlupeaufnahmen von Onboard-Kameras. Die fand ich bei Apollo immer besonders faszinierend.

Der Start war erfolgreich. Das klingt nun banal, sind die meisten Starts doch heute erfolgreich. Letztes Jahr waren von 102 Starts 97 erfolgreich, was eine Quote von 95 % entspricht. Ganz anders sieht es aber den Jungfernflügen aus. Da scheiterten die meisten von neuen Trägern in den letzten Jahren, egal ob es die von China entwickelten neuen Träger sind, oder von US-Firmen wie LauncherOne, Astra Rocket, Firefly Alpha. Aber der erfolgreiche Start von Artemis 1 knüpft an die Reihe der Saturn Raketen an, die alle erfolgreich waren, wenngleich es mehrere Starts mit Problemen gab.

Das nächste ist, dass wir auf den nächsten Start lange warten müssen. Im Mittel wird es eine Artemis Mission alle zwei Jahre geben. Artemis 1 ist bei Apollo mit den unbemannten Starts vor Apollo 7 vergleichbar. Es gibt im Artemisprogramm noch keinen Mondlander. Dessen Entwicklung wurde erst vor eineinhalb Jahren vergeben. Auf dem Mond landen kann man also nicht.Die Entwicklung verläuft im Zeitlupentempo. Beim Lander hat man nun einen zweiten Entwicklungsauftrag vergeben und SpaceX, welche den ersten Auftrag erhielten, gaben bekannt das der erste Lander nur ein „Skelett“ sein soll.Gerade mal fähig zu landen. Er kann noch nicht zurückkehren und auch keine Besatzung beherbergen. Eigentlich die Hauptaufgabe eines Mondlanders. Im April wurde dann ein Nachfolgeauftrag für einen Lander bewilligt, der das kann und ein Lander für die zweite Landung wurde vor wenigen tagen für 1,1,5 Milliarden Dollar bestellt.

Artemis leidet darunter, dass es extrem langsam voran geht. Bemannte Raumfahrt ist ja per se nicht dafür bekannt, das es schnell geht – man muss nur mal beim bemannten Crew-Transport zur ISS die Verzögerungen ansehen. Da war der erste bemannte Start auch für 2016 geplant und bei Boeing wird es wahrscheinlich nichts vor 2023. Aber bei Artemis ist es schon extrem. Man wird bei Artemis niemals das Tempo von Apollo erreichen, wo innerhalb von zwölf Monaten 1968/1969 fünf Missionen stattfanden, weil natürlich auch der Druck der „Deadline“ da war, aber ein Tempo wie danach – je zwei Missionen in den Jahren 1971/1972, denke ich wäre eine vernünftige Frequenz.

Wie ich schon mal geschrieben habe, ist das bei bemannten Programmen fatal. In der Raumfahrt ist es immer so, das Programme teurer werden, wenn sie lange dauern. Man kann nicht einfach Leute entlassen und in einigen Jahren wieder einstellen, dann verliert man das Know-How. Aber bei bemannter Raumfahrt ist es extrem. Die NASA zahlt nach Abschluss der Entwicklungsarbeiten für Services an die beteiligten Firmen. Dies kann durchaus die Arbeit an Verbesserungen beinhalten, aber im wesentlichen bezahlt die NASA dafür, das der Partner bei der Industrie keine Leute entlässt die mit dem Programm vertraut sind und nicht die Anlagen für die Fertigung demontiert. Das Space Shuttle Programm verschlang nur dafür 200 Millionen Dollar pro Monat, das waren rund zwei Drittel der Gesamtkosten. Bisher hat die NASA 20,5 Milliarden Dollar für die Orion und 22,4 Milliarden Dollar für die SLS ausgegeben. Dazu kommen 5,4 Milliarden für Upgrades der Bodeninfrastruktur. Andere Aufträge, wie für den Mondlander erhöhten die Summe auf 48 Milliarden Dollar.

Diese Mission Artemis 1 – ohne Mondlander kostet 4,1 Milliarden Dollar. Anders als beim Space Shuttle hat man nicht mal die SRB geborgen und sie erneut verwenden. Bis Ende 2025 wird das Artemisprogramm mit weiteren Missionen und Aufwendungen für den Mondlander, die EDS Oberstufe und das Lunar Gateway Artemis 93 Milliarden Dollar kosten. Offen ist ob bis 2025 jemand auf dem Mond landet.

Das Apollo Programm ist damit schwer vergleichbar. Es fand unter anderen Voraussetzungen statt. Schon die Art der Verträge waren andere. So gab es „Cost plus Fee“ Verträge – die NASA übernahm alle Kosten und zahlte eine Prämie, deren Höhe davon abhängig wie schnell der Auftrag abgeabreitet wurde. Wenn eine Firma schneller war als geplant war die Prämie höher. Das führte dazu das alle Firmen so viel Personal wie möglich an das Programm setzten. Bis zu 400.000 Personen sollen an Apollo in irgendeiner Weise beteilligt sein.. Die Vorgehensweise repräsentierte die Deadline die es gab. Die Planetary Society berechnet die Kosten von Apollo auf 257 Millairden Dollar heute, die NASA nimmt eine eigene Berechnungsbasis und kommt auf 236 Milliarden Dollar. Das sind ähnliche Größenordnungen. Allerdings sind die Missionen deutlich billiger. Eine Mission bei Artemis kostet ohne den Mondlander jetzt schon 4,1 Milliarden Dollar bei 93 Milliarden für das Gesamtprogramm bis Ende 2025 also rund ein Zwanzigstel. Eine Apollomission ohne Mondlander kostete damals 350 Millionen Dollar und mit dem Lunar Module waren es 450 Millionen Dollar. Das sind bei 25 Milliarden Dollar für das Gesamtprogramm nur ein Siebzigstel der Programmkosten. Hochgerechnet auf heute entsprächen die 350 Millionen Dollar von 1969 heute 2,68 Milliarden Dollar, eine Apollomission war also billiger, und das obwohl Europa ja das Servicemodul entwickelt und bei den ersten zwei Flügen auch bezahlt, wahrscheinlich auch bei den folgenden, die ESA will ja beim Lunar Gateway mit dabei sein und muss dafür bezahlen. Auch hier sehe ich bei der einfachen Konstruktion der SLS den Hauptgrund in der geringen Startfrequenz.

Erst im Mai 2024, also in eineinhalb Jahren wird mit Artemis 2 der erste bemannte Flug erfolgen. Während diese Mission über drei Wochen dauert, weil man auch in den Orbit des späteren Lunar Gateway einschwenkt wird Artemis 2 eine Wiederholung von Apollo 8 sein, mit einem kurzen Aufenthalt (maximal einige Tage) in einer niedrigen Mondumlaufbahn.

Die dritte Mission, Artemis 3, das nicht vor 2026 starten wird, ist noch unbestimmt. Geplant war ein Flug zum Lunar Gateway und dann eine Landung auf dem Mond, aber da der erste Mondlander von SpaceX das nicht kann, muss diese Mondlandung entweder auf Artemis 4 verschoben werden oder dessen Erprobung bekommt keine Artemis-Nummerierung, ähnlich wie die Starts für das Lunar Gateway die nicht mit der SLS erfolgen keine Bezeichnung als „Artemis-Mission“ bekommen.

Abhilfe ist nicht in Sicht. Das grundlegende Problem bei SLS ist die Finanzierung, welche die typische Peakbelastung des Budgets vermeidet. So wurde der Kontrakt für den Mondlander ein Jahr nach Beginn des Apolloprogramms vergeben, bei Artemis erst neun Jahre nach Programmbeginn. Vorher benötigte man die Mittel für die SLS und Orion. So steht in den nächsten Jahren keine Alternative zu einfachen Mondumrandungen oder Mondorbitmissionen zur Verfügung. Immerhin hat die NASA den Mondlander nun nochmals ausgeschrieben, will also ein zweites Konzept fördern. Wie sinnvoll das ist, wenn man bei SpaceX schon einen zweiten Lander bestellt hat, sei mal dahingestellt.

Aber Artemis ist nicht alleine. Schon vor Jahren wurde ja die kommerzielle Mondumrundung angekündigt. Zuerst tat sich nichts, dann wurde der Start von einer Falcon 9 auf ein Starship verschoben. Das rückt ihn nicht nur in die Zukunft, sondern auch das Starship muss erst bemannt qualifiziert sein und die für eine solche Mission nötige Auftanktechnologie muss funktionieren, sollte also mindestens einmal durchgeführt worden sein. Inzwischen gibt es neben dem japanischen Milliardär Maezawa – der schon mal als Test mit den Russen zur ISS flog auch der Milliardär Dennis Tito sich für eine soclhe Mission angemeldet.

Warum entzieht sich meiner Logik. Nach der gibt es mit der Crewed Dragon ein für bemannte Einsätze sogar von der NASA abgenommenes Vehikel, die Falcon Heavy hat schon einige Einsätze absolviert und basiert in der Basis auf der Falcon 9, die noch öfters geflogen ist. Beides ist verfügbar. Für einen Passagier sehe ich das Risiko als geringer an, und da SpaceX die Raketen weitestgehend wiederverwendet und das auch bei den Dragons tut glaube ich auch nicht das eine Mondmission mit dem Starship viel billiger wird – eher umgekehrt. Denn der zweite Mondlander, im Prinzip ein umgebautes Starship kostet ja 1.15 Milliarden Dollar. Alleine die nach Mussks Angaben acht bis zehn Auftankflüge dürften jede Einsparung durch Wiederverwendung egalisierten. Für eine Mondorbitmission benötigt man weniger Treibstoff, aber selbst wenn der Preis nur die Anzahl der Flüge repräsentiert, also das Starship praktisch nichts kostet, ist das immer noch teurer, als wenn man die derzeitigen Preise die die NASA pro Sitzplatz zahlt, nimmt und dann noch den Aufpreis einer Falcon Heavy zu einer Falcon 9 addiert.

Noch weniger macht die NASA Strategie Sinn. Der uninformierten Öffentlichkeit kann man ein Lunar Gateway, also eine Raumstation in einem Mondorbit, ja noch als weitere Stufe der Mondforschung verkaufen. In der Realität nutzt sie genauso wenig für die Mondforschung wie ISS für die Weltraumforschung, ja sogar noch weniger. Was man dort manchen kann, ist den Mond mit Instrumenten beobachten. Die kann man genauso auf einem Mondsatelliten montieren und der ist um Größenordnungen billiger. Bei der ISS kann man als zusätzliches Argument ja wenigstens noch die Medizinische Forschung am Menschen unter Schwerelosigkeit anführen und Werkstoffversuche unter Schwerelosigkeit und Hochvakuum. Zumindest die Forschung am Menschen wäre aber nicht nötig, wenn die Menschen nicht schwerelos wären, man beim nächsten Ziel Mars also auf dem Hin- und Rückweg künstliche Gravitation hätte, auf dem Mars herrscht ja sowieso Gravitation, wenn auch nicht die gleiche wie auf der Erde. Doch selbst das ist nach 20 Jahren Forschung auf der ISS, mit Regelaufenthalten die mit 180 bis 190 Tagen der Dauer der Schwerelosigkeit bei schnellen Marsrouten entsprechen, heute auch keine Begründung mehr. Dafür hat man schon zu viele Daten über diesen Zeitraum durch die Regelaufenthalte auf der ISS.

Bei einer Mondstation kommt aber außer der Mondbeobachtung nichts hinzu was man auf der ISS oder einer zukünftigen kommerziellen Raumstation durchführen könnte. Dafür kostet dieses Lunar Gateway weiteres Geld, das meiner Ansicht nach besser in mehr und vor allem höherfrequente Artemis Missionen gesteckt wäre. Wenn eine Mondstation dann eine auf dem Mond selbst.

Noch was anderes, aber es kam mir gerade unter die Augen als ich für diesen Artikel recherchierte: SpaceX hat 1.300 Starlink-Terminals in der Ukraine abgeschaltet. Elon Musk hat vom DoD die Finanzierung verlangt die um eine Größenordnung höher ist als bei Privatkunden (2.500 Dollar pro Terminal, vs. 110 Dollar für Privatkunden), das wurde abgelehnt. Auch Großbritannien das sich beteiligen wollte hatte abgelehnt. Nun wurde trotz Musks Aussage 1.300 Terminals – das ukrainische Militär hat nur 4.000 davon – abgeschaltet, was die Situation dort nicht verbesserte.

Ich habe ja schon keine gute Meinung von Musk. Meier Ansicht nach ist er eine Kreuzung mit den schlechten Eigenschaften eines Kapitalisten aus dem 19-ten Jahrhunderts mit jemand der unter AHS leidet, aber er bringt es regelmäßig fertig meine schlechte Meinung noch zu unterbieten. Nach den oft innerhalb von Stunden widersprüchlichen Posts auf Twitter habe ich inzwischen ernste Zweifel an seiner geistigen Zurechnungsfähigkeit. Aber wenn man um nur noch mehr Geld zu verdienen indirekt Russland unterstützt, dann hört doch alles auf. Schon das man 2.500 Dollar pro Terminal verlangt und somit vom DoD einen dreistelligen Millionenbetrag haben will – in etwa genauso viel wie man von den lediglich 164.000 Usern von Starlink pro Jahr erlöst war eine Unverschämtheit. Vor allem aber bedeutet Starlink für SpaceX keine laufenden Kosten, lediglich die Terminals stellen einen Kostenfaktor dar. Warum denn auch. Die Satelliten verursachen keine Kosten wenn sie senden anstatt beim Überflug der Ukraine nichts tun. Bodenstationen müssen immer betrieben werden, egal ob sie Daten empfangen oder nicht. Lediglich das einspeisen von den Bodenstationen in das erdgebundene Internet kostet SpaceX etwas, aber hier reden wir über die kosten die ein normaler DSL-Anschluss aufwirft also vielleicht ein Hundertstel der 2.500 Dollar. Echt schäbig.

Andere Firmen wären bei einem solchen Verhalten wohl mit einem Sturm der Entrüstung konfrontiert und würden dann einknicken. Aber die Fans von Musk, Tesla und SpaceX kann wohl nichts erschüttern. Mal sehen wie diese Erpressung weiter geht.

Die mobile Version verlassen